Bildnachweis: © Guy2Men — stock.adobe.com, © Strascheg Center for Entrepreneurship, © Alasco, © CDTM, © Earlybird Uni-X.
Die Zeiten, in denen das Vorhandensein einer guten Idee und die Fähigkeit zu Forschung und Entwicklung ausreichend scheinen, um ein Unternehmen zu gründen, sind vorbei. Entrepreneurship, also das „Unternehmertum“ als solches, unabhängig vom industriellen Segment, entscheidet heute mehr denn je über Erfolg oder Misserfolg einer Ausgründung. Einen Masterplan für erfolgreiches Unternehmertum gibt es in Deutschland allerdings nicht.
Dass zur Gründung eines eigenen Unternehmens neben einer im Idealfall marktbeherrschenden Technologie und ausreichend Kapital auch ein fundiertes Wissen an betriebswirtschaftlichen Hintergründen notwendig ist, ist bei Gründungswilligen seit Jahren bekannt.
„Die Unterstützung für das Thema Entrepreneurship wird in den letzten Jahren mehr und mehr vorangetrieben“, bestätigt Prof. Dr. Klaus Sailer vom Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE). „Sowohl bundesweit als auch regional wird erkannt, dass Entrepreneurship und vor allem Talente mit Entrepreneurial Mindset für die langfristige Innovationsfähigkeit entscheidend sind.“ Neben der finanziellen Unterstützung von Hochschulen, mit dem Ziel, möglichst viele Start-up-Gründungen zu fördern, werde in letzter Zeit auch mehr darüber nachgedacht, wie Hochschulen in ihrer Entwicklung gefördert werden könnten, um sich hin zu Entrepreneurial Hochschulen zu entwickeln. „Dazu gehört neben der Implementierung von Education-Formaten und der Unterstützung von Start-ups auch die Partizipation der Hochschulen bei der Entwicklung von Ökosystemen durch externe Kooperationen und gemeinsame Projekte sowie internationale Vernetzungen“, so Sailer.
Langfristige Weiterbildung
Das heißt nicht, dass keine Notwendigkeit für Verbesserungen besteht. Gesucht wird eine Vision und damit ein langfristiges Förderkonzept für Hochschulen, wie Entrepreneurship in allen Disziplinen als wichtiges Element eingebaut werden kann.
Nicht nur die Studenten selbst, sondern auch externe Zielgruppen wie Unternehmen, Investoren oder Behörden müssen langfristig in diesem Bereich fortgebildet werden. „Bisher ist die Bedeutung von Entrepreneurship in der Entwicklung von regionalen Systemen und die wichtige Rolle der Hochschulen noch nicht in vollem Umfang erkannt“, sagt Sailer. Um systemische, gesellschaftliche Innovationen durchzusetzen, bedürfe es neuer Innovations- und Kooperationsansätze zwischen etablierten Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen sowie neuartiger offener Businessmodelle. Sailer: „Dafür ist ein Umdenken aller Beteiligten notwendig. Hochschulen sind für die Entwicklung, Verbreitung und Umsetzung solcher ein entscheidender Enabler. Investoren und Partner zu überzeugen, dass die Förderung solcher komplexer, risikoreicher und auch längerfristiger Ansätze wichtig und zukunftsweisend sind, ist ein langwieriger Prozess, da Prioritäten verschoben werden müssen.“ Zudem seien Hochschulen und oft auch deren Entrepreneurship-Aktivitäten an die klassische Struktur einer öffentlichen Organisation gebunden, die eine unkomplizierte Kooperation und auch die Förderfähigkeit von neuen Businessmodellen erschweren.
Probleme in den frühen Phasen
Auch aus Sicht von Investoren funktioniert Entrepreneurship in Deutschland. Einerseits – denn andererseits sehen Experten wie Stephan Rauscher von Earlybird Uni-X insbesondere in frühen Phasen einer Gründung Nachholbedarf. „Der Schritt in das Unternehmertum beziehungsweise das Gründen ist nicht ganz einfach und häufig von bürokratischen Hürden bestimmt. Wir haben eine enorm hohe Regulatorik in Deutschland, was in vielerlei Hinsicht unternehmerisches Handeln schwer macht“, so Rauscher. In den Universitäten gebe es zwar theoretisch Entrepreneurship-Lehrstühle, nur seien diese leider oft entkoppelt von den Lehrstühlen, wo die technische Innovation stattfindet. Oder stehen sich potenzielle Gründe zuweilen selbst im Weg? „Das Mindset ‚einfach mal ausprobieren‘ besteht in Deutschland leider nicht in der Form wie in manch anderen Ländern, und deshalb gehen die guten Absolventen oft noch zu den großen Industrie-Playern und somit auf Nummer sicher“, sagt Rauscher.
Früh unternehmerisches Denken fördern
Um Entrepreneurship zu fördern und unternehmerisches Denken zu forcieren, suchen Investoren wie Rauscher mit dem Earlybird Uni-X Fund frühzeitig den direkten Kontakt zu den Hochschulen, Professoren, Doktoranden, Studenten und den Techtransfer-Offices der Universitäten in Deutschland wie auch in Europa. Genau auf diese Themen hat sich der Uni-X Fund spezialisiert. Dazu gehören beispielsweise auch Gastvorlesungen, im besten Fall zusammen mit einem erfolgreichen Gründerteam. „Wenn wir in Gesprächen feststellen, da ist ein Thema, das eine führende Technologie oder ein Produkt für einen sehr stark wachsenden Markt hat, dann setzen wir uns mit dem Team zusammen, auch wenn noch kein Pitch Deck oder Ähnliches existiert“, erklärt Rauscher. „Dann versuchen wir, genau herauszufinden, inwieweit die Technologie das Potenzial hat, durch geeignete Geschäftsmodelle in ein ‚Fundable Project‘ überführt zu werden. Wir sehen hier nicht unsere Aufgabe, den Wissenschaftlern bei der Technologie zu helfen, da sind sie ja schon weltweit führend; aber die Rahmenbedingungen zu schaffen, mit Coachings, Sparrings oder Intros zu Kunden, um ein erfolgreiches Unternehmen zu bauen.“
Ausbildung am CDTM
Großen Wert auf die Ausbildung von Innovatoren der nächsten Generation und deren Vernetzung legt das Center for Digital Technology and Management (CDTM), ein gemeinsames Forschungs- und Lehrinstitut der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
„Wir wenden uns an Studierende aus allen Fachgebieten, weil Innovation und Entrepreneurship nicht auf die Wirtschaftswissenschaften oder die Ingenieurwissenschaften beschränkt sind“, sagt Prof. Dr.-Ing. Klaus Diepold. Angesprochen werden die Studierenden in fortgeschrittenen Phasen eines Bachelor- oder in frühen Phasen eines Masterstudiengangs. Vorteil: Um den CDTM-Studiengang „Technology Management“ zu absolvieren, müssen die Studierenden ihren ursprünglichen Studiengang nicht verlassen. „Das CDTM ist ein ‚Add-on‘ und kann mit jedem Studiengang kombiniert werden“, erklärt Diepold. Man versuche nicht, alle Studierenden gleich zu machen, sondern sie lernen die Kompetenzen anderer Fachgebiete wertzuschätzen und im Rahmen eines teamorientierten Prozesses einzusetzen.
„Sie durchlaufen keine Lehrbuchausbildung, sondern erarbeiten projektorientiert neue Lösungen für reale Probleme“, so Diepold. Zu den Absolventen zählt Sebastian Schuon, CEO und Co-Founder von Alasco. Er erklärt die Kontaktanbahnung zwischen Gründern und Investoren: „Das läuft in der Regel über die enge Vernetzung von Studierenden und Alumni, die sich auf Events und im Rahmen von Gastvorlesungen kennenlernen. So kommen dann meistens die ersten Kontakte und die Finanzierung zustande.“ Inzwischen treten Wagniskapitalgeber auch als Sponsoren von Veranstaltungen auf.
Fazit
Das Thema Entrepreneurship ist in Deutschland präsent, es mangelt jedoch an einer einheitlichen und wirkungsvollen Strategie, vor allem in der Hochschullandschaft. „Gründen macht Spaß, man kann sich seine eigenen Strukturen schaffen und etwas aufbauen – das muss auch in den Köpfen verankert werden, nicht erst in der Uni, am besten schon am Gymnasium und allen weiterführenden Schulen“, sagt Rauscher. In einzelnen Bereichen, etwa im Venture-Backed Entrepreneurship, wurden in den vergangenen Jahren Fortschritte erreicht. „Als Gesellschaft benötigen wir aber Entrepreneurship in allen Lebensbereichen – in Politik, Gesellschaft, kleinen Firmen und Ehrenämtern –, nicht nur bei der Venture Capital-Finanzierung“, schließt Schuon.