Schlaglichter auf die Zukunft des Versicherungsvertriebs

Innovation und Digitalisierung im Versicherungsmarkt

Christian Gnam, InsurTech Hub Munich
Christian Gnam, InsurTech Hub Munich

Bildnachweis: InsurTech Hub Munich.

Vorstände und Führungskräfte der Versicherungswirtschaft sehen laut einer aktuellen Studie von McKinsey den Vertrieb von Versicherungen als größte Herausforderung ihrer Branche. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. Die Annäherung an die Generation Z, „Embedded Insurance“ und hybride Kundenreisen können Lösungsansätze sein.

Die zunehmende Regulierung transformiert den Vermittlervertrieb, der zudem häufig an Nachwuchssorgen leidet. Technologische und digitale Innovationen verändern den Beratungs- und Verkaufsprozess. Vor allem aber hat sich die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden gewandelt – sie fragen verstärkt nach hybriden Angeboten, die flexibel und reibungslos zwischen traditioneller, persönlicher Beratung und teil- oder vollautomatisierten digitalen Modellen changieren. Diesem Trend zur Digitalisierung und Hybridisierung des Vertriebs hat die Pandemie bekanntermaßen noch einen zusätzlichen Schub verliehen.

Generation Z gewinnen

Auch wenn der Wunsch nach hybriden Kundenreisen sicherlich nicht nur von jüngeren Menschen geäußert wird, scheint der Vertrieb von Versicherungen an Millennials und Angehörige der Generation Z besonders herausfordernd. Eine Vielzahl entsprechender Studien von Beratungsunternehmen und zahlreiche versicherungsinterne Projekt- und Arbeitsgruppen belegen, dass sich die Branche intensiv mit diesen Generationen beschäftigt. Sie will herausfinden, wie Versicherung auch für diese Gruppen relevant bleibt und wie der Start der „Versicherungsreise“ für sie aussehen könnte. Die entscheidenden Fragen hier werden sein, wie die Aufmerksamkeit dieser Generationen auf Versicherung gelenkt werden kann und mit welchem Wertversprechen die Versicherungsunternehmen auftreten. Es gilt zu erkunden, was diese Gruppen umtreibt, wofür sie sich interessieren und was sie als essenziell erachten und dementsprechend auch absichern wollen. Daneben ist entscheidend, dass Versicherer in den präferierten Kommunikationskanälen von Millennials und Gen Z selbst Präsenz zeigen und sich in deren Lebenswelten integrieren.

„Embedded Insurance“verspricht niedrigschwelligen Zugang

Embedded Insurance bietet hierfür einen vielversprechenden Ansatz, eigene Produkte und Services in die Kundenreisen anderer Branchen einzubetten. Es ist naheliegend, dass die Zielgruppe Finanz und Versicherungsdienstleistungen, die sie mit ihren bevorzugten Marken in Verbindung bringen, attraktiv finden und darüber einen niederschwelligen Zugang zu dem oft als sperrig wahrgenommenen Thema Versicherung finden könnten. Erhebungen der internationalen Denkfabrik „Open and Embedded Insurance Observatory“ zufolge setzt eine große Mehrheit der Versicherer weltweit auf Embedded Insurance. Über 50% betrachten „embedded“ bereits als strategische Priorität. Häufig werden Versicherungen aktuell am Check-out von digitalen Kundenreisen angeboten. Künftig kann es besonders relevant werden, sie in andere Phasen dieser Journeys einzubetten. Einfache Kaufprozesse und angenehme Nutzererlebnisse sind aber auch dort entscheidend für den Erfolg. Zugleich sind die Auswirkungen dieses Ansatzes für Versicherer nicht ohne Risiko. Es bleibt die große Herausforderung für die Versicherer, die Kunden, die über eine „Embedded-Reise“ ihre Produkte kaufen, zu ihren „echten“ Kunden zu veredeln und ihre Markenbekanntheit zu erhalten. Als bloße Zulieferer einzelner Produkte im Hintergrund verstehen sich die meisten Versicherer nicht, zumal auch bei solchen Kooperationen die Margen der Versicherer deutlich geringer ausfallen als bei den anderen Vertriebskanälen. Andererseits können und wollen viele auf das Potenzial, das sie über „embedded“ heben, nicht verzichten.

Hybriden Vetrieb ermöglichen

Versicherer sollten daher nicht nur auf eine Karte setzen, sondern die Kombination von traditionellem und digitalem Vertrieb verfolgen. Grundsätzlich wird der Erfolg im hybriden Vertrieb auch davon abhängen, wie gut es den Versicherern gelingt, ihren stationären Vertrieb digital zu befähigen. Experten wie Prof. Dr. Thomas Hartung, Professor für Versicherungswirtschaft an der Universität der Bundeswehr München, betonen denn auch die Relevanz des physischen Vertriebs. „Der traditionelle Vertrieb, der auf persönlichen Kontakt zur selben Zeit am selben Ort ausgerichtet ist, ist nicht passé, vor allem wenn es um komplexere Versicherungsprodukte geht. Auf der anderen Seite müssen Versicherer und Vermittlerbetriebe die Vielfalt digitaler Kontaktmöglichkeiten anbieten und die damit verbundenen Erwartungshaltungen hinsichtlich Geschwindigkeit und Convenience bedienen – und das für alle Produktlinien und Kontaktanlässe“, argumentiert Hartung.

Fazit

Bei all diesen Herausforderungen wird es der Versicherungswirtschaft ungemein helfen, die gesamte Bandbreite der technologischen Möglichkeiten zu entdecken und zu evaluieren und in den offenen Austausch mit anderen Branchen und Ökosystemen zu gehen. Offene Innovations-Communitys der Versicherungswirtschaft leisten hier einen immensen Wertbeitrag, weil sie Versicherer, Technologieunternehmen, Cross-Industry-Player und Start-ups zusammenbringen, um Innovation und Digitalisierung in einer der wichtigsten Branchen der deutschen Volkswirtschaft zu verbinden und gemeinsam an der Zukunft der Versicherung und des Vertriebs zu arbeiten.

Zum Autor:

Christian Gnam ist Managing Director des InsurTech Hub Munich. Die 2017 gegründete Innovationsplattform der Versicherungswirtschaft startet im April mit ihrem neuen Innovationsprogramm NXT.