Relevante Aspekte beim Investment in Tech-Ventures

Software und Technology Due Diligence

Carl-Friedrich Heintz, digatus it consulting
Carl-Friedrich Heintz, digatus it consulting

Bildnachweis: © digatus it consulting.

Investments in software- oder technologiefokussierte Geschäftsmodelle erfreuen sich nicht erst seit Kurzem großer Beliebtheit. Zu attraktiv sind doch die Chancen und Möglichkeiten, mit Technologie und intelligenter Software oder Apps Herausforderungen zu adressieren und Lösungen am Markt zu platzieren. Erfolgreiche Beispiele aus dem europäischen Raum wie Celonis, N26, Revolut, Spotify, Personio und Ähnliche beweisen, dass es auch außerhalb des Silicon Valley in unseren Breitengraden durchaus möglich ist, erfolgreich im Tech-Space zu gründen. 

Beim Austausch mit entsprechenden Venture Capital- und Corporate Venture Capital-Gesellschaften im Markt zeigt sich eine große Bandbreite von Ansätzen und Vorgehensweisen, welche als Bewertungsgrundlage für derartige Investments zugrunde gelegt werden. Ergänzt um die Erfahrung aus der fachlichen Begleitung einer Vielzahl von Software-, Tech- oder auch klassischen Enterprise-IT-Deals in unterschiedlichen Größen- und Geschäftsfeldern aus Sicht der Beratung, ergibt sich dabei eine Liste von empfehlenswerten Analyseaspekten, welche im Folgenden betrachtet werden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gerade im Umfeld von Start-ups und deren jeweiliger Maturitätssituation gewisse Schwerpunkte unterschiedlich zu gewichten beziehungsweise zu fokussieren sind, übergeordnet allerdings alle Aspekte hilfreichen Input zur abschließenden Investmententscheidung beisteuern können.

Bereitstellung der Daten und erster Eindruck

Einstieg und erster Touchpoint in den Prozess ist häufig das initiale Review im (virtuellen) Datenraum, der durch das Target bereitgestellt wird. Hier zeigt sich bereits ein erster Eindruck, welchen Grad der Professionalisierung das Unternehmen erreicht hat und in welchem Umfang relevante Daten strukturiert zur Verfügung stehen. Bereits bei der Bereitstellung der Daten findet die Investorenseite hier die gesamte Bandbreite möglicher Lösungen zur Umsetzung vor, von der Nutzung einfacher Google- oder Dropbox File Shares bis hin zu professionellen Anbietern aus dem Enterprise-Umfeld. Punktuell werden auch bereits lesende Zugriffe auf Code Repositories ermöglicht. Mit Fokus auf die Technologie- und Softwarethemen sollte sich dem Investor hier ein erster Einblick ergeben, welche Tech-Stacks im Falle von Entwicklungsprojekten gewählt wurden, wie mit dem Aspekt der Intellectual Property Rights (IPR) an Sourcecode und schützenswerten Algorithmen umgegangen wird und wie dem häufig unterschätzten Risiko der Open Source-Softwarelizenzen aktiv (oder nicht) Rechnung getragen wird. Gerade die rechtlichen Aspekte rund um Software und Code werden erstaunlich oft noch (beidseitig) unterschätzt; glücklicherweise gibt es jedoch für die verschiedenen Stages – Small-, Mid- und Large Cap-Segmente – einige erfahrene und spezialisierte Anwaltskanzleien auf dem Markt, die dazu passende Beratung und gegebenenfalls Mitigationslösungen anbieten können.

Prüfung der Skalierbarkeit der Technologien

Versorgt mit einem Überblick der verwendeten Technologien sowie der ersten Business Case-Zahlen, empfiehlt sich anschließend, die angestrebten Ziele mit der gewählten Technologie und ihrer Leistungsfähigkeit zu verproben. Unterschiedliche Tech-Stacks haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, und nicht alles, was schnelle MVP-Lösungen ermöglicht, ist auch zum stabilen Skalieren geeignet, wobei genauso die Entscheidung für eine monolithische Architektur im Umfeld möglicherweise sich schnell verändernder Prozesse und mit einem jahrelangen Entwicklungsvorlauf einem schnellen Go-to-Market im Wege steht. Entsprechend ist es entscheidend, die Annahmen im Business Case auch mit den technischen Möglichkeiten abzugleichen, welche aufgrund der gewählten Plattform zur Verfügung stehen.

Analyse des Sourcecodes

Als Nächstes geht es ans „Eingemachte“ des Start-ups und das jeweilige Herzstück vieler SaaS- und App-Lösungen wird einer tiefer gehenden Analyse unterzogen – der Sourcecode. Bei der Vorgehensweise bieten sich dabei unterschiedliche Möglichkeiten an, vom direkten Zugriff auf ein öffentliches oder privates Software-Repository für das jeweilige Due Diligence-Team (remote) bis hin zu persönlich durchgeführten Peer Review-Sessions mit den Entwicklern des Teams. Umfang, Struktur, Dokumentationsqualität und möglicherweise vorhandene (interne) Guidelines für „Clean Code“ geben Indikationen zur jeweiligen Bewertung und Risikobetrachtung. Je nach Erfahrungsgrad des Entwicklerteams zeigen sich hier sehr unterschiedliche Bandbreiten und Qualitäten in den vorgefundenen Situationen, und auf der Investorenseite gilt es, entsprechende Erfahrung im Prozess einzusetzen, um Reifegrad, Situation sowie Investment Cases in Einklang zu bringen. Wer es ganz genau wissen möchte, ist gut damit beraten, an dieser Stelle neben der Erfahrung auch harte Fakten durch softwaregestützte Analysen zu schaffen, welche im Idealfall erweiterte Aspekte wie technische Schulden, Wartbarkeit, gegebenenfalls mögliche Sicherheitsrisiken und ähnliche Themenkomplexe identifizieren.

Evaluation des Teams und dessen Skills

Aus dem vorherigen Schritt übergeleitet, zeigen die Gespräche rund um Code und Architektur häufig auch schon ein erstes Bild, wie es um das Team und die Entwicklermotivationen steht. Gerade bei kleineren Start-ups sind die Aspekte der persönlichen Motivation, Bindung und Identifizierung mit und zum Unternehmen sowie die Art und Weise der Kommunikationskultur entscheidende Faktoren im Rahmen der Risikobewertung. Zum einen gilt es, herauszufinden, ob das Team in seiner aktuellen Zusammensetzung die angestrebten Skalierungsziele auch erreichen kann oder ob additive Hirings notwendig sind. Zum anderen ist gerade in Wachstumsphasen ein starkes Leadership notwendig, um die richtigen Weichen zu stellen. Ein in der Praxis leider häufiges Negativbeispiel ist, den besten Coder oder Entwickler zur Führungskraft gemacht zu haben, während dessen persönliche Skills viel eher im fachlichen Bereich statt dem Führen von anderen Teammitgliedern liegen. Hier ist entsprechende Moderation gemeinsam mit dem Leadership-Team des Start-ups notwendig, um erfolgreiche Lösungen für alle Beteiligten zu erzielen.

Erhebung und Auswertung der Prozesse

Der abschließende Fokus des Due Diligence-Teams sollte sich nach Betrachtung von Tech-Stack, Architektur, Code und Team den Prozessen zuwenden. Ein Gesichtspunkt sind dabei die Strukturen und Vorgehensweisen rund um den Entwicklungsprozess an sich – wie erfolgen Planung und Arbeitsverteilung, arbeitet das Team nach agilen oder Wasserfallmethoden, stellen Peer Reviews entsprechende Qualität sicher, welche Testverfahren sind etabliert (automatisch oder manuell), und erfolgt eine belastbare Dokumentation, um Kopfmonopole zu vermeiden? Nicht zu unterschätzen im Kontext insbesondere von SaaS-Lösungen sind darüber hinaus auch die Prozess- und Betriebskonzepte zur Bereitstellung der technischen Lösungen. Wie werden Sicherheitsthemen behandelt, erfolgt ein sicherheitsbewusster Umgang mit persönlichen Daten der Nutzer, sind adäquate Back-up-Mechanismen im Einsatz, und wie sieht es mit der Absicherung der Betriebsfähigkeit grundsätzlich aus? Seit 2018 können durch DSGVO/GDPR empfindliche Strafen für den Fall von Datenschutzverstößen innerhalb der EU verhängt werden, bei denen auch für Start-ups keine Ausnahme gemacht wird. Je nach Maturität des Start-ups sowie der Berufserfahrung des Gründerteams sind sehr unterschiedlich gut oder stark verbesserungswürdige Prozesse keine Seltenheit. Für Investoren gibt es jedoch die gute Nachricht: Erfahrungsgemäß kann ein Großteil der Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden – bei Umsetzung eines klaren Aktionsplans im Falle eines durchgeführten Investments und entsprechendem Commitment des Leadership-Teams.

Fazit

Investoren können neben den klassischen Checklisten der Commercial-, Financial- und Tax Due Diligence weitere wertvolle Einblicke in die jeweiligen Targets erlangen, mit dem Ziel, am Ende bessere Investmententscheidungen zu treffen und unangenehme (technologische) Überraschungen nach dem Closing des Deals zu vermeiden.

Über den Autor:
Carl-Friedrich Heintz ist Mitgründer und Partner der digatus it consulting und blickt auf 15 Jahre Erfahrung im IT-Umfeld mit Fokus auf M&A-IT sowie Industrie 4.0 und beim Scouting neuer Technologien und Geschäftsmodelle.