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Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hat sich mit ihrem Center of Excellence auf Corporate Venture Capital fokussiert. Das momentan durchwachsene Marktumfeld bietet für den Mittelstand durchaus positive Perspektiven.
VC Magazin: Corporate Venture Capitalisten gewinnen seit Jahren stetig an Bedeutung. Welche Rolle spielen sie heute bei der Start-up-Finanzierung?
Nöll: Corporate Venture Capital (CVC) ist aus zweierlei Hinsicht in der Start-up-Landschaft hier nicht mehr wegzudenken: Zum einen haben wir mit Blick auf den Anteil der direkten Investitionen in Start-ups je nach Studie bis zu 30% CVC-Anteil an den Finanzierungsrunden; zum anderen werden die Corporates auch immer aktiver als Limited Partner und nehmen damit indirekt eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Ökosystems ein. Auch die Zahlen der CVC-Einheiten in Deutschland sind signifikant steigend. Auf globaler Ebene sind im letzten Jahr allein 229 neue CVC-Einheiten entstanden, und auch hierzulande nehmen sie über diverse Vehikel weiter zu. Unserer Schätzung zufolge gibt es insgesamt in Deutschland aktuell etwa 150 Einheiten.
VC Magazin: Der Markt ist aktuell im Wandel, bedingt durch Zinswende und Inflation. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die CVC-Tätigkeiten hierzulande?
Nöll: Dazu gibt es verschiedene Thesen, und aktuell können wir nur mutmaßen, wie sich die Situation entwickeln wird. Seitens der Finanzinvestoren wird viel Unsicherheit diskutiert; gleichzeitig stimmt ein Blick auf die Liquidität der Fonds positiv. Einerseits wird bei den CVCs und ihrer Abhängigkeit von der Performance ihrer Muttergesellschaften eine Marktveränderung bei den Investitionen sicher erst mit etwas mehr Verzögerung sichtbar werden, andererseits treten CVCs mitunter auch als Follow-Investoren auf und sind in dieser Rolle stärker abhängig von den privaten Investoren. Halten sich jene bei Finanzierungsrunden zurück, könnten sich auch weniger CVCs beteiligen.
VC Magazin: Branchenexperten sprechen von einer Gesundung beim Blick auf das sinkende Preisniveau. Inwiefern können CVCs hiervon profitieren?
Nöll: Schwierig sind die aktuellen Zeiten vor allem für Later Stage-Investments – ein Bereich, auf den CVCs eher weniger einen Fokus haben. Zudem muss das bisher eingesammelte Kapital nichtsdestotrotz angelegt werden, und hiervon werden frühphasige Start-ups profitieren können. Insgesamt geht die Marktentwicklung mit einer Nachjustierung der Unternehmensbewertung einher und der zuletzt deutlich teurere Markt hat sich normalisiert. Gut positionierte Unternehmen könnten daraus einen Vorteil ziehen und zu adäquateren Bedingungen bei den Start-ups einsteigen. Nicht vergessen sollten wir, dass Krisenjahre durchaus auch Transformationsjahre sind und hier keiner die Pause-Taste drücken wird. Von daher erwarten wir keine einschneidenden Entwicklungen.
VC Magazin: PwC hat mit seinem CVC Center of Excellence einen eigenen Bereich für Corporates geschaffen. Inwiefern arbeiten Sie mit den CVCs zusammen?
Nöll: Wir begleiten Corporates, die einen CVC-Arm aufsetzen möchten, ebenso wie bereits bestehende CVCs. Wir beantworten Fragen zu Strategien, Governance und begleiten Kunden natürlich im Finanzierungsprozess sowie im Steuer- und Rechtsbereich bei der Strukturierung. Darüber hinaus unterstützen wir bei Transaktionen, beraten rechtlich zu Deals und betreuen Kunden bei Limited Partnership Investments. Hierfür haben wir ein eigenes Benchmarking-Tool und eine große Datenbank, sodass wir Investitionsziele in einem intransparenten Markt datenbasiert vergleichen können. Unser Center of Excellence ist global aufgestellt mit Experten unter anderem in den USA, Europa, Israel und Singapur.
VC Magazin: Was raten Sie einem Mittelständler, der über einen Venture-Arm in Start-ups investieren möchte?
Nöll: Zunächst einmal stellen wir viele Fragen und möchten die Motivation verstehen. Hierfür gibt es diverse Ansätze, ob strategische Rendite, neue Technologien oder auch eine Portfoliodiversifikation und Kapitalanlagen. Erst wenn wir das klar herausgearbeitet haben, setzen wir die Strategie auf.
VC Magazin: Ihre Gesellschaft engagiert sich auch selbst mit Investments. Wie sind Sie hier aktuell aufgestellt?
Nöll: Vor zwei Jahren haben wir eine Corporate Venture-Strategie aufgelegt und investieren seitdem über unterschiedliche Vehikel in Start-ups. Beispielsweise haben wir einen Corporate Venture Capital-Fonds aufgelegt, der von einem externen Managementteam betreut wird. Unser Portfolio besteht aktuell aus sechs Start-ups aus für uns relevanten Business-Ökosystemen. Dazu zählen B2B- und B2G-Start-ups aus den Segmenten Govtech, Insurtech und Industrial IoT. Darüber hinaus sind wir auch als Limited Partner aktiv und haben unter anderem bei World Fund, PropTech1 und dem High-Tech Gründerfonds gezeichnet.
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie für die zweite Jahreshälfte beim Blick auf die hiesigen Start-up-Investments?
Nöll: Kurzfristig wird weitere Unsicherheit im Venture Capital-Markt folgen, und die aktuellen Konferenzen werden hoffentlich genutzt, um sich gegenseitig zu stärken. Auch können die Start-ups solche Phasen als Chance nutzen, um ihre Position weiter auszubauen, neue Stärken zu definieren und ihr Portfolio sinnvoll zu ergänzen. Der Markt schaut sich solche Entwicklungen sehr genau an. Für die weitere Zukunft bin ich zuversichtlich, dass wir wieder in ruhige Fahrwasser kommen. Wir sehen auch nach wie vor Corporates, die in den Markt einsteigen möchten, und auch wir selbst werden weiter investieren.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Florian Nöll ist als Head of Corporate Development & Innovation für die Venture-Investments von PwC Deutschland verantwortlich und berät als Leiter des CVC Center of Excellence global Kunden im Aufbau neuer Investmentaktivitäten.