Bildnachweis: Plettenberg Familienkapital, MBG Baden-Württemberg, Saxenhammer & Co..
Die Generation der Babyboomer nähert sich dem Rentenalter. Das bedeutet auch, dass sich zahlreiche Unternehmer mit der Zukunft ihrer Firma auseinandersetzen müssen. Die Herausforderungen für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland, eine Unternehmensnachfolge umzusetzen, hat nichts an Aktualität eingebüßt. Bis zum Ende des Jahres 2023 planen laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau rund 190.000 Inhaberinnen und Inhaber, das Unternehmen in die Hände einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers zu legen. In solchen Fällen bieten sich auch für Gründer gute Chancen für den Einstieg in bereits etablierte Unternehmen.
Da Nachfolger, wenn sie aus dem Unternehmen kommen oder als externe Manager in eine Firma investieren, selten den kompletten Kaufpreis auf den Tisch legen können, kommen an dieser Stelle Finanzierer mit ins Spiel. Hier sind klassische Private Equity-Gesellschaften zu nennen, die mit Beteiligungsfonds eine Finanzierung begleiten. Bei diesen Firmen gibt es das Modell der Übernahme einer Mehrheit der Anteile oder auch eine Minderheitsbeteiligung. Welche Kooperation zum Tragen kommt, hängt vom Unternehmen, der Kapitalstruktur des Unternehmens und der Übernehmer sowie den Interessen des Firmeninhabers ab. Bei Nachfolgeregelungen sind auch sogenannte Mittelständische Beteiligungsgesellschaften (MBGen) und Bürgschaftsbanken aktiv, die Unternehmen in ihrem jeweiligen Bundesland mit Eigenkapitallösungen oder Ausfallbürgschaften unterstützen. Die gemeinsamen Gesellschafter der MBGen und Bürgschaftsbanken sind meistens Wirtschaftsverbände, Kammern, regionale Banken und Sparkassen wie auch deren Zentralinstitute und Versicherer sowie Förderbanken der jeweiligen Bundesländer. Die meisten Gesellschaften wurden in den 1970er-Jahren gegründet und haben sich die regionale Wirtschaftsförderung auf die Fahnen geschrieben.
Große Nachfrage bei Nachfolgefinanzierungen
„Bei der Bürgschaftsbank und Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg spüren wir seit geraumer Zeit eine hohe Nachfrage nach Risikoübernahme und Eigenkapitalstützung für Übernahme- und Nachfolgeprojekte. Gerade die größeren Finanzierungs-Tickets entfallen – auch wegen der über die vergangenen Jahre gestiegenen Firmenwerte – zu einem großen Anteil auf das Segment Nachfolge“, erklärt Guy Selbherr, Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg GmbH und Vorstandsmitglied der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg GmbH. Derzeit würden rund 75% des Neukundengeschäfts der Bürgschaftsbank auf das Segment Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen entfallen. Bei Letzteren konnten allein in Baden-Württemberg 682 Vorhaben mit einem verbürgten Kredit- und Beteiligungsvolumen von mehr als 250 Mio. EUR unterstützt werden. Die MBGen können bei Finanzierungen eine Eigenkapitalbeteiligung – meist eine stille Beteiligung – von bis zu 1,5 Mio. EUR eingehen, im Einzelfall sind auch höhere Beträge möglich. Mit diesen zusätzlichen Mitteln gelingt es oftmals aufgrund eines besseren Ratings, dann auch günstigere Konditionen für eine Fremdfinanzierung – gerade für Zukunfts- und Wachstumsinvestitionen – zu erhalten.
Große Welle noch nicht eingetreten
Ein steigendes Interesse an Unternehmensverkäufen verzeichnet auch Christian Saxenhammer, Geschäftsführer bei Saxenhammer & Co. Corporate Finance GmbH, einer M&A-Beratungsgesellschaft aus Berlin: „Die Käufer sind bei uns in der Regel strategische Investoren. Diese sind unverändert stark an Zukäufen interessiert und finanzieren das in der Regel über die eigene Bilanz.“ Einen Stau an Nachfolgen könnte man seiner Meinung nach vielleicht unterstellen, da das Interesse von Unternehmern am Verkauf unverändert sehr stark sei – aber obwohl aufgrund des demografischen Wandels seit Jahren mit einer großen Welle von Unternehmensnachfolgen gerechnet werde, sei diese bisher nicht eingetreten. Über die Gründe könne man nur spekulieren. Aktuell trifft laut MBG-Geschäftsführer Selbherr ein hohes Angebot an Unternehmen, deren Inhaber und Inhaberinnen – die geburtenstarken Jahrgänge – sich nun langsam zurückziehen wollen, auf geburtenschwache Jahrgänge, die zudem derzeit beste Beschäftigungschancen in der Wirtschaft haben. Darüber hinaus sähen sich viele Unternehmer damit konfrontiert, dass ihre Kinder heutzutage andere Lebensentwürfe hätten. Auch das Thema Work-Life-Balance und „New Work“ spiele in diesem Kontext eine zunehmende Rolle und erschwere den unveränderten Fortbestand der Firma. „Grundsätzlich kann es für junge Gründungsinteressierte auch eine gute Entscheidung sein, dass man sich eine bereits etablierte Firma anschaut. Sozusagen nach dem Motto: nicht gründen, sondern übernehmen. Eine solche Beteiligung könnte auch für das Unternehmen gut sein, denn es kommt frisches Know-how und Denken mit an Bord“, so Claudius Graf von Plettenberg von der Familienholding Plettenberg Familienkapital. Seiner Erfahrung zufolge verfügen die möglichen Käufer jedoch teilweise auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel. An dieser Stelle kämen dann externe Investoren wie Private Equity-Firmen oder Family Offices als Co Investoren in Betracht. Zwar hält der Gründungsinteressierte dann nur einen kleineren Teil der Anteile – allerdings ist sein Hebel aufgrund der Größe des Unternehmens und der Expertise des Kapitalgebers deutlich größer.
Interesse am Unternehmensverkauf gestiegen
Einen absoluten Zeitenwechsel hat es durch die zweijährige Corona-Pandemie bei vielen Unternehmern und ihren Gedanken über die weitere Zukunft ihre Betriebe gegeben. Eine vermeintliche Gewissheit über die weitere Entwicklung wurde mehr oder weniger von einem auf den anderen Tag durch Betriebsschließungen, Reiseverbote und den Zusammenbruch von Lieferketten infrage gestellt. Saxenhammer hat bereits 2021 festgestellt, dass das Interesse am Verkauf bei Inhabern gestiegen ist. Zudem habe ein echter Mentalitätswechsel stattgefunden, denn: „Der Unternehmer stellt es inzwischen seinen Kindern frei, ob sie ins Familienunternehmen einsteigen wollen – oder nicht. Ist dies nicht der Fall, wird inzwischen deutlich schneller über einen Verkauf nachgedacht.“ Eine etwas andere Erfahrung hat hier die MBG Baden-Württemberg gesammelt: „Die Beobachtung, dass Unternehmerinnen und Unternehmer sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre früher von ihren Betrieben im Rahmen eines Verkaufs trennen wollen, nehmen wir so nicht wahr“, sagt Geschäftsführer Selbherr. Die MBG-Gesellschafter aus Kammern und Verbänden würden aber verstärkt darüber berichten, dass gerade kleinere Betriebe, insbesondere bei großem Druck aufs Geschäftsmodell ohne Nachfolgeperspektive, immer häufiger geschlossen werden. Durch ein „Quiet Quitting“ würde die Geschäftstätigkeit einfach eingestellt. Das vernichte unternehmerische Substanz.
Chefs wollen früher loslassen
Plettenberg hat in den vergangenen Krisenjahren die Erfahrung gesammelt, dass immer mehr Unternehmer darüber nachdenken, früher loszulassen. Dabei gebe es verstärkt die Tendenz, dass der Inhaber sich im Rahmen der Transaktion rückbeteiligt und nach einer Transaktion operativ in der Verantwortung bleibt. Auf diese Weise könne er dann auch an der zukünftigen Wertschöpfung weiter teilhaben und hat aber zeitgleich den Nachfolgeprozess angestoßen. Dahinter verbirgt sich nach Plettenbergs Ansicht ein hohes Verantwortungsbewusstsein des Inhabers gegenüber den Mitarbeitenden und der Tradition der Firma: „Sie wollen den Standort erhalten und kümmern sich um ihre Region.“ Da er selbst ein Familienunternehmer ist, könne er diese Einstellung sehr gut verstehen und unterstütze sie.
„Alle mussten sich erst einmal schütteln“
Eine der Auswirkungen des Ukrainekrieges ist eine erhebliche Inflation, die nun seit rund einem Jahr mit einem gestiegenen Zinsniveau bekämpft wird. „Die Änderung des Zinsniveaus hat einen negativen Effekt. Wir versuchen das in unseren Finanzierungen durch Verkäuferdarlehen oder Earn-outs zu kompensieren“, erklärt M&A-Berater Saxenhammer. Eine Art „New Normal“ glaubt Selbherr von der MBG Baden-Württemberg zu erkennen, denn Zinsen auf dem aktuellen Niveau habe es schon einmal gegeben: „Der doch recht deutliche Anstieg der Zinskurve in kurzer Zeit war zunächst ein gewisser Schock für alle Marktteilnehmer. Hier mussten sich alle erst einmal schütteln. Nichtsdestotrotz sehen wir keine grundsätzliche Zurückhaltung der Banken in Bezug auf die Begleitung von Nachfolgeprojekten; inzwischen nehmen wir eine gewisse Gewöhnung wahr.“ Plettenberg hat zum Thema Zinsen eine kurze und knappe Meinung: „Die Höhe der Zinsen ist nicht entscheidend!“ Wenn das Finanzierungsmodell von der Höhe der Fremdkapitalzinsen abhänge, dann würde er das komplette Konstrukt infrage stellen. Aktuell sei es ein wichtigerer Faktor im Geschäft der Nachfolgen und Übernahmen, dass aufgrund der lang anhaltenden Krisen ein operativer Druck in den Firmen herrscht. Dies biete aber auch gute Chancen für spannende Deals und Wachstumschancen für die Zukunft.
Wo findet man Nachfolger?
Aber wo können junge Gründungsinteressierte nun spannende Unternehmen finden, die sich für eine Übernahme im Zuge einer Nachfolgeregelung eignen? Saxenhammer hat hier folgenden Tipp parat: „Ich empfehle vor allem klassische Branchenteilnehmer wie M&A-Beratungen, Rechtsanwälte oder auch Steuerberater.“ Hier sei ein großes Netzwerk von möglichen Kontakten vorhanden, und man bekomme hier auch gute Informationen über mögliche Investmentgelegenheiten. Auch Plettenberg rät dazu, frühzeitig den Kontakt zu Fachleuten zu suchen. Beratungsunternehmen und Investmentgesellschaften würden über große Erfahrung bei Transaktionen verfügen. Zudem hätten diese Firmen ein richtiges Gespür dafür, welche Betriebe und welche Gründer zusammenpassen: „Wir sehen uns hier auch als Ermöglicher, und wir führen viele Gespräche und knüpfen Verbindungen – auch ohne an einer Transaktion direkt beteiligt zu sein“, erklärt Plettenberg. Selbherr rät Interessierten auch dazu, sich auf entsprechenden Portalen und Plattformen zu informieren. Er nennt unter anderem verschiedene Unternehmensbörsen unter der Adresse https://nachfolge-in-deutschland.de/, wo auch branchenspezifische Vermittlungsportale aufgeführt werden. Ein weiterer Tipp von ihm: Die Unternehmensbörse nexxt-change ist eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und wird unter anderem unterstützt von der KfW, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Auch im Bereich der Sparkassen- Finanzgruppe gibt es entsprechende Börsen. Zudem gäbe es Nachfolgestammtische bei Kammern, Verbänden, Wirtschaftsvereinigungen. Für Inhaber von Betrieben gehe es darum, sich frühzeitig mit einer Nachfolgelösung auseinanderzusetzen – dann bleibe ausreichend Zeit für die Vorbereitung und eventuell auch den Aufbau eines externen Managements. Beides steigere den möglichen Verkaufserlös. „Nach unserer Erfahrung sollte eine Nachfolge über einen Zeithorizont von mindestens fünf Jahren geplant werden. In diesem Zeitraum sollte sich der Übergeber Gedanken über verschiedene Fragestellungen machen, die aus unserer Sicht kritische Erfolgsfaktoren für eine gelungene Übernahme/ Nachfolge darstellen“, erklärt Selbherr.
Fazit
Der Markt für Unternehmensnachfolgen entwickelt sich asymmetrisch: Mehr Firmen suchen einen Nachfolger – und weniger junge Manager sind bereit für die Übernahme von mehr Verantwortung. Es wird in den kommenden Jahren eine Aufgabe sein, hier mit innovativen Modellen bei der Finanzierung für eine Lösung zu sorgen – bevor wertvolle Firmen geschlossen werden müssen.