Bildnachweis: BayBG.
An der Seite von Peter Pauli führt seit mehr als zwei Jahren Peter Herreiner die Geschäfte der BayBG. Im Interview blickt er auf die zahlreichen Herausforderungen, denen sich der bayerische Mittelstand in dieser Zeit stellen musste, und auf das Thema Nachfolgeregelung, das nach der Pandemie wieder verstärkt in den Fokus vieler Unternehmer rückt.
VC Magazin: Sie wurden im Februar 2021 in die Geschäftsführung der BayBG berufen. Wie haben Sie sich eingelebt?
Herreiner: Ich kannte die BayBG bereits, da ich davor schon drei Jahre lang im Aufsichtsrat tätig gewesen war. Ich wusste damit sehr gut, was mich erwartet, und daher fiel mir auch die Entscheidung leicht, die Geschäftsführung gemeinsam mit Peter Pauli zu übernehmen. Die UniCredit, bei der ich vorher tätig war, und gleichermaßen die BayBG sind beide sehr professionell, die Umgewöhnung fiel daher nicht schwer. Einen ganz wesentlichen Unterschied gibt es: Banken sehen auf Transaktionen verständlicherweise immer eher etwas risikoorientierter; bei einer Beteiligungsgesellschaft ist der Blickwinkel ein anderer, stärker chancenorientierter. Das Thema blieb demnach gleich, aber die Perspektive hat sich verändert. Für mich ist das tatsächlich noch spannender und macht noch mehr Freude.
VC Magazin: Sie haben in der Pandemiezeit Ihre Arbeit aufgenommen, vor mehr als einem Jahr griffen zudem russische Truppen die Ukraine an. Wie haben diese Einschnitte Ihre Arbeit beeinflusst?
Herreiner: Der erste „schwarze Schwan“ war die Pandemie, der zweite kam mit dem Krieg in der Ukraine sehr kurz danach – beides furchtbare Ereignisse und Rahmenbedingungen. Insofern war das keine einfache Zeit am Markt. Man lernt aber auch daraus. Man hat das Gefühl, die Dichte an schwarzen Schwänen nimmt mehr zu – früher passierten solche unvorhersehbaren Ereignisse vielleicht, wenn überhaupt, alle 15 bis 20 Jahre. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir uns damit werden arrangieren müssen, dass es wesentlich mehr Unsicherheit am Markt gibt als früher. Das Risiko, dass materielle Ereignisse eintreten, die man vorher nicht absehen konnte, ist einfach gestiegen.
VC Magazin: Welche Einflüsse hat der Krieg auf Ihre Portfoliounternehmen?
Herreiner: In unserem Portfolio waren die Erstrundeneffekte überschaubar, das betraf nur wenige Unternehmen. Einschneidender verliefen die Begleiteffekte wie Energiekrise, Lieferkettenproblematik, Zinswende und Inflation. Hier kamen teils enorme Preisanstiege in Vorprodukten auf die Unternehmen zu, die auf der Absatzseite nachverhandelt werden mussten. Das hat Kapazitäten gebunden; eine sehr anstrengende Zeit. Eine positive Erfahrung war, dass die Notwendigkeit von Preisnachverhandlungen akzeptiert wurde und vielerseits Verständnis dafür und eine Grundsolidarität herrschten. Unser Portfolio umfasst 420 Unternehmen, und es hat sich gezeigt, dass diese sehr flexibel mit der Situation umgegangen sind. Unsere Ausfallrate liegt aktuell deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt.
VC Magazin: Wie groß ist die Nachfrage nach Beteiligungskapital derzeit, was sind die häufigsten Hintergründe?
Herreiner: Die Nachfrage ist hoch und durchzieht alle Bereiche von Gründungsfinanzierung über Wachstum bis Nachfolge, es ist ein Mix aus klassischen Anlässen. Es gibt nach wie vor die Expansionsideen, Internationalisierungs- oder auch Transformationsthemen seitens der Mittelständler. Sicher ist das Working Capital höher als in den letzten Jahren, bedingt durch die Lieferproblematiken und aktuellen Herausforderungen. Zudem haben viele mittelständische Unternehmen in der Pandemie gespürt, dass eine stabile Eigenkapitalausstattung wichtig ist. Hier fanden ein Erkenntnisprozess und ein Umdenken der bayerischen Mittelständler statt, denn auch ohne konkreten Bedarf ist eine stabile EK-Ausstattung eine gute Idee. Wir werden damit sicher wieder ein erfolgreiches Jahr 2023 erleben – das zeigen bereits die Ergebnisse des ersten Halbjahres.
VC Magazin: Die Generation der Babyboomer wird sich in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben zurückziehen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Thema Unternehmensnachfolge, wie aktiv gestalten Sie diese in Ihrem Portfolio mit?
Herreiner: Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn hat eine Schätzung für die nächsten fünf Jahre herausgegeben, die zeigt, dass pandemiebedingt viele Nachfolgen verschoben wurden, die in der nächsten Zeit stattfinden werden. Hier besteht einiger Nachholbedarf. Gleichzeitig erwarten wir bis 2026 durch die Babyboomer-Jahrgänge, die jetzt ins Rentenalter kommen, 30% mehr Übergaben – das muss auch verdaut werden. Etwa die Hälfte der Unternehmer kann die Nachfolgen innerhalb der Familie regeln, in allen anderen Fällen ist es eine Zeitfrage, bis die Übergabe realisiert ist. Für die BayBG ist das Thema daher sehr wichtig, denn in den meisten Fällen kann der Kaufpreis betraglich nicht durch einen reinen Bankkredit und Eigenkapital des Käufers allein realisiert werden, und die BayBG kann dabei helfen, die Lücke zu schließen und damit die Transaktionen realisierbar zu machen. Derartige Fälle begegnen uns häufig. Der Anteil des Geschäftsbereichs Unternehmensnachfolge stieg im Portfolio in den letzten zehn Jahren von 10% auf 20% und ist auch heute das dynamischste Segment mit dem größten Potenzial.
VC Magazin: Wann sollten Unternehmen in Ihren Augen das Thema Nachfolge anpacken, wie lange dauert dieser Prozess erfahrungsgemäß?
Herreiner: Es dauert immer länger, als man denkt, und es hängt von vielen Faktoren ab. Sind die Kaufpreisvorstellungen realistisch? Wird der Prozess von einem M&A-Berater gesteuert? Wo liegen die Prioritäten des Verkäufers? Das sind nur einige Beispiele eines Sammelsuriums, die letztlich entscheidend sein können. Wenn es dem Verkäufer rein um die Maximierung des Kaufpreises geht, ist es sicher sinnvoll, über die Mandatierung eines M&A-Beraters und über ein gutes Timing nachzudenken. Hier schadet die Denke, genau mit 60 Jahren aufhören zu wollen. Vielleicht wäre mit 59 oder 61 der viel geeignetere Zeitpunkt. Weitaus häufiger begegnet uns aber, dass Verkäufer ihr Lebenswerk in guten Händen wissen wollen. Hier spielt nicht der Preis die entscheidende Rolle, sondern Bewahrung der Eigenständigkeit, die Sicherung der Arbeitsplätze oder die Übergabe an ein bestimmtes Managementteam zum Beispiel aus der zweiten Ebene. Einen geeigneten Nachfolger zu finden ist für viele die bedeutendste Hürde – und das lässt sich auch nicht erzwingen. Mein Rat ist, früh anzufangen und am Thema dranzubleiben.
VC Magazin: Sie sind seit Jahrzehnten im Finanzierungsgeschäft, waren zuvor viele Jahre bei der UniCredit. Was sind Ihre persönlichen Ratschläge für eine gelungene Nachfolgelösung?
Herreiner: Dem Verkäufer, der Verkäuferin rate ich immer, sich der Prioritäten und möglicher Kompromisse bewusst zu werden. Beim Gelingen der Nachfolge ist das Operative sehr wichtig, es wird jedoch regelmäßig unterschätzt, dass sehr viel auch von der Finanzierung abhängt, die möglichst kompromisslos zum Unternehmen passen muss. Dabei spielt der Zukunftsplan des Unternehmens eine wichtige Rolle. Finanzierung muss letztlich maßgeschneidert und individuell sein. Dazu gehört eine sehr realistische Planung, Spielräume für unternehmerische Entscheidungen zu lassen und auch Negativabweichungen und Downsize-Szenarien mitzudenken – nicht, da man damit rechnet, sondern damit man weiß, dass es auch funktioniert, wenn etwas ganz anders kommt als geplant.
VC Magazin: Wie sieht Ihr persönlicher Ausblick für das Jahr 2023 aus?
Herreiner: Das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2023 ist für uns bereits abgeschlossen, wir erleben ein erneut sehr gutes Jahr und sehen spannende Ideen und Geschäftsmodelle. Wir leben in einer Zeit großer Unsicherheiten, in der stabile Finanzierungen wie die stillen Beteiligungen und die Eigenkapitalfinanzierungen der BayBG eine wichtige Rolle spielen. Wir sind daher sehr optimistisch, dass unsere Arbeit für den bayerischen Mittelstand und die Gründerszene sehr hilfreich sein wird.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Peter Herreiner ist Co-Geschäftsführer der BayBG und verfügt über langjährige Erfahrung in allen Bereichen des strukturierten Finanzierungs- und Beteiligungsgeschäfts im Corporate- und Investmentbanking.