Co-Investoren mit einer strategischen Perspektive

Corporate Venture Capital

Markus Solibieda, BASF Venture Capital GmbH
Markus Solibieda, BASF Venture Capital GmbH

Bildnachweis: © Klaus Mellenthin.

Neben den bekannten Assetklassen Venture Capital, Growth Capital und Private Equity hat sich in den vergangenen Jahren eine weitere nach vorn geschoben, die mit noch größerer Geschwindigkeit wächst: Corporate Venture Capital (CVC). 

Mittlerweile sind CVC-Einheiten an mehr als 25% aller globalen Venture Capital-Finanzierungsrunden beteiligt, Tendenz stark steigend. Neben bemerkenswerten Zuwächsen in Asien und Nordamerika sind insbesondere in Deutschland in den letzten Jahren weiter zahlreiche neue Einheiten gegründet worden – überwiegend von großen Mittelständlern, die wie die bereits engagierten DAX-Konzerne den Wert eines eigenen Investmentteams erkannt haben und nunmehr CVC zu einem Kernbestandteil ihrer Innovationsstrategie machen. 

Beitrag zur Innovationsstrategie

Diese CVC-Einheiten berichten in der Regel nicht an den CFO und sind auch nicht Teil der Pensionskasse, obwohl ihr finanzieller Beitrag oft bedeutsam ist. Sie verfolgen in erster Linie strategische Ziele. Dies macht ihr Mandat noch anspruchsvoller, da neben der Erwirtschaftung einer attraktiven Rendite eine weitere Zieldimension besteht. Ihr Anspruch besteht darin, mit einem überschaubaren, schlagkräftigen, oft globalen Team einen zentralen Beitrag zur Innovationsstrategie großer Konzerne zu leisten – und gleichzeitig Geld zu verdienen.

Klares Mandat als Voraussetzung

Die Festlegung eines klaren Mandats, das vom gesamten Konzern getragen wird, ist die erste und wichtigste Voraussetzung für den Erfolg: Das Einsatzfeld von CVC-Investitionen reicht von der Vorbereitung von M&A-Transaktionen über die Erweiterung bestehender F&E-Aktivitäten bis hin zur Identifikation und dem Aufbau neuer Geschäftsfelder beziehungsweise der Digitalisierung bestehender Geschäftsaktivitäten. Investitionen in strategisch relevante „Moonshots“ und disruptive Geschäftsmodelle ergänzen das Spektrum der Investitionsziele. Unter diesem Blickwinkel wird der Dealflow auf strategische Relevanz analysiert sowie wertvolles Know-how über technologische Trends, neue Geschäftsmodelle und relevante Marktentwicklungen aufgebaut und im Konzern geteilt. Allein der Aufbau von effizienten Kommunikationskanälen zum Wissenstransfer innerhalb von Organisationen mit mehreren Tausend Mitarbeitern ist eine sehr anspruchsvolle, aber letztendlich unverzichtbare Aufgabe – denn Corporate Venture Capital kann seinen strategischen Zweck nur basierend auf einem professionellen Austausch mit den Entscheidungsträgern in einem Konzern erzielen. 

Strategischer Wert

Am Anfang einer jeden Investition steht die Frage nach dem strategischen Wert, der mit dieser finanziellen und operativen Zusammenarbeit mit dem Zielunternehmen für den Mutterkonzern generiert wird. Dieser „strategische Fit“ eines Investments besteht entweder bereits mit der aktuellen Strategie des Konzernes oder – deutlich häufiger – mit einer möglichen, erwarteten, zukünftigen Strategie der Muttergesellschaft. Mit der Analyse des Dealflows, dem Dialog mit Co-Investoren, den Lernerfahrungen aus dem Testen neuer Geschäftsmodelle und der Zusammenarbeit mit den Zielunternehmen hilft die CVC-Einheit dem Konzern, seinen Blick auf die Zukunft zu schärfen und seine nächste Strategie zu schreiben. Was bedeutet diese strategische Perspektive nun für die Co-Investoren in einem Start-up? 

Start-up und CVC als Teamplayer

Zunächst einmal ist es Aufgabe des CVC-Investors, nicht nur das Management des Portfoliounternehmens, sondern auch die Co-Investoren über die denkbaren Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen dem Konzern und dem Start-up zu informieren. In einigen Fällen besteht bereits zum Zeitpunkt des Investments ein konkreter Plan, wie der Konzern mit dem Start-up zum Beispiel in den Bereichen Forschung und Entwicklung, in der Geschäftsskalierung oder beim Marktzugang kooperieren werden. Häufig wird dieser gemeinsame Plan aber auch erst durch die Diskussion und durch das Austesten verschiedener Optionen schrittweise entwickelt, wieder verworfen, überarbeitet und schließlich umgesetzt. Management und Co-Investoren sollten sich daher bewusst sein, dass der Konzern das Start-up nicht an die Hand nimmt, sondern gemeinsam mit diesem eine Reise antritt, deren Ausgang nicht immer vorherbestimmt ist. 

Vorteile eines Corporate Venture Capitalisten

Durchaus können das Management und die Co-Investoren jedoch davon ausgehen, dass der Konzern hinter dem CVC-Team über besondere Ressourcen verfügt, die er seinem Portfoliounternehmen zur Verfügung stellen kann. Allein die Kommunikation der Zusammenarbeit mit einem großen, erfolgreichen Konzern verschafft dem Start-up oft einen erheblichen Reputationsgewinn – der übrigens auch von bekannten, erfolgreichen Wagniskapitalinvestoren ausgehen kann. Eine Rolle des Konzerns als Kunde des Start-ups kann hilfreich sein, aber die strategische Kooperation sollte sich nicht in einer reinen Kundenbeziehung erschöpfen. Den größten Wert hat ein Konzern als Partner des Start-ups beim Marktzugang, das heißt, wenn der Konzern gemeinsam mit dem Start-up bestehende Kunden des Konzerns oder gemeinsame neue Kunden adressiert. Vor diesem Markteintritt steht jedoch häufig eine enge Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung (insbesondere bei Hard Science-Start-ups). Der Konzern kann dem Start-up helfen, Forschungsprojekte richtig aufzusetzen, eine Patentstrategie zu entwickeln, das regulatorische Umfeld zu navigieren, oder auch Forschungskapazitäten (Personal und Einrichtungen) zur Verfügung stellen. Darüber hinaus kann der Konzern bei der Skalierung der Produktion unterstützen – während die Herstellung eines Musters im Labor oder eines Prototyps noch einfach erscheinen kann, ist der Aufbau eines effizienten Fertigungsprozesses und der Aufbau einer vollständigen Supply Chain eine Aufgabe, bei der Start-ups von der jahrzehntelangen Erfahrung von Konzernen profitieren können. 

Beschleunigter Marktzugang

Der größte Wert für das Start-up und seine Investoren wird jedoch regelmäßig dann geschaffen, wenn der Konzern seine Marke, seine Reputation und seine Kundenkontakte für das Start-up einsetzt. Ob der Konzern lediglich den Kundenkontakt vermittelt, die Lösung des Start-ups selbst aktiv, entweder als „White Label“, unter eigenem Namen, oder unter der Marke des Start-ups, verkauft, oder ob man gemeinsam mit einem neuen Produkt neue Märkte adressiert – in jedem dieser Fälle beschleunigt das Start-up seinen Marktzugang erheblich. Dieser Marktzugang kann auch testweise erfolgen, um das Produkt oder die Dienstleistung mit den Kunden noch weiter zu entwickeln – die Kunden von Teams „Konzern und Start-up“ stehen innovativen Lösungen in der Regel sehr aufgeschlossen gegenüber. Unabhängig davon, auf welcher Ebene die Kooperation zwischen Konzern und Start-up stattfindet – im Zentrum der Anstrengungen steht der gemeinsame Erfolg. Während Interessenkonflikte eher selten auftreten, kann diesen durch passende Vertraulichkeitsvereinbarungen, Lizenzvereinbarungen und klar definierte kommerzielle und rechtliche Vereinbarungen vorgebeugt werden.

Fazit

Die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Corporates und Start-ups, die für den Standort Deutschland eine enorme Chance darstellt, hat die Beteiligten wertvolle Erfahrungen sammeln lassen, sodass heute nicht nur in Konzernen immer mehr hoch qualifizierte Mitarbeiter im Umgang mit Start-ups geübt sind, sondern auch Managementteams von Start-ups eine klare Vorstellung davon haben, wie sie von der Zusammenarbeit mit Konzernen profitieren können. Entscheidend ist, dass bereits beim ersten Austausch und während der Due Diligence- und Kennenlernphase die Erwartungen im Hinblick auf den Beitrag des zukünftigen strategischen Investors klar kommuniziert werden. Auf diese Weise kann auch die Rollenverteilung zwischen den Venture Capital-Investoren und den Corporate Venture Capital-Investoren so gestaltet werden, dass sie für das Portfoliounternehmen den größten Wert schafft. Da CVC-Investoren die Wagniskapitalinvestoren als komplementäre Partner bei der Entwicklung von Portfoliounternehmen und selten als Wettbewerber um einen attraktiven Deal sehen müssen, sind die Voraussetzungen für eine produktive Partnerschaft zugunsten des Start-ups in dieser Konstellation als Co-Investoren ideal.  

Über den Autor:

Markus Solibieda ist seit November 2016 Geschäftsführer der BASF Venture Capital GmbH. Zuvor leitete er das Frankfurter Büro von Mandarin Capital Partners und war vor dieser Zeit Mitgründer von Baigo Capital, einem auf Healthcare fokussierten Growth Capital Fund.