Bildnachweis: invest.austria.
In Österreich bündelt – offiziell seit dem 2. Mai – invest.austria die Kräfte von Business Angels und Finanzinvestoren und ersetzt damit die Aktivitäten der Verbände aaia (230 Mitglieder) und AVCO (120 Mitglieder).
VC Magazin: Wie kam es zu dem Zusammenschluss von AVCO und aaia?
Futter: Formal ist es kein Zusammenschluss, sondern ein komplett neuer Verein. Die alten Vereine lösen sich auf. Das ist auch richtig und gut so, weil wir unvorbelastet und mit einer neuen DNA starten möchten – denn wir müssen mit invest.austria die Interessen vom „kleinen“ Business Angel bis zur großen Private Equity-Adresse unter einem Dach vereinen.
Béasse: Beide Vereine haben einen Teil ihrer Geschichte gemeinsam. Einige Mitglieder, die bereits bei der Gründung der AVCO vor etwas mehr als 20 Jahren dabei waren, waren auch an der Entwicklung von aaia beteiligt. Die Bündelung in einem neuen Verein stützt sich jedoch auf zwei wichtige Elemente: zum einen auf die Notwendigkeit, die Lücke zwischen der Frühphase und der Spätphase des Innovationsfinanzierungszyklus in Österreich zu schließen, zum anderen auf den Erfolg unserer ersten Kooperationen, insbesondere der gemeinsamen Jahreskonferenz invest.austria in den Jahren 2021 und 2022. Dies war übrigens auch ein Hinweis auf den Namen des neuen Verbands!
VC Magazin: Wie schwierig war es, die Interessen beider Verbände unter einem Dach zu vereinen?
Futter: Vor rund einem Jahr saß ich mit Nina Wöss, der Präsidentin der AVCO, zusammen, und wir waren der Meinung, dass wir gemeinsame Sache machen sollten. Name und CI waren, wie Arnaud gerade gesagt hat, schnell gefunden. Anschließend haben die Geschäftsführungen beider Vereine mögliche Strukturen und organisatorische Details aufbereitet. Als im Herbst 2022 der gemeinsame Weg beschlossen wurde, sind wir in die konkrete Umsetzung gegangen, haben uns mit Funktionären und Mitarbeitern beider Verbände zusammengesetzt und ihre Pläne und Ziele besprochen. Anschließend haben wir Daniela Haunstein an Bord geholt und bewusst eine Doppelspitze in der Geschäftsführung geschaffen.
Haunstein: Ich war an dem ursprünglichen Prozess nicht beteiligt, aber als Mitglied seit 2017 mit der aaia vertraut. Ich kannte die Idee des neuen Verbands, bin aber erst im Januar in den Prozess eingetreten. Anschließend haben wir begonnen, das neue Team zu formen, und sind mit uns Geschäftsführern jetzt acht Personen.
Béasse: Es gab keine Inkompatibilität und auch nicht viele Überschneidungen zwischen den beiden Communities. Der neue Verein kann daher problemlos alle bestehenden Mitglieder der beiden alten Strukturen aufnehmen. Dies war natürlich unabdingbar. Eine der Prioritäten der Annäherung bestand darin, die Erwartungen unserer jeweiligen Mitglieder sorgfältig zu analysieren, um die Synergien hervorzuheben, von denen sie profitieren können. Zudem mussten wir zwei Arten von Kulturen miteinander verbinden. Letztlich war es weniger wichtig, sich mit einem „Du“ oder „Sie“ aufzuhalten, denn was für unsere Mitglieder wirklich zählt, ist unser Einsatz für die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Markts.
VC Magazin: Wie ordnen Sie die Rahmenbedingungen für Angels und Investoren in Österreich ein?
Béasse: Die Rahmenbedingungen für Investitionen in Privatkapital in Österreich sind noch weit davon entfernt, zufriedenstellend zu sein. Wir sehen sogar in letzter Zeit noch Vorschläge für Gesetzesänderungen, die den Bedürfnissen des Markts entgegenstehen. Wir sollten uns an den Verbesserungen orientieren, die in letzter Zeit in anderen europäischen Ländern wie den Nordics, den Niederlanden oder Frankreich vorgenommen wurden. In Österreich gibt es genügend Innovationskraft und theoretisch auch genügend finanzielle Ressourcen, um wesentliche Zukunftstechnologien zu entwickeln.
Futter: Wir sind in einer verbesserungswürdigen Situation, weil die Wahrnehmung des Eigenkapitalmarkts kaum gegeben ist. Ein Investor wird leider immer noch im negativen Sinn als „Kapitalist“ gesehen, und damit landen wir mitten in einer Neiddebatte. Es ist ein dickes Brett, an dem wir bohren. Es gibt viel zu wenig Anreize für Investoren, ihr ehrlich verdientes und versteuertes Kapital zu investieren. In England wurde ein Betrag von 100.000 GBP steuerlich freigestellt, sofern er in Start-ups investiert wird. Ganz ehrlich: Wenn ich die Wahl habe, ob ich 100.000 GBP oder EUR in Startups investiere oder 50.000 EUR an Steuern bezahle, dann weiß ich doch, was ich zu tun habe.
Haunstein: Es sollte endlich gesehen und anerkannt werden, welch wichtigen volkswirtschaftlichen Beitrag Investoren leisten, indem sie ihr Geld in innovative Start-ups investieren, anstatt es für Immobilien, Boote oder andere Luxusgüter auszugeben. Mit entsprechenden steuerlichen Rahmenbedingungen könnte man wesentlich mehr Risikokapital mobilisieren.
VC Magazin: Was sind Ihre dringlichsten Handlungsempfehlungen an die Politik?
Béasse: Wir sehen rechtliche und steuerliche Verbesserungen, die die Gründung von Startups und neuen Fonds fördern können: die Mitarbeiterbeteiligung, den Beteiligungsfreibetrag sowie die Anpassung der Rechtsform. Insbesondere in der letzten Phase konzentrieren wir uns weiterhin auf die Einrichtung eines Dachfonds und die Schaffung eines Standortfonds, um das Finanzierungsvolumen zu steigern und zusätzliche Strukturen anzuziehen.
Futter: Viele Themen verfolgen wir seit zehn Jahren. Das große Problem ist, dass die Wirtschaft in Österreich sehr differenziert wahrgenommen und kaum als Treiber der Entwicklung gesehen wird. Die Politik sieht den Tourismus und große Paradeunternehmen, aber uns fehlen die Vision und die Idee, den nächsten Generationen von Unternehmern – den Start-ups und Scale-ups, die es in fünf oder zehn Jahren geschafft haben sollen – den Weg freizuräumen. Es wird bei sämtlichen Gesetzen und Maßnahmen hierzulande in erster Linie auf die Kosten geschaut und zu wenig auf den volkswirtschaftlichen Nutzen. Damit verbauen wir uns viele Möglichkeiten.
VC Magazin: Welche Punkte finden sich darüber hinaus auf Ihrer kurz- und mittelfristigen Agenda?
Futter: Unsere große Aufgabe ist es, alle Mitglieder davon zu überzeugen, dass sie deutliche Mehrwerte durch den neuen Verein erhalten und der Mitgliedsbeitrag sehr gut investiert ist. Mittelfristig ist das Thema, den kompletten Finanzierungslebenszyklus transparenter und durchlässiger zu machen. Wir wollen Kommunikation und Austausch zwischen allen Playern fördern und unterstützen. Fast jeder Angel in Österreich ist auch Investor in einen Fonds, und es gibt noch einige weitere Schnittmengen.
Haunstein: In der Frühphase gibt es schon viele Veranstaltungen und Strukturen, in der Spätphase ist das noch nicht der Fall. Doch wir beobachten Überschneidungen und ein Zusammenwachsen der Phasen. Wir müssen Vertrauen schaffen und uns die Wünsche von großen Fonds und Family Offices anhören, um auch hier Mehrwerte stiften zu können. Viele wünschen sich auch in späteren Phasen die Agilität und Netzwerke, die es in der Start-up-Szene gibt. Darüber hinaus sehe ich weitere große Themen, die uns vom Markt angetragen werden, etwa Green Finance, Green Energy und Tokenization. Und dann haben wir natürlich unser Tagesgeschäft mit Öffentlichkeitsarbeit, Studienerstellung, Events, Mitgliederbetreuung, Investor-Lounges, Start-up-Worldcup und vielem mehr. Wir haben nicht nur Ideen, wir sind schon mitten in der Arbeit!
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zu den Interviewpartnern:
Nikolaus Futter ist Chairman von invest.austria. Er hat als Business Angel in mehr als 35 junge Unternehmen investiert und wurde 2020 als Business Angel of the Year ausgezeichnet.
Daniela Haunstein und Arnaud Béasse sind Co-Managing Director bei invest.austria. Haunstein verfügt über eine langjährige Investmenterfahrung und ist seit 2017 aktive Angel-Investorin. Béasse blickt auf über 20 Jahre Erfahrung im Finanzdienstleistungsbereich und International Trading zurück.