Bildnachweis: Weitnauer Rechtsanwälte, Digatus IT, Hannover Finanz, Netfiles.
Wenn im Rahmen einer Transaktion Verkäufer und Interessenten vertrauliche
Informationen austauschen, geschieht das fast immer über einen Datenraum. In diesem geschützten Bereich stellt der Verkäufer alle für die Due Diligence benötigten
Unterlagen bereit. Auch in anderen Kontexten, etwa wenn in Großprojekten unterschiedliche Parteien miteinander kommunizieren, kommen sie zum Einsatz. Heute werden Datenräume fast ausschließlich virtuell eingerichtet, und sie erhalten immer mehr Funktionen.
„Datenräume sind für Private Equity- und Venture Capital-Deals unabdingbar“, so Carl Friedrich Heintz, Geschäftsführer bei digatus it aus München, einer auf M&A-Transaktionen spezialisierten Technologieberatung. „Je nach Struktur des Prozesses dienen sie nicht nur zum Informationsaustausch, sondern bilden auch die juristisch bindende Grundlage für die Transaktion.“ Umfassende Erfahrung mit Datenräumen hat auch Hannover Finanz. Das 1979 gegründete Private Equity-Haus zählte zu den ersten Wagniskapitalgebern im deutschsprachigen Raum. Das Portfolio umfasst heute 40 Unternehmen, das verwaltete Kapital beträgt über 700 Mio. EUR. Abhängig von der Größe der Deals und den beteiligten Parteien kommen unterschiedliche Datenraumlösungen zum Einsatz. „Unternehmenstransaktionen werden fast immer mit professionellen Anbietern durchgeführt“, erklärt Geschäftsführer Robert Pauli. Für den alltäglichen Austausch zwischen Investoren und Portfoliounternehmen genügen mitunter einfachere Lösungen, zum Beispiel basierend auf Sharepoint. „Doch wenn es um Themen wie Rechtevergabe an Dritte oder das Verfolgen von Zugriffen geht, kommen spezialisierte Anbieter ins Spiel“, sagt Investment Associate Janik Möhlmann. Investmentbanken nutzen für strukturierte M&A-Prozesse typischerweise einen etablierten Pool großer Anbieter wie den Marktführer Datasite. Sie bieten umfangreiche Leistungen wie maximale Verfügbarkeit, weltweiten Kundensupport rund um die Uhr, Unterstützung für unterschiedliche Jurisdiktionen, multilinguale Textsuche und moderne KI-Tools für die Datensuche und -aufbereitung. Die Kosten können bei großen Deals schnell im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen. „Bei kleineren Transaktionen ist die Varianz der Provider deutlich größer“, weiß Möhlmann. Auch diese bieten immer mehr Funktionalitäten. „Ein Q&A-Tool, um Fragen direkt im Datenraum zu adressieren, ist mittlerweile üblich“, so Möhlmann. Wichtig sind ihm zudem individuelle Rechtevergaben je Dokument, Drag and Drop-Funktion sowie ein Fotografierschutz. „Zudem sollte die Möglichkeit bestehen, nach Abschluss der Transaktion eine Sicherheitskopie des finalen Datenstands bereitzustellen.“ Diese wird dann eine Anlage im Unternehmenskaufvertrag.
Breites Spektrum an Datenraumlösungen
Die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Weitnauer ist auf Unternehmensbeteiligungen im Technologiebereich spezialisiert. „Wir nutzen Datenräume vor allem bei der Due Diligence im Rahmen von Finanzierungsrunden, Unternehmensverkäufen, aber auch zum Austausch von größeren Dateien mit Mandanten“, erzählt Partner Benedikt Mahr. Bei Start-ups sieht er mitunter noch Lösungen, die etwa auf Freeware wie Google oder Anbietern wie Dropbox basieren, „doch deren IT-Sicherheit ist mangelhaft und nicht mit dem Mandatsgeheimnis und datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinbar“. Heute gebe es auch in Deutschland Unternehmen, die sehr gute Datenräume anbieten, mit den Marktführern konkurrieren können und für Start-ups erschwinglich seien. „Ein Beispiel ist das Münchner Start-up idgard, mit dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben“, so Mahr. Er legt Wert auf flexible Rechtevergaben und Sandbox-Varianten, um Abläufe durchzuspielen. Auch die Erreichbarkeit des Anbieters, schnelles Troubleshooting und die Möglichkeit, den Datenraum in weiten Teilen selbst zu administrieren, sind wichtige Kriterien. Manche Kanzleien entwickelten eigene Lösungen, doch auf diesem Wege eine Funktionalität und Sicherheit zu erreichen, die großen Transaktionen genügt, sei deutlich teurer, als auf spezialisierte Anbieter zurückzugreifen.
Risiken durch Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage steigen
Die netfiles GmbH aus Burghausen stellt Datenräume für Unternehmenstransaktionen, standort- und unternehmensübergreifenden Datenaustausch und Lösungen für die Zusammenarbeit von Gremien wie Aufsichtsräten und Vorständen bereit. „Im Bereich der Due Diligence ist der Umfang der nachgefragten, zu sichtenden und zu prüfenden Daten in den letzten Jahren deutlich gestiegen, ebenso wie die Anforderungen an die Datensicherheit“, berichtet Geschäftsführer Thomas Krempl. Der Prozess sei für alle Beteiligten aufwendiger geworden, und auch Risiken steigen. „Eine Datenpanne kann eine geplante Transaktion leicht zunichtemachen oder ihren Wert um Millionen verringern“, so Krempl. Um das zu verhindern, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein: „Das beginnt bei einem Disclaimer, geht über die Verschlüsselung aller Dokumente, den Schutz besonders sensibler Dokumente mit Wasserzeichen, ein Protokoll der Aktivitäten im Datenraum bis hin zur revisionssicheren Archivkopie auf einem Datenträger“, erläutert Krempl. Zudem wird immer öfter angefordert, einen deutschen oder europäischen Anbieter mit entsprechenden Serverstandorten zu nutzen, um DSGVO-konformen Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten. Dass aus Zeitgründen oder Bequemlichkeit mitunter hochsensible und vertrauliche Daten unverschlüsselt per E-Mail versandt werden, ist für Krempl ein absolutes No-Go. „Die Gefahr von Wirtschaftsspionage und Cyberkriminalität ist real, seit etlichen Jahren nehmen Hackerangriffe signifikant zu.“ Dabei seien nicht nur international agierende Großunternehmen, sondern auch zunehmend der Mittelstand und kleinere Unternehmen im Visier der Angreifer. Neben Erpressungen mittels Ransomware bestehe immer mehr die Gefahr von Wirtschaftsspionage, so Krempl.
Von der Ablage zum intelligenten Analytics-Tool
Möhlmann stellt fest, dass immer mehr Schritte des M&A-Prozesses in den Datenraum verlagert werden: „Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, traditionelle Meetings wie Managementpräsentationen oder virtuelle Vor-Ort-Besuche über den Datenraumanbieter abzuhalten und direkt zu verbreiten“ – und dieser Trend werde sich fortsetzen. Eine ähnliche Entwicklung beobachtet Heintz: „Datenräume entwickeln sich von klassischen Dokumentablagen hin zu intelligenten Lösungen rund um Data Analytics, Content Protection und ähnlichen Mehrwerten“, zum Beispiel durch Lösungen zur Auswertung von Vertragsunterlagen mit OCR-Texterkennung, KI-gestützter Anonymisierung und erweitertem Tracking von Nutzerverhalten. Hierbei seien die rechtlichen Anforderungen nicht zu unterschätzen. „Unternehmen müssen darauf achten, dass für die jeweiligen Daten eine entsprechende Freigabeklassifizierung vorliegt“, sagt Heintz, etwa bei Mitarbeiterlisten mit Adressen und persönlichen Merkmalen oder bei Kundeninformationen. „Bei der Analyse fällt für die beteiligten Parteien und ihre Berater typischerweise noch der größte Aufwand an, darum rechne ich besonders in diesem Bereich mit weiteren Innovationen.“ Bei vielen gleichartigen Verträgen, wie Kundenverträgen, sieht Mahr großes Potenzial im Bereich Legal Tech und KI. „Ebenso wäre es hilfreich, die in Dokumenten vorhandenen Metadaten über eine im Datenraum vorhandene Software auslesen zu können, um sie schnell nach dem Erstellungsdatum ordnen und deren Ursprung, Bearbeiter und Änderungen nachverfolgen zu können“, so der Anwalt.
Saubere Datenstruktur hilft allen Beteiligten
Bei einer Due Diligence sollten sich alle Beteiligten ganz auf den Deal konzentrieren können, befindet Krempl; je einfacher und intuitiver ein Datenraum für die Verkäufer- und Käuferseite zu bedienen sei, desto besser. „Man sollte sich schnell einen Überblick über die verschiedenen Themenschwerpunkte verschaffen können“, sagt Pauli. Dabei geht es nicht nur um Technologie. „Für das Nutzererlebnis ist auch die Datenstruktur entscheidend“, erklärt Mahr. Mitunter müssten Anwälte vor der eigentlichen Arbeit völlig unstrukturierte Ordner aufräumen, Dokumente sortieren und ergänzen: „Wenn Unterlagen nicht zu finden sind oder ganz fehlen, sind das immer große Minuspunkte.“ Manche Datenraumanbieter liefern Vorlagen für international gängige Datenstrukturen gleich mit. Doch auch mit Bordmitteln lässt sich die nötige Transparenz schaffen. „Wir empfehlen, schon ab der Gründung in Datenraumstrukturen zu denken und die Dokumente richtig abzulegen“, so Mahr. Wer die Struktur von vornherein richtig anlege und pflege, könne in der Transaktion sehr viel Zeit und Geld sparen.