Bildnachweis: © Bryan, Garnier & Co.
Die Investmentbank Bryan, Garnier & Co begleitete unter anderem BioNTech beim IPO in den USA und brachte Ende Mai Lhyfe an die Euronext. Im Interview teilt Falk Müller-Veerse, Partner am Standort München, seine Perspektive auf die Marktlage.
VC Magazin: Herr Müller-Veerse, die Aktienmärkte sind eingebrochen, die globale Sicherheitslage ist fragil, die Inflation steigt. Welche Auswirkungen hat das auf den Private Equity- und Venture Capital-Markt?
Müller-Veerse: Börsennotierte Firmen sind heute auf einem Bewertungsniveau wie vor etwa fünf Jahren. Verglichen damit liegen privat gehaltene Companies teils noch mit 40% im Plus, so zum Beispiel im SaaS-Bereich. Im Private Equity- und Venture Capital-Markt ist zwar noch viel Geld, doch wir werden auch hier Korrekturen sehen. Gute Deals sind unverändert möglich, aber Verkäufer müssen mitunter Abschläge hinnehmen. Allein in diesem Jahr haben wir bislang über 30 Transaktionen begleitet. Auch US-amerikanische Fonds, die sich Anfang des Jahres zurückgezogen hatten, sind wieder zurück in Europa, wenn sicherlich auch selektiver. Das Vertrauen in den europäischen Markt ist da.
VC Magazin: Welche Exit-Varianten sind aktuell durchführbar?
Müller-Veerse: Auf der Käuferseite sind aktuell in erster Linie Corporates mit strategischen Interessen und Private Equity-Unternehmen aktiv. Besonders gefragt sind Unternehmen mit unternehmerischer Substanz und Top-Technologie.
VC Magazin: Viele für 2022 geplante Börsengänge wurden verschoben. Worauf müssen wir uns am IPO-Markt einstellen?
Müller-Veerse: Momentan sind IPOs schwierig. Bei einigen geplanten großen Börsengängen wird es sicherlich spannend, ob diese umgesetzt werden können. Da viele Investoren jetzt an der Börse Geld verloren haben, ist es nur schwer möglich, Kapital für Börsendebuts zu mobilisieren. SPACs sind nahezu tot, nachdem prominente Projekte in den USA eingebrochen sind.
VC Magazin: Kürzlich haben Sie den Verkauf von dp polar an 3D Systems begleitet. Was waren der Hintergrund und die Treiber für diese Transaktion?
Müller-Veerse: Hans Mathea hatte bereits ein 2D-Druck-Unternehmen aufgebaut und an Heidelberg Druck veräußert, bevor er 2014 dp solar gründete. Er entwickelte den ersten industriellen 3D-Drucker mit rotierender Druckplatte und bereitete damit den Weg für den 3D-Druck in die industrielle Serienproduktion. Zunächst war eine Finanzierungsrunde geplant. Dabei kam 3D Systems als möglicher strategischer Investor ins Spiel. Mit Altana, die unter anderem Hochleistungswerkstoffe für den 3D-Druck herstellen, hatte dp solar bereits einen Strategen als Investor an Bord, um Kompetenz im Markt für 3D-Druck aufzubauen. 3D Systems wiederum ist ein führender Player in dem Markt für Additive Manufacturing und hat die gesamte Organisation für Sales und Marketing bereits aufgebaut, die dp polar noch weitestgehend entwickeln müsste. So entstand der Case für den Verkauf. Additive Manufacturing ist aktuell ein sehr gefragtes Thema. Im vergangenen Jahr hatten wir im Bereich 3D Druck insgesamt 14, in diesem Jahr aber bereits 18 Transaktionen.
VC Magazin: Sie überblicken vielerlei Branchen. Welche haben es aktuell schwerer, welche können derzeit zulegen?
Müller-Veerse: Bei den Fintechunternehmen und auch im Kryptobereich ist der Hype erst einmal vorbei. Auch die Fast Commerce-Modelle und allgemein alle Unternehmen, die in erster Linie auf Wachstum ohne profitable Unit Economics setzen, werden momentan abgestraft. Finanziert werden die Themen, die eine intrinsische Profitabilität mitbringen. Wir haben derzeit eine Generation von Gründerteams, die bislang in kurzer Zeit viel Geld einwerben konnten. Bei vielen dürfte das künftig deutlich schwerer werden.
VC Magazin: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung des Private Equity- und Venture Capital-Markts in der DACH-Region ein?
Müller-Veerse: In der kommenden Zeit dürften Recurring Revenue-Modelle wie SaaS weiterhin stark gefragt sein. Ein weiteres Thema ist die Cloud Penetration, bei der Deutschland noch hinterherhinkt. Es wird Player geben, die diese Lücke bedienen. Allgemein hat Private Equity in der DACH-Region noch großes Potenzial, zum Beispiel auch im Rahmen von Nachfolgen. Hierzulande kommt es regelmäßig aber noch vor, dass Unternehmen ohne professionelle Begleitung und daher meist mit suboptimalem Ergebnis verkauft werden. In anderen Ländern wäre das undenkbar.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Falk Müller-Veerse ist Partner bei Bryan, Garnier & Co in München und leitet die Aktivitäten der Investmentbank im deutschsprachigen Markt. Dabei betreut er neben größeren Privatplatzierungen und M&A auch Kunden im Bereich Kapitalmarkt.