Bildnachweis: ECBF.
Der ECBF-Fonds wurde initiiert, um eine langfristig nachhaltige Wirtschaft aufzubauen und den Übergang von einer auf fossilen Rohstoffen basierenden zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Ein Thema, das seit Februar nochmal signifikant an Bedeutung zugenommen hat. Anfang des Jahres wurde der Fonds mit einem Volumen von 300 Mio. EUR geschlossen.
VC Magazin: Welche besonderen Chancen sehen Sie für Start-ups und Investoren im Segment des nachhaltigen Wirtschaftens?
Seeliger: Junge, neue Unternehmen haben in der Vergangenheit disruptive Innovationen hervorgebracht. Start-ups spielen daher auch bei der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Wir als Investor sehen uns in der Rolle des Katalysators, der diesen Wandel unterstützt, vorantreibt und damit ermöglicht.
VC Magazin: Corona, Krieg in der Ukraine, Lieferengpässe und Inflation. Was waren für Sie persönlich die signifikantesten Einschnitte seit Beginn der Krise?
Seeliger: Das Wirtschaftsmodell, das immer mehr auf eine globalisierte Weltwirtschaft gesetzt hat, ist ins Stocken geraten. Geschäftsmodelle stehen aus unterschiedlichen Gründen unter Druck. Lieferketten brechen und führen z.B. zu Knappheit von Computer-Chips. Entwickler aus der Ukraine und Russland können nicht mehr zusammenarbeiten. Der wesentlichste Einschnitt basiert jedoch auf der entstandenen Zurückhaltung am privaten Kapitalmarkt. Innerhalb nur weniger Monate ist die extreme Euphorie-Stimmung der letzten Jahre verflogen, Kapital wird von den Fonds für eigene Portfoliounternehmen zurückgehalten und nicht mehr in neue Unternehmen investiert. Wo in den vergangenen Jahren Hyper-Growth Unternehmen die besten Chancen hatten, attraktive Finanzierungsrunden zu erhalten, scheinen jetzt profitable und finanziell solider aufgestellte Unternehmen deutlich höher im Kurs zu stehen.
VC Magazin: Wie geht es Ihren Portfolio-Unternehmen, bzw. Ihrem geschäftlichen Umfeld, wo drückt der Schuh derzeit am meisten?
Seeliger: Wie viele Unternehmen stehen auch einige unsere Portfolio-Unternehmen vor nicht erwarteten Herausforderung, was uns bis heute jedoch noch nicht beunruhigt. Wir werden weiterhin an ihrer Seite stehen und sie bestmöglich unterstützen. Wir sind zuversichtlich, dass die Geschäftsmodelle und Teams gut aufgestellt sind um das rauh gewordene Wetter ohne größere Schäden zu durchqueren. Das ist der Vorteil von Unternehmen, die auf Innovationen aufgebaut sind, die für unsere Zukunft bedeutend sind.
VC Magazin: In welchem Maße haben die gestiegenen ESG-Anforderungen die Transaktionen verändert?
Seeliger: Als Impact-Investor haben wir ein verstärktes Interesse an Unternehmen mit Innovationen, die signifikant und nachhaltig zum Wandel von einer fossilbasierten zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft beitragen. Dazu prüfen wir von Beginn an sehr kritisch, ob die potenziellen Investments das Potenzial mitbringen unsere hohen ESG-Anforderungen zu erfüllen. Aber auch nach der Finanzierung verschaffen wir uns, mit Hilfe regelmäßiger Reportings, einen Überblick über die Einhaltung der KPIs. Derzeit gibt es teilweise noch Unklarheiten wie man die ESG-Kriterien am besten standardisiert bewertet, was es den Unternehmen und Investoren derzeit noch schwierig macht. Hier steht die Branche in den nächsten Jahren noch vor etwas Arbeit. Es ist jedoch klar – ESG ist kein vorübergehender Trend, sondern eine neue, zusätzliche Art der Firmenbewertung. Nicht nur für Impact-Investoren wie dem ECBF, auch Unternehmen wie BlackRock, die Deutsche Bank bis hin zu Energiekonzernen wie Shell werden sich in Zukunft mit ESG-Kriterien beschäftigen müssen.
VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Jahr 2022 zurück, mit welchen ins neue Jahr 2023?
Seeliger: 2022 war ein sehr turbulentes Jahr. Leider müssen wir davon ausgehen, dass uns viele Krisen aus diesem Jahr, auch in das kommende Jahr 2023 begleiten werden. Besonders die Energiekrise ist noch nicht gelöst und wird uns im nächsten Winter vermutlich noch härter treffen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich die Märkte im neuen Jahr ein wenig beruhigen werden und private Investoren weniger zögerlich investieren werden. Auch die Entwicklung und Bedeutung der ESG-Anforderungen auf neue Investments ist positiv zu sehen. Wir sind davon überzeugt, dass nachhaltiges und profitables Wachstum nur unter Berücksichtigung sozialer, ökonomischer als auch ökologischer Belange funktionieren kann und dies für alle Startups und Investoren von Relevanz sein sollte.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Julia Seeliger ist seit September 2022 Analystin beim European Circular Bioeconomy Fund (ECBF). Zuvor war sie als Junior Analystin beim DeepTech & Climate Fonds und davor beim High-Tech Gründerfonds tätig. Sie hat einen M.Sc. in Betriebswirtschaftslehre / Finanzen von der Universität zu Köln.