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Während die Legalisierung von Cannabis die politische Diskussion beherrscht, zeigen Rückmeldungen von Akteuren aus dem Medical-Cannabis-Markt, dass hier weitere innovative Produkte, fundiertere Businessmodelle und vor allem starke Investitionen benötigt werden. Die regulatorische Komplexität rund um Medical Cannabis im deutschen Markt darf dabei nicht unterschätzt werden. Eine Reihe von wesentlichen rechtlichen Themen ist in der Praxis noch nicht hinreichend geklärt.
Rahmenbedingungen im deutschen Markt
Wegen des eingetrübten Konsumklimas fällt es Cannabidiol(CBD)-Unternehmen weiterhin teilweise schwer, sich im hiesigen Markt zu behaupten. Für Verunsicherung sowohl bei Unternehmen als auch bei Investoren sorgen unter anderem die häufigen Untersuchungen durch Behörden (mitunter abhängig vom geographischen Standort). Aus rechtlicher Sicht fällt auf, dass regelmäßig mit positiven Auswirkungen von Cannabis auf die Gesundheit und das Wohlbefinden geworben wird, was aber häufig mit der Health-Claims-Verordnung und dem Heilmittelwerberecht (insbesondere §§ 3, 11 Heilmittelwerbegesetz, HWG) kollidiert. Mitunter führen arzneimittelähnliche Aufmachungen und Bewerbungen bei CBD-Produkten dazu, dass diese als sogenannte Präsentationsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz, AMG) einzustufen sind. Die Bewerbung von Präsentationsarzneimitteln ohne Arzneimittelzulassung ist indessen verboten (§ 3a HWG); das Inverkehrbringen kann gemäß § 96 Nr. 5 AMG sogar strafbar sein.
Projektrisiken besonders für junge Unternehmen
In Bezug auf medizinisches Cannabis wird die Infrastruktur für den Anbau und Handel mit Medical-Cannabis-Erzeugnissen – unter Berücksichtigung der wenigen bisher zugelassenen Arzneimittel mit Cannabis-Wirkstoffen und der begrenzten Anbaumengen – bereits von führenden Marktteilnehmern bedient. Wenn junge Unternehmen den deutschen Markt über eigenen internationalen Anbau und Import nach Deutschland erschließen wollen, bestehen mitunter erhebliche Projektrisiken, welche die Finanzierung erschweren, beispielsweise bei der Erlangung ausländischer (Vor-)Erlaubnisse. Insofern sind Investoren grundsätzlich skeptisch, wenn ein Start-up Investitionen in internationale Assets erfordert und wenn Immobilien- bzw. Bauprojektrisiken zu tragen sind, die zu unberechenbaren Verzögerungen und Budgetüberschreitungen sowie komplizierten Meilensteinen führen können.
Vermehrt Anfragen ausländischer Start-ups
Beflügelt durch die Diskussion um die mögliche Legalisierung häufen sich die Anfragen vor allem von ausländischen Start-ups im Bereich neuer Produkte und Darreichungsformen von Medical Cannabis im deutschen Markt. Junge Unternehmen, gerade solche aus dem Ausland, tun sich dabei naturgemäß schwer, die regulatorische Lage für medizinisches Cannabis in Deutschland zu überblicken. Beispielsweise kann die Abgrenzung zwischen Wirkstoffen (API) für Rezepturarzneimittel, die keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfen, und zulassungspflichtigen Fertigarzneimitteln als Funktions- oder Präsentationsarzneimittel (§§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1, 21 Abs. 1 AMG) im Einzelfall schwierig sein. Hinzu kommt, dass die Darstellung und Bewerbung der Produkte die Abgrenzung beeinflusst. Die Auswirkungen einer Fehleinschätzung durch das Unternehmen oder durch Berater können erheblich sein, da eine Arzneimittelzulassung nicht nur von der Zeitdauer, sondern auch vom Investitionsbedarf (Zulassungsstudie) her natürlich massive Auswirkungen auf den Business Case hat – von den Strafbarkeitsrisiken des Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung (§ 96 Nr. 5 AMG) ganz abgesehen.
Schlüsselrolle für etablierte Unternehmen und VC-Investoren
Das Fundraising für frühphasige Medical-Cannabis-Unternehmen ist immer noch schwierig. Dies gilt erst recht aufgrund der momentanen makroökonomischen und internationalen Unsicherheiten (Zinswende, internationale Konflikte, gestörte Logistikketten, Dollarkurs). Darüber kann auch die „positive Stimmung“ aufgrund der Diskussion um eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland nicht hinwegtäuschen. Ohnehin ist der VC-Markt für Medical Cannabis von der Größenordnung her nicht mit den USA und Canada vergleichbar, sodass die Hoffnung auf weitere vor allem ausländische Investoren bestehen bleibt. Den im Bereich Medical Cannabis erfahrenen und im deutschen Markt bereits aktiven Unternehmen sowie Venture-Capital-Investoren dürfte daher in den kommenden Monaten eine Schlüsselrolle zukommen, bis klar ist, ob und in welchem Zeitrahmen die Legalisierung tatsächlich umgesetzt werden kann.
Über die Autoren:
Dr. Martin Böttger ist Partner im Bereich Corporate/M&A, Venture Capital und Dr. Oliver Stöckel ist Partner im Bereich Healthcare und Life Sciences, Regulatory bei SKW Schwarz; beide gehören der Expertengruppe „Medizinisches Cannabis“ der Kanzlei an.