Es weihnachtet beim VC Magazin! Im Adventsgespräch liefert Nicolas Gabrysch, Partner bei Osborne Clarke einen Rückblick auf 2022 und wirft einen Blick auf das kommende Jahr. Vielen Dank für den Support im Jahr 2022!
VC Magazin: Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende – wie fällt Ihr Fazit mit Blick auf den Venture Capital-Markt aus?
Gabrysch: Das Jahr 2022 war sicherlich im Venture Capital Markt turbulent. Geprägt von relativ viel Unsicherheit, wie es denn zukünftig weitergehen wird. Nach unserer Wahrnehmung war das Transaktionsvolumen jedoch nach wie vor sehr hoch, wobei sich der Fokus bei Investoren eher auf frühere Phasen zu verlagern schien. Startups oder eher Grown-Ups, die schon in sehr hohen Bewertungssphären unterwegs sind, waren insgesamt etwas ruhiger. Die Zahlen, die man hört, sind sicherlich schwer verdaubar, wie zum Beispiel der Rückgang von Neugründungen um 30 %. Allerdings machen die Meldungen zu neuen VC-Fonds Hoffnung und sollten alle Gründer ermutigen, zu gründen!
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie für das kommende Jahr? Welche Erwartungen haben Sie für das kommende Jahr mit Blick auf das Preisniveau?
Gabrysch: Für das kommende Jahr erwarte ich ein ähnliches Bild wie jetzt im zweiten Halbjahr 2022. Die VC Investoren investieren in aller Regel Eigenkapital, so dass die Mittel der geschlossenen Fonds abrufbar und vorhanden sein sollten. Diese Mittel müssen in den jeweiligen Investitionszeiträumen, die typischerweise bei 5-7 Jahren liegen, ausgegeben werden. Gerade die Anzahl der in den letzten Monaten geschlossenen Fonds stimmt uns hier sehr positiv, dass auch das Transaktionsvolumen und somit die Möglichkeiten der Finanzierung für Startups auf recht hohem Niveau verbleiben werden. Es ist zu erwarten, dass sich Bewertungen etwas nach unten entwickeln. Sicherlich ist das an der einer anderen Stelle auch nicht verkehrt, wenn sich das Bewertungsniveau wieder auf ein normaleres Maß konsolidiert. Und es ist zu erwarten, dass es vielleicht die ein oder andere Idee, die nicht zwingend ein Problem am Markt löst, sich nicht verwirklichen wird. Meine Erwartung ist jedoch, dass gute Startups und gute Teams nach wie vor sehr gute Möglichkeiten vorfinden werden, eine Finanzierung zu sichern.
VC Magazin: In einzelnen Branchen geht es turbulent zu. Die Energiekrise treibt den Fokus auf dieses Segment, gleichzeitig bricht der Fintech-Markt ein, nach der Pandemie-Hochphase rückt Life Science wieder mehr in den Hintergrund. Welche Branchen werden Ihrer Meinung nach im nächsten Jahr neue Trends setzen? Wer wird es schwer haben?
Gabrysch: Zunächst teile ich nicht unbedingt den Eindruck, dass der Fintech Markt komplett einbricht. Auch nicht, dass Lifescience in den Hintergrund tritt. Gerade hier sehen wir zuletzt sehr viel Aktivität z. B. im Bereich Longeavity. Und auch im FinTech-Umfeld sehen wir noch eine ganze Reihe aussichtsreiche und spannende Startups. Die Energiekrise wird es mit sich bringen, dass sich im Bereich von Cleantech und Renewables noch einiges tun wird. Hier gibt es Bedarf, Probleme zu lösen. Das werden Startups und Unternehmer für sich nutzen.
VC Magazin: Noch ein Blick aufs neue Jahr hinsichtlich Regulatoriken: Was kann die Branche hier neues erwarten?
Gabrysch: Der Blick auf das Regulatorische ist bedauerlicherweise bei uns immer sehr schwer. Tendenziell sind wir – und in Teilen ist das sicherlich auch gut und richtig – auf einem sehr hohen Niveau der Regulierung vieler Themen. Es wird sich aber nicht vermeiden lassen, dass es an der ein oder anderen Stelle auch mal schneller gehen muss oder regulatorische Hürden gesenkt oder ganz abgeschafft werden müssen. Gerade in den mit der Energiekrise zusammenhängenden Themen hoffen wir natürlich sehr, dass hier Flexibilität an den Tag gelegt.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Nicolas Gabrysch leitet das deutsche Venture Capital Team bei Osborne Clarke. Er berät Venture Capital Fonds und Unternehmen aus dem Bereich Digitaler Geschäftsmodelle in Europa und den USA umfassend zu Finanzierung und M&A. Er ist spezialisiert auf grenzüberschreitende Wachstumsfinanzierung (Venture / Growth Capital), insbesondere aus den USA.