Bildnachweis: HIC.
Die sozialen Bereiche sind mit immer größeren Herausforderungen konfrontiert. Das zeigen nicht nur der aktuelle Pflegenotstand, eine steigende Altersarmut oder die fehlende Chancengerechtigkeit im Bildungssektor. Besonders in der Corona-Krise, aber auch angesichts steigender Inflation oder explodierender Energiepreise werden die gesellschaftlichen Belastungen deutlich. Start-ups können mit innovativen Lösungen helfen.
Doch was die Techgründungen anbelangt, ist der Social Impact-Sektor bislang eher eine Nische. „Das Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagt Dr. Peter Wolff, Gründer und Managing Partner von EnjoyVenture. In den vergangenen 20 Jahren hat er in über 200 Start-ups investiert und selbst fünf Unternehmen gegründet. Um künftig mehr Gründerteams im Sozialbereich mit dem notwendigen Kapital zu unterstützen, haben Wolff und sein Team zusammen mit Redstone und der Bank für Sozialwirtschaft den Human Impact Capital (HIC) ins Leben gerufen. Der mit 50 Mio. EUR ausgestattete Frühphasenfonds soll in digitale Geschäftsmodelle investieren, die den größten gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv begegnen. Der Fokus liegt auf den Bereichen Gesundheit, Bildung und Wohnen, also menschennahen Investmentfeldern.
Soziale Wirkung nach SFDR verankert
Die ersten Gespräche und Ideen für den Fonds reichen bereits mehr als zwei Jahre zurück. Seitdem wurde das Konzept auch im Licht der Corona-Krise weiterentwickelt. „Als unser Ankerinvestor war die Bank für Sozialwirtschaft eng in die Konzeption des Fonds mit eingebunden“, so Wolff. Ziel des HIC ist, in die besten digitalen Social Impact-Start-ups zu investieren. Die soziale Wirkung der Geschäftsmodelle ist immer eine Voraussetzung für eine Beteiligung. Um den angestrebten Impact sicherzustellen und gegenüber den Stakeholdern transparent darzulegen, berichtet der HIC nach Artikel neun der europäischen Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Dieser Richtlinie folgende Fonds müssen im Investmentprozess ein ausweisbares, nicht-finanzielles Nachhaltigkeitsziel erfüllen und können so insbesondere nachhaltig orientierte Anleger ansprechen. „Als einer der ersten Fonds in Europa berichtet der HIC nach Artikel neun SFDR, der sich auf soziale und nachhaltige Investitionen bezieht. Entsprechend tragen wir dafür Sorge, dass 100% der Investitionen als nachhaltig eingestuft sind“, so Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie sowie Bundesjustizministerin a.D. Als aktive Business Angel-Investorin und Schirmherrin des Start-up-Unternehmerinnen-Netzwerks setzt Zypries sich bereits seit Langem für Gründerteams ein. Den HIC unterstützt sie als Mitglied des Beirats.
Individuelle Impact-KPIs
„Die Berichtspflichten umfassen insbesondere Themen der Wirkungsmessung und der ESG-Einbettung in den Investmentprozess“, so Wolff. Unter den wenigen Venture Capital-Fonds, die bislang nach SFDR berichten, ist der HIC derzeit der einzige, der sich ausschließlich sozialen Themen widmet. Um den Impact-Erfolg zu messen, werden gemeinsam mit den jeweiligen Start-ups individuelle Key Performance Indicators (KPIs) festgelegt, welche eng mit dem Geschäftsmodell verwoben sind. In der weiteren Entwicklung des Unternehmens werden sie gemessen und dokumentiert. „Diese KPIs sind beispielsweise die Anzahl der Menschen, die im Health-Bereich erreicht wurden, und der damit verbundene positive Effekt, etwa der früheren Erkennung einer Krankheit und entsprechend höheren Heilungschancen“, so Wolff. Zusätzlich zur sozialen Wirkung werden mithilfe eines Fragebogens auch ESG-Kriterien gemessen. Dabei liege auch der Fokus auf operativen Prozessen und start-up-internen Themen, wie etwa Diversity oder faire Löhne, erklärt Wolff.
Fonds und Investoren betreten Neuland
Mit dem sozialen Fokus betritt der HIC in weiten Teilen Neuland, auch bei den Kapitalgebern. „Um innovative Lösungen zu fördern, bringt der HIC-Fonds die Expertise aus der Sozialwirtschaft mit Investoren zusammen, die tief im sozialen Bereich verankert sind“, so Zypries. Zu den Geldgebern zählen unter anderem die DKM, eine Bank mit kirchlichem Hintergrund aus Münster, sowie weitere renommierte Hilfsorganisationen. „Viele unserer LPs tätigen erstmalig Venture-Investments“, sagt Wolff, „insofern mussten wir eine Menge Überzeugung leisten.“ Doch diese Arbeit hat das Team des HIC bewusst in Kauf genommen: „Unsere Investoren sind ein wichtiges Bindeglied in die Sozialwirtschaft hinein – und damit ein Schlüssel zum Erfolg des Fonds“, sagt Wolff. Das Management des HIC übernehmen EnjoyVenture und Redstone als Co-GPs. EnjoyVenture bringt unter anderem mehr als 20 Jahre Erfahrung als Initiator und Manager mehrerer Seed-Fonds sowie aus Beratungsmandaten in der Sozialwirtschaft an den Tisch. Redstone wiederum ist Europas führender Multi-Venture Capital-Fondsmanager mit derzeit über zehn aktiven Vehikeln, mehr als 300 durchgeführten Deals und Standorten in Berlin, Zürich, Helsinki und Paris. Zudem ist Redstone ein ausgewiesener Spezialist für Corporate Venture Capital-Strategien. Das Managementteam ist mit Mitarbeitenden aus beiden Gesellschaften besetzt. „Dieser innovative Ansatz bietet erhebliche Chancen, weil sich durch die komplementäre Branchen- und Investmenterfahrung und geteilte Ressourcen Synergien heben lassen“, sagt Fondsmanager Lucas Paul. „Da sämtliche Support-Funktionen wie Controlling, Tech, Marketing zentral abgedeckt werden, kann sich unser Team voll auf den Investmentprozess fokussieren.“
Erfolgreiches First Closing und erste Investments
„Für Venture-Investoren, aber auch die Sozialwirtschaft selbst ist das Marktumfeld attraktiv, das Timing ist optimal“, so Wolff. Im Vergleich mit anderen Märkten stecke die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft häufig noch in den Kinderschuhen, doch die Affinität zu digitalen Lösungen und auch robuste Use Cases nähmen zu. „Aber auch die Reife der Start-ups in unseren Investmentsegmenten steigt und die Finanzierungsaussichten für diese Teams sind gut“, so Wolff. LPs erhalten mit dem HIC auf Wunsch Zugang zum Dealflow und können auch strategisch co-investieren. Nach dem erfolgreichen First Closing Anfang Oktober wollen Wolff und sein Team noch bis Ende des Jahres zwei bis drei erste Investments tätigen. Mögliche Kandidaten kommen unter anderem aus dem Pflege- und Bildungssektor. Bis zum Final Closing sollen als Investoren weitere Unternehmen aus der Sozialwirtschaft, innovativ ausgerichtete strategische Investoren sowie Family Offices mit Impact-Fokus dazustoßen.