Bildnachweis: Flick Gocke Schaumburg.
Der Mittelstand sieht sich vor zahlreichen Herausforderungen. Welche Themen die Private Equity-Investoren derzeit umtreiben und welche Rolle dabei das Zukunftsfinanzierungsgesetz spielt, berichtet Christian Schatz, Partner und Rechtsanwalt der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg.
VC Magazin: Der Mittelstand geht seit drei Jahren durch ein Auf und Ab. Wie nehmen Sie die Stimmung der Mittelstandsinvestoren wahr?
Schatz: Viele Investoren sind weiterhin positiv gestimmt, herausfordernde Zeiten bieten schließlich immer auch Chancen. Aber das Bild hängt auch stark vom Branchenfokus ab. Die Segmente Consumer, Health, Industrie sind schwierig, die Probleme in diesen Bereichen haben sich über die letzten drei Jahre sicherlich verschärft. Damit hier eine Transaktion stattfindet, muss ein sehr guter strategischer Fit vorliegen. Digitalisierung hat weiterhin viel Schub. Die Pandemie war ein großer Treiber und hat viel in Bewegung gebracht. Viel Finanzkraft für Investitionen wurde freigesetzt. Auch ESG wird ein Treiber: Der Markt fokussiert sich auf Nachhaltigkeit bis hin zum Thema Impact Investing.
VC Magazin: Welche Entwicklung sehen Sie hinsichtlich ESG bei den Fonds?
Schatz: Die Diskussion der Fondsklassifizierung hat sich verlagert. Früher gab es überwiegend Artikel-sechs-Klassifizierung, heute hat es sich fast vollständig gedreht in Richtung Artikel acht. Artikelneun-Fonds sehen wir nur im Bereich Impact Investing. Der Druck kommt sehr stark investorenseitig, aber es gibt noch einen zweiten Impuls: Die Gesetzgebung greift immer mehr ein. Durch die verschärfte Entwicklung sind auch die Richtlinien klarer geworden. Mittlerweile wurden viele Dokumentationen auf ESG angepasst, und die Verknüpfung in die Transaktionen hat stark zugenommen.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie das Preisniveau im Buy-out-Segment derzeit im Vergleich zu den Vorjahren? Welche Erwartungen haben Sie für den weiteren Jahresverlauf?
Schatz: Das Preisniveau ist in den nachgefragten Bereichen sehr stabil, in den kritischen Marktsegmenten gibt es natürlich Anpassungen. Der größte Faktor wird in den nächsten Jahren das zur Verfügung stehende Kapital sein. Wir spüren bereits einen Rückgang beim Fundraising. Durch die steigenden Zinsen kommen die Fremdkapitalmärkte für die Investoren zurück. Hierdurch entstehen unmittelbar Reallokationen an den Anlagemodellen. Diese Entwicklung wird daher in den nächsten Monaten und Jahren eine große Rolle spielen. Auch der LBO-Finanzierungsmarkt hat sich schon durch das veränderte Zinsniveau massiv verändert. Der Trend zum Deal auch ohne Bank wird sich sicherlich im Small- und Mid Cap-Markt weiter auswirken.
VC Magazin: Spielt die Pleite der Silicon Valley Bank für das Finanzierungsgeschäft eine Rolle?
Schatz: Die Pleite hatte unmittelbar zur Folge gehabt, dass die internen Finanzierungen der Fonds, die Equity Bridge Facilities, einbrachen. Die Silicon Valley Bank war hier ein starker Player am europäischen Markt. Das verfügbare Kapital im Markt wurde – auch wenn diese Equity Bridge Facilities keinen Leverage darstellen – erhöht, denn die Investoren müssen dann ja weniger in die Fonds einzahlen und können anderweitig investieren. Zwar konnte der deutsche Fondsmarkt diese Auswirkungen besser abfedern als zum Beispiel Großbritannien, aber dennoch gab es Auswirkungen. Bei den Investoren wurde Kapital gezogen, das nun an anderer Stelle fehlt. Daraus erklärt sich zum Teil auch die spürbare Zurückhaltung am Fundraising-Markt.
VC Magazin: Wie bewerten Sie die derzeitigen Fundraising-Aktivitäten?
Schatz: Es gibt zyklische Effekte ungefähr in einem Vierjahresrhythmus, die sich aktuell wieder deutlich zeigen. 2014, 2018 und 2020 waren starke Jahre, der Sommer 2022 war auch noch Teil der Hochphase, aber dieses Jahr wird es keinen erneuten Aufschwung geben. Zyklusbedingt befinden wir uns bereits wieder auf einem Abwärtstrend. Derzeit wird mehr geprüft, Absagen werden erteilt, die es vor zwei Jahren so nicht gegeben hätte. Noch herrscht aber keine Unterkapitalisierung des Private Equity-Markts, das letzte Jahr extrem stark war.
VC Magazin: Private Equity-Gesellschaften interessieren sich zunehmend für das Later Stage-Segment. Wie sehen Sie diesen Trend – verschmelzen Private Equity und Venture Capital hier künftig stärker?
Schatz: Vor allem im Softwarebereich zeigt sich dieser Trend, denn diese Unternehmen erreichen in kurzer Zeit eine für Private Equity interessante Größe und passen oft gut als additive Unternehmen in das Portfolio. Der Markt befindet sich nicht mehr so stark in der Abgrenzung wie früher, und das sollte als Chance wahrgenommen werden. In den nächsten Jahren wird die Frage nach den Exit-Kanälen ein großes Thema werden, und Private Equity-Häuser werden eine wichtige Rolle spielen. Wenn sich Venture Capital und Private Equity zusammenschließen und ihre Grenzen überwinden, wäre das ein sehr positives Zeichen.
VC Magazin: Ein Blick in den Referentenentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes zeigt: Die lang geforderte Umsatzsteuerbefreiung auf die Management Fee scheint real zu werden. Wie bewerten Sie den Entwurf, sehen Sie noch Fallstricke?
Schatz: Der neue Referentenentwurf würde die gesamte Diskussion der letzten 25 Jahre beenden. Die Änderung wäre signifikant für Deutschland. Die Umsatzsteuerbefreiung der Managementleistungen wird sehr inhomogen behandelt – die Finanzverwaltung zeigt einerseits eine starke Verweigerungshaltung, andererseits gibt es aber zunehmend Fälle, bei denen die Befreiung angewandt wird. Es ist kein rechtssystematischer Vollzug zu sehen, und das sorgt für Frust im Markt. Sicherlich zeigt die Fondsbesteuerung generell Tendenzen einer uneinheitlichen Handhabung, aber dieser Schritt zur klaren Umsatzsteuerbefreiung wäre jetzt ein sehr guter und wichtiger Impuls für den Markt. Unsicherheiten im Markt führen zu Zurückhaltung, und das können wir uns angesichts der größten wirtschaftspolitischen Herausforderung, die Deutschland jemals gesehen hat, schlichtweg nicht leisten.
VC Magazin: Was bedeutet die Umsatzsteuerbefreiung künftig für den Fondsstandort Deutschland?
Schatz: Ich gehe stark davon aus, dass wir mehr in Deutschland strukturierte Fonds sehen werden, denn dieser Punkt wurde immer bei der Standortfrage diskutiert. Es ist nicht der einzige, aber ein wichtiger, der die Attraktivität steigert. Von den Investoren möchte niemand im Ausland arbeiten, aber bislang gibt es zu viele Faktoren, die sie zu solchen Überlegungen zwingen. Die Umsatzsteuer ist schlichtweg ein Kostenfaktor. Man kann die Bundesregierung nur bestärken, bei den einfachen, bekannten Ansatzpunkten weiter nachzudenken und diese auch auf die Liste zu nehmen.
VC Magazin: Wie wettbewerbsfähig ist Deutschland künftig im europäischen Vergleich mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz, wie es derzeit vorliegt?
Schatz: Insgesamt halte ich Deutschland für ein extrem wettbewerbsfähiges Land. Natürlich haben wir Herausforderungen. Die große Frage, die wir uns in den nächsten Jahren stellen müssen, ist, wie wir die vielen Herausforderungen unter Kontrolle bekommen. Hier lässt sich auch das Zukunftsfinanzierungsgesetz einordnen, das nicht alle Probleme mit einem Zauberstab löst, aber viele Themen abhandelt. Ich verstehe es als Einstieg in eine viel weitergehende Diskussion. Zum ersten Mal seit 20 Jahren bereiten wir etwas auf, anstatt uns wie sonst mit Fehlerkorrekturen zu befassen. Damit werden entscheidende Impulse gesetzt, ein positives Signal gesendet – und darauf kommt es an.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Christian Schatz (Partner, RA/StB) ist bei Flick Gocke Schaumburg in München im Bereich Private Equity/Fonds tätig. Er berät sowohl deutsche und internationale Initiatoren in Venture
Capital, Private Equity, Infrastruktur, Real Estate und Debt-Fonds als auch viele Investoren in diese Fonds.