Bildnachweis: © IBB Ventures.
IBB Ventures feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Die beiden Geschäftsführer Roger Bendisch und Marco Zeller blicken auf ein Vierteljahrhundert Beteiligungsgeschichte am Standort Berlin zurück und berichten auch von neuen Plänen für die Zukunft.
VC Magazin: Sie feiern 25 Jahre IBB Ventures. Wie fühlt sich dieses Jubiläum für21 Sie an?
Zeller: 25 Jahre sind ein großer Teil meines Arbeitslebens. Wir haben extrem viel erlebt in dieser Zeit und dabei auch zahlreiche Herausforderungen gemeistert, die man nicht erwartet hätte. Vieles steckte damals in den Kinderschuhen und heute gibt es ein richtiges Ökosystem, eine Venture Capital- und Start-up-Kultur.
Bendisch: Wir haben in dieser Zeit in 260 Start-ups investiert und ihnen gemeinsam mit privaten Investoren mehr als 1,7 Mrd. EUR Kapital bereitgestellt; gleichzeitig durften wir die dynamische Entwicklung Berlins zu einem Top-Standort für Start-ups und Investoren miterleben. Dass wir so eine Reise vor uns haben, hätte ich mir vor 25 Jahren nicht vorstellen können.
VC Magazin: Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?
Zeller: 1997 war ein echtes Umbruchjahr für die IBB, verbunden mit der strategischen Entscheidung, sich den Start-ups zuzuwenden. Durch die Universitäten und Forschungseinrichtungen waren viele junge Leute hier ansässig, die etwas bewegen wollten.
Bendisch: Das waren spannende Zeiten. Es verpuffte die Illusion der Politik, dass sich in Berlin Konzerne ansiedeln, und man setzte auf Neugründungen. Die IBB entstand 1993, vier Jahre später wurde das Eigenkapitalprogramm initiiert. Parallel hatte die Deutsche Börse entschieden, als Gegengewicht zur Nasdaq Europa eine Technologiebörse aufzubauen. So entstand der Neue Markt, der einen enormen Hype nach sich zog.
VC Magazin: … und auf den dann mit dem Platzen der Dotcomblase ein großer Einbruch folgte. Ein paar Jahre später kam die Finanzkrise, zuletzt die Pandemie. Welche Herausforderung war für Sie am größten?
Zeller: Nach dem erfolgreichen Start des Neuen Markts erlebten wir eine unglaubliche Euphorie; es gab eine schnell wachsende Zahl von Investoren und bereits nach ganz kurzer Zeit viele Börsengänge. Umso größer war der Fall. Der absolute Tiefpunkt war der 11. September – ein Schockmoment, auf den eine regelrechte Eiszeit folgte. Alles, was über Jahre aufgebaut wurde, brach weg: Viele der neuen Venture Capital-Akteure verschwanden wieder, es gab kaum Finanzierungsrunden, keine Exits; das war eine extrem anstrengende Zeit. Es dauerte Jahre, bis sich die Investoren- und Start-up-Szene davon erholt hatte.
Bendisch: Die IBB hat in dieser Zeit weiter an uns geglaubt und weitere Mittel bereitgestellt. Wir verfolgten immer den Ansatz und Ehrgeiz, uns gemeinsam mit privaten Investoren zu beteiligen; das war in der damaligen Zeit wirklich schwer und hat einiges an Engagement gebraucht. Im Jahr 2004 haben wir einen der ersten neuen Fonds gestartet, der als erster durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanzierte Venture Capital-Fonds gleichzeitig eine Pilotrolle eingenommen hat: Das Land Berlin schuf zusammen mit der IBB einen öffentlichen Frühphasenfonds, der Vorbild für viele ostdeutsche Förderbanken wurde.
VC Magazin: Auch in der Pandemie haben Sie viel Einsatz zeigen müssen mit einer doppelt so hohen Zahl an Neuinvestments.
Zeller: Wenn Start-ups in Krisenzeiten nur schwer Kapital einwerben können, sehen wir es als unsere Aufgabe an, sie noch stärker zu unterstützen. Deshalb haben wir die Anzahl der Neuinvestments und das Finanzierungsvolumen gegenüber „normalen“ Jahren verdoppelt, was eine enorme Herausforderung war. Das war nur mit dem außerordentlichen Engagement und Spirit unseres Teams möglich. Dabei haben wir es ausnahmslos geschafft, immer auch private Investoren mit an Bord zu holen.
VC Magazin: Aktuell stellen sich die Start-ups neuen Herausforderungen, Investoren zeigen sich zurückhaltender bei ihren Investments. Welche Stimmung nehmen Sie im Markt wahr?
Zeller: Viel Kapital floss zuletzt in große und hoch bewertete Finanzierungsrunden. Davon sind wir im Frühphasensegment nicht betroffen, aber man spürt, dass der Markt insgesamt kleiner wird. Gleichzeitig war das erste Pandemiejahr ein All-Time-High-Jahr. Vieles von dem, was nun wegbricht, führt eher zu einer Normalisierung und einer Rückkehr zu klassischen Bewertungs- und Due Diligence-Maßstäben.
Bendisch: Wir investieren in der Regel zusammen mit Family Offices und Business Angels und haben finanzstarke Partner in unserem Netzwerk. Unsere Runden sind nach wie vor gut zu stemmen. Aber wir sehen, dass die Folgerunden, die im letzten Jahr problemlos über die Bühne gegangen wären, jetzt wesentlich länger brauchen. Die privaten Investoren kümmern sich um ihre Bestandsportfolios und sind bei Neugeschäften sehr zurückhaltend. Manche warten lieber noch ein Halbjahr länger mit ihrem Investment, möchten vorher mehr Umsatzsteigerung sehen. Das ist ein Unterschied zu letztem Jahr.
VC Magazin: Abseits der Krisen gab es sicher auch einige Highlights. Welche fallen Ihnen spontan ein?
Zeller: Wir hatten vielerlei positive Überraschungen mit sehr guten Börsengängen oder erfolgreichen Exits, wo sich die Extrameile lohnte, die wir gegangen waren. Richtig gefordert ist man bei Beteiligungen, wo unerwartet große Probleme auftreten, das Management zum Beispiel auseinanderbricht oder das Produkt nicht vom Markt angenommen wird. Manchmal standen wir kurz vor dem Aus, um dann nach einem anstrengenden Turnaround doch einen sehr erfolgreichen Exit hinzulegen. Diese Erfolgsgeschichten bleiben dann besonders in Erinnerung.
Bendisch: Ein besonderes Highlight für mich war der Börsengang der Jerini AG. Der Weg auf das Parkett ist immer sehr zeitaufwendig, kostet viel Mühe, und wenn es dann gelingt, freut man sich umso mehr. Das bringt Glückshormone mit sich, die in Erinnerung bleiben.
VC Magazin: Welche Investments sind Ihnen noch im Gedächtnis geblieben?
Zeller: Babbel ist eine besondere Beteiligung. Damals kam ein junges Team auf uns zu, bei dem eine spannende Vision bestand, aber mehrere Aspekte noch nicht klar waren. Erst mit der Zeit entwickelte sich ein Geschäftsmodell, das dann sehr schnell sehr erfolgreich umgesetzt wurde. Faszinierend finde ich, was für eine Marke daraus entstanden ist. Wohin man auch in den Urlaub fährt, jeder kennt Babbel. Ähnlich beeindruckt hat mich Ableton. Wir hatten keinen leichten Start – unser Einstieg fand kurz vor dem Niedergang des Neuen Markts statt –, letztlich ist eine weltweit führende Musiksoftware entstanden, die mittlerweile so bekannt ist, dass viele glauben, das Start-up sei aus den USA und nicht etwa aus Berlin.
Bendisch: Für mich war Gate5 ein Highlight. Das wurde damals an Nokia verkauft und hat mittlerweile unter neuer Firmierung mehr als 1.000 Mitarbeiter. Da ist etwas ganz Kleines sehr groß geworden. Auch thermondo hat uns überrascht. Viele fragten sich: Wer kauft auf Knopfdruck Heizungen? Heute ist thermondo der größte Heizungsbauer Deutschlands.
VC Magazin: Für das Land Berlin hat sich das damalige unbekannte Territorium gelohnt, es erwirtschaftet mit IBB Ventures ein Plus. Welche Bedeutung hat IBB Ventures für Berlin aus Ihrer Sicht?
Zeller: Gerade in Zeiten, in denen Investoren sich zurückhaltend zeigen, investieren wir weiter. Das Land profitiert von uns, weil wir über alle vier Fondsgenerationen immer eine gute Rendite erwirtschaftet haben und gleichzeitig die Jungunternehmen stärken. Das bietet dem Land einen echten Benefit. Wir sind Türöffner und liefern Zugang zu Know-how, privaten Investoren und Netzwerken. Zusätzlich unterstützen wir die Start-ups aktiv bei diversen Fragen um Strategie- und Firmenentwicklung.
Bendisch: Durch unsere erfolgreichen Portfoliounternehmen schaffen wir Arbeitsplätze für Berlin und ein großartiges Angebot an vielfältigen Firmen mit Sitz in der Hauptstadt. Nach unserem anfänglichen Fokus auf Technologie haben wir 2008 einen Wagniskapitalfonds für die Kreativbranche ins Leben gerufen. Der Senat und die IBB hatten den Wunsch, die Kreativwirtschaft stärker zu unterstützen; es wurden verschiedene Fördermaßnahmen für Kreativunternehmen geschaffen. Wir ergänzten dieses Angebot mit dem ersten öffentlichen Venture Capital-Fonds für diese Branche. Im Herbst dieses Jahres starten wir mit einem weiteren Angebot. Gemeinsam mit der IBB und dem Land bringen wir den ersten öffentlichen Impact-Fonds an den Start.
VC Magazin: Was hoffen Sie für die IBB Ventures in den nächsten 25 Jahren?
Zeller: Aus meiner Sicht sind die Netzwerke eine Kern- und Daueraufgabe, und hier am Ball zu bleiben, halte ich für sehr wichtig. Auch hoffe ich, dass wir mit dem gesamten Team einen frischen Blick auf die relevanten Themen behalten sowie wach und neugierig bleiben. Wenn man Wandel als etwas Positives begreift und als Wert erkennt, wird die Reise auch noch 25 Jahre weitergehen.
Bendisch: Berlin ist ein Wissenschaftsstandort mit großen Institutionen und Universitäten. Hier werden neue Innovationen entstehen, wovon wir bisher nur träumen können. Quantencomputing ist ein Beispiel. Diese neuen Ideen gilt es dann auch zu kommerzialisieren – und dafür braucht es Venture Capital. Damit bleibt unsere Aufgabe weiterhin einer der spannendsten Berufe, die man ausüben kann.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über die Interviewpartner:
Marco Zeller ist Geschäftsführer bei IBB Ventures, Berlin. Zuvor war er bei der Investitionsbank Berlin unter anderem für die Wirtschaftsförderung verantwortlich.
Roger Bendisch ist seit 1997 Geschäftsführer bei IBB Ventures. Zuvor leitete er die Geschäfte bei Berlin Seed Capital Fund.