Bildnachweis: © AWS.
Die Zusammenarbeit von österreichischen Mittelständlern und Start-ups sowie die Auswirkungen der aktuellen geopolitischen Lage auf die dortige Start-up-Szene hat der erfahrene Fondsmanager Christoph Haimberger im Blick.
VC Magazin: Krieg in der Ukraine, Rohstoffmangel, Lieferengpässe, Inflation und Fachkräftemangel – wie geht es Ihren Portfoliounternehmen aktuell?
Haimberger: Die veränderte makroökonomische Lage erfordert Agilität, die in unserem Portfolio mit Late Seed- bis Series A-Unternehmen stark ausgeprägt ist. Konkret bedeutet das im Portfolio, dass wir bei manchen Unternehmen starkes Umsatzwachstum sehen, wie bei unserem Portfoliounternehmen Prewave. Die datengetriebene Software von Prewave wird zur Analyse der Lieferketten und Nachhaltigkeitsmanagement eingesetzt. Vorausschauende Risikowarnungen für kritische Elemente werden geschaffen. Damit ist Prewave Teil der Lösung der aktuellen Probleme. Das zeigt sich auch am hohen Investoreninteresse an einer laufenden Finanzierungsrunde. In Summe geht es unserem Portfolio sehr gut. Für uns ist seit einigen Jahren die Veränderung die einzige Konstante. Das bietet für Venture Capital auch Chancen, die wir gemeinsam mit der Industrie und Co-Investoren nutzen.
VC Magazin: Die österreichische Investorenszene ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Wer sind die neuen Player, die mit Ihnen gegebenenfalls auch co-investieren?
Haimberger: Diese erfreuliche Entwicklung muss man differenziert betrachten. Im Segment der Investoren ab 10 Mio. EUR haben wir ein starkes Wachstum der Investorenszene erfahren. Angloamerikanische und paneuropäische Investoren sind auf österreichische Start-ups aufmerksam geworden. In unserem Portfolio sind Investoren wie SoftBank, Insight Partners und Sapphire als Co-Investoren bei Anschlussfinanzierungen hinzugekommen und stärken unser Co-Investoren-Netzwerk von über 230 Investoren. Das gibt unseren Portfoliounternehmen wie PlanRadar und Adverity ausreichende Finanzkraft, um das globale Wachstum weiterhin voranzutreiben. Im Investmentsegment unter 10 Mio. EUR würden wir uns noch mehr Investoren in Österreich wünschen. Gerade in der frühen Unternehmensphase sind wir meist noch der erste institutionelle Investor und nehmen die Rolle des Lead Investors ein, in der wir bereits frühzeitig Co-Investoren einladen. Diese Co-Investoren können mit vergleichsweise kleinen Investments schon frühzeitig Einblicke in die Start-ups gewinnen, ohne dafür ein eigenes Team für Österreich aufbauen zu müssen. In diesem kleineren Investmentsegment bemühen wir uns verstärkt um internationale Co-Investoren und zählen dazu in Österreich zum Beispiel den High-Tech Gründerfonds aus Deutschland.
VC Magazin: In Deutschland investieren immer mehr Konzerne und Mittelständler in Start-ups und Scale-ups, allein über 30 als Industriepartner des High-Tech Gründerfonds. Begegnen Ihnen diese Adressen auch in Österreich?
Haimberger: 77% der DAX-Unternehmen in Deutschland haben unternehmenseigene Programme für Start-ups, Innovation und Corporate Venture Capital. In Österreich ist es mit rund 30% der ATX-Unternehmen weniger als die Hälfte. Im Mittelstand ist die Lücke zwischen Deutschland und Österreich wahrscheinlich noch größer. Was wir in Österreich brauchen, ist ein ausgeprägteres Bewusstsein für die Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit von Corporate Venture Capital, vergleichbar zu Deutschland. Eigentümer und Spitzenmanager, die hierzu mehr erfahren möchten, finden bei mir offene Türen und können mich jederzeit kontaktieren. Wir haben Erfolgsbeispiele und teilen gerne unsere Erfahrungen, wenn es um die Findung der richtigen Balance zwischen strategischen und finanziellen Zielen geht. Beide können durch Corporate Venture Capital erzielt werden, und wir sehen uns dabei als Katalysator. Über mehr Begegnungen dazu würde ich mich jedenfalls freuen.
VC Magazin: Warum lohnt für deutsche Mittelständler der Blick nach Österreich besonders?
Haimberger: Österreich hat eine ausgeprägte Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Zahlreiche innovative Produkte suchen den „Produkt-Markt-Fit“, die für deutsche Mittelständler in vielerlei Hinsicht interessant sein können, sei es als Entwicklungs- oder Vertriebspartner, Investor, Kunde oder Skalierungspartner. Mit dem aws Gründerfonds unterstützen wir auch deutsche Mittelständer in Österreich, vergleichbar zum High-Tech Gründerfonds in Deutschland. Das ist ein bewährtes Modell und für jeden Verantwortungsträger wichtig, um nachhaltig Arbeitsplätze, Innovation und Wachstum zu erzielen. Zusätzlich hat Österreich eine Vorreiterrolle bei Umwelttechnologien, die im Rahmen der Green Deal-Implementierung verstärkt benötigt werden.
VC Magazin: Aus welchen Branchen sehen Sie in Österreich derzeit besonders interessante Unternehmen?
Haimberger: Wir investieren derzeit verstärkt in Green Winners und Digital Winners. Unter Green Winners verstehen wir neue Geschäftsmodelle und Marktbedürfnisse, die durch den Green Deal und einhergehende Strukturumbrüche entstehen. Häufig passiert das in Querschnittsmaterien mit digitalen Branchen wie Software. Beispiele hierfür sind unsere jüngeren Investments wie goUrban oder Greenpass. goUrban ist im Bereich Shared Mobility mit einer äußerst flexiblen Softwarelösung für Flottenmanager aktiv. Greenpass ist ebenfalls ein Softwareunternehmen in den Bereichen Proptech, Greentech sowie EU-Taxonomie. Greenpass stellt bereits bei Ausschreibung von neuen Immobilien die Auswirkung der Flächenversiegelung auf die Außentemperatur und entsprechende Stadtplanung fest. Städte wie Wien, Hamburg, Essen, Amsterdam, Mailand, Sydney und London vertrauen bereits auf Greenpass.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie das aktuelle Preisniveau im österreichischen Start-up-Markt im internationalen Kontext?
Haimberger: Der österreichische Start-up-Markt ist anfänglich durch mehrere kleinere Finanzierungsrunden geprägt anstatt sofort einer großen Finanzierungsrunde. Das ermöglicht auch aktuell für Investoren im Durchschnitt ein niedrigeres Preisniveau, sofern man bereits früh bei den Investorenrunden teilnimmt. Ab den Late A- beziehungsweise B-Runden kommt dieser Cost-Average-Effekt aber auch in Österreich kaum mehr zu tragen.
VC Magazin: An der Spitze deutscher Konzerne stehen überproportional viele Österreicher. Auch die Unicorns N26 und Bitpanda haben österreichische DNA im Top-Management. Sind Österreicher besonders gute Unternehmer?
Haimberger: [lacht] Österreichische Manager sind wie österreichische Unternehmen. Der Export von Gütern und Humankapital ist wichtig für ein Land mit neun Millionen Einwohnern, der ideal für kosteneffiziente Markteinführungen ist, um später global zu skalieren. Das scheint Teil der österreichischen DNA zu sein.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Christoph Haimberger ist Geschäftsführer von aws Fondsmanagement und damit für den aws Gründerfonds und den aws Mittelstandsfonds zuständig.