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Noch bis Anfang des Jahres standen die Zeichen für Finanzierungsrunden günstig, Due Diligence-Prozesse wurden oft nur oberflächlich geführt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Bedingt durch die Krisen und die Marktabkühlung ändert sich auch der Due Diligence-Prozess.
Nur neun Monate sind seit Anfang 2022 vergangen. In so kurzer Frist hat sich auch die Venture Capital-Welt deutlich verändert. Bis Anfang 2022 war das sie geprägt von einem Überhang an günstigem Kapital, das dringend Anlagemöglichkeiten suchte. Wagniskapital feierte 2021 einen neuen Rekord: Allein in Deutschland wurden fast 4 Mrd. EUR in Start-ups investiert. Dieses Kapitalvolumen kam vor allem durch die Notwendigkeit vieler professioneller Investoren zustande, immer früher in die Wertschöpfung einzusteigen, um attraktive Anlagemöglichkeiten zu finden, die die notwendige Verzinsung erreichen. Dabei wurden die adressierbaren Risiken im Laufe der Niedrigzinsphase und des damit steigenden Kapitals im Investmentuniversum stetig ausgeweitet, um ausreichend Anlagemöglichkeiten zu generieren. Nicht selten standen in den letzten Jahren die Bewertungen von Investmentopportunitäten in keinem guten Verhältnis zu den Chancen, von einer Bewertungsblase war die Rede. Anlageentscheidungen waren oft mehr von der sogenannten Fear of Missing out (FOMO) geprägt als von Rationalität. Nicht erstaunlich, dass in dieser Phase auch Due Diligence-Prozesse oft eher oberflächlich und schnell durchgeführt wurden.
Start-ups spüren negative Auswirkungen
Diese Marktphase hat durch die weltpolitischen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die Real- und Finanzwirtschaft ein Ende genommen. Laut dem Deutschen Startup Monitor 2022 erwarten fast 83% der Start-ups negative Auswirkungen auf ihren Geschäftsverlauf, fast die Hälfte befürchtet Finanzierungsengpässe als wesentliches Problem. Venture Capital-Investoren können dem abrupten Ende aber auch etwas Positives abgewinnen: Marktübertreibungen werden damit wieder zurückgenommen, es kann alles auf einem solideren Niveau aufgebaut werden. Für Start-ups bedeutet dies, dass es schwerer wird, Venture Capitalisten von sich zu überzeugen. Nicht selten kann dabei eine gute, zu Ende gedachte Vorbereitung auf einen Due Diligence-Prozess das Zünglein an der Waage sein. Wer bei dieser Pflichtübung einen unprofessionellen Eindruck macht, hat es schwer, an anderer Stelle wieder aufzuholen. Wer hingegen verstanden hat, was ein Wagniskapitalgeber im Bereich Due Diligence sehen will und welche Fragen beantwortet werden sollten und sich darauf vorbereitet, steigert seine Chance auf den begehrten Zuschlag.
Langfristige Vorbereitung
Nach der Due Diligence ist vor der Due Diligence – Start-ups können sich also gar nicht früh genug vorbereiten. Sie sollten sich daher angewöhnen, nicht kurz vor einer anstehenden Due Diligence einen Datenraum aufzubauen und mit viel Aufwand zu befüllen, sondern diesen dauerhaft nebenher mitzupflegen. Wann immer neue Dokumente vorliegen, sollte der zuständige Founder den Kurzcheck vornehmen: Sind sie relevant für die Due Diligence? Wenn ja, sind sie sofort an der richtigen Stelle im Datenraum abzulegen. Dies erspart erhebliches Kopfzerbrechen zu späterer Zeit. Zudem sollte bereits eine Datenraumstruktur angelegt werden, die sich an den Due Diligence-Disziplinen Legal, Commercial, Finance und Steuern orientiert.
Dokumentation
Start-ups stehen vor der Herausforderung, dass viele ihrer Ideen und des bisher Überlegten schwer durch Dritte in Gänze nachvollziehbar sind – auch wenn die Qualität heutiger Pitchdecks generell sehr hoch ist. Vieles muss jedoch im direkten Austausch mit dem Investor per Frage und Antwort geklärt werden. Für Investoren ist insbesondere auch spannend, wie sich ein Unternehmen entwickelt hat, welche Pivots durch äußere oder innere Umstände bereits bewerkstelligt wurden, wie man im Team zu Anpassungen der Strategie gekommen ist. Daher kann es ratsam sein, schon frühzeitig Dokumente zu etablieren, die die Start-up Idee, deren Entstehung und deren fortlaufende Weiterentwicklung dokumentieren. Dies kann beispielsweise durch die Schaffung von kurzen Zusammenfassungen wesentlicher Meetings, die im Datenraum abgelegt werden, auf einfache und effiziente Art und Weise geschehen und dadurch eine Due Diligence-Unterlage werden, die für Investoren die Genese des Unternehmens authentisch nachvollziehbar machen.
Forward Looking Due Diligence
Nicht zuletzt – insbesondere in den kommenden Monaten – ist die Vorbereitung auf eine Forward Looking Due Diligence ein entscheidender Faktor, wie Founder nicht nur ihre Geschäftsidee, sondern auch die Managementkompetenz zeigen können. Gerade in der herausfordernden Zeit, die eine zu befürchtende wirtschaftliche Talfahrt mit sich bringt, sind vorausschauendes Planen und die Vorbereitung auf alle Eventualitäten wichtige Due Diligence-Punkte. Founder müssen sich auf die Frage einstellen, was mit dem Start-up passiert, wenn der Zufluss weiteren Kapitals nicht wie geplant funktionieren sollte, wie der Plan B lautet, wenn Kundengruppe A nicht mehr da ist, wie Lieferengpässe bei Komponente C vermieden werden et cetera. Nur wer zeigt, durch unternehmerische Weitsicht viele potenzielle Themen berücksichtigt zu haben und einen Plan B in der Schublade hat, wird auch in schwierigen Zeiten ausreichend Kapital akquirieren können.
Fazit
Alle Kapitalsuchenden, aber auch alle Investoren müssen sich gerade auf neue Marktbedingungen einstellen. Das Fundraising wird für Start-ups eine größere Herausforderung in der kommenden Zeit. Viel Kapital ist bereits in Fonds geflossen und muss noch allokiert werden – aber die Auswahlprozesse werden härter. In diesem Umfeld können Founder nicht mehr darauf vertrauen, eine Kapitalrunde nach der anderen raisen zu können – noch dezidiertere Vorbereitungen und Professionalität sind gefragt. Durch eine strukturierte Vorbereitung auf Due Diligences kann die Chance auf erfolgreiche Investorenakquise maßgeblich erhöht und zugleich die Effizienz der Kapitalrunden gesteigert werden.
Über den Autor:
Dr. Gerhard Schwartz ist Partner bei LPA-GGV. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit war er Managing Partner einer Venture Capital-Gesellschaft. Er berät Investoren vor allem im Bereich Climate Change und Erneuerbare Energien.