Bildnachweis: Bundesverband Coworking Spaces Deutschland, Maschinenraum.
Rund um das Thema Arbeitswelt rankt sich eine lange Kette von Buzzwords, mit
denen Modernität suggeriert werden soll. Gerne nehmen Manager Begriffe wie New
Work, Agilität oder Remote Work in den Mund. Im harten Kampf um neue Mitarbeiter locken Firmen in ihren Bürokomplexen gerne mit kuscheligen Wohnlandschaften aus Europaletten, schicken Kaffeevollautomaten oder dem unvermeidlichen Kicker. Dies sind auch die typischen Zutaten für einen Co-Working-Space.
Aber was verbirgt sich hinter dieser relativ neuen Form des Arbeitens, die nicht erst seit der Corona-Pandemie einen Siegeszug angetreten hat? Ganz einfach ausgedrückt, sind Co-Working-Spaces klassische Bürogemeinschaften, betrieben zumeist von kommerziellen Anbietern – darunter auch international agierende Ketten. Typisch für diese Co-Working-Spaces sind Gemeinschaftsflächen wie Küche, Aufenthaltsbereich, Besprechungs-möglichkeiten, Tagungstechnologie sowie Kommunikationszonen und Bereiche zum ungestörten Telefonieren. Zudem ist die klassische Büroinfrastruktur in der Miete enthalten, wie schnelles Internet, Drucker, fertig eingerichtete Arbeitsplätze sowie ergänzende Serviceleistungen. Hinzu kommen gemeinsame Netzwerkaktivitäten, um unter den verschiedenen Nutzern einen Austausch zu ermöglichen.
Zahl der Co-Working-Spaces vervierfacht
Nicht übermäßig kreativ, könnte man meinen – trotzdem sind die Co-Working-Spaces mehr und mehr im Trend, und das schon vor der Zeitenwende durch Corona. Nach Angaben des Bundesverbands Coworking Spaces Deutschland (BVCS) gab es hierzulande zu Beginn des Jahres 2020 fast 1.300 Co-Working-Spaces. Damit hatte sich die Zahl innerhalb von zwei Jahren vervierfacht. Große Vorteile gegenüber klassischen Gewerbeimmobilien sind sicherlich die Flexibilität bei der Vertragsbindung, vollständige Ausstattung der Arbeitsplätze und die Inkludierung aller Nebenkosten – vergleichbar mit dem Service, den man aus Hotels kennt. Die meisten Spaces bieten kurze Kündigungsfristen von oftmals nur einem Monat. Für junge Unternehmen oder Freiberufler sind das optimale Bedingungen, da sie sich nicht über mehrere Jahre an einen Standort binden wollen. Normalerweise bieten Co-Working-Spaces verschiedene Formen der Nutzung an: vom frei gewählten Schreibtisch in einer größeren Zone (Flex Desk) über einen festen Tisch in einem definierten Bereich (Private Desk) bis zu einem eigenen Büro für eine oder mehrere Personen.
Unternehmen als neue Zielgruppe
Mit Freelancern und Gründern lassen sich Co-Working-Spaces auf Dauer aber nicht profitabel betreiben. Daher schielen die Anbieter nach weiteren Zielgruppen, um für eine sichere Auslastung ihrer Arbeitsplätze und Büros zu sorgen. Fündig geworden sind viele Spaces bei Großunternehmen, die feste Arbeitsplätze für regionale Teams in Co-Working-Spaces anbieten. Damit erhalten ihre Beschäftigten gut ausgestattete Büroarbeitsplätze in der Nähe Ihres Wohnorts – oder auf der Durchreise. Ähnlich gehen bereits Großkonzerne vor, die an Flughäfen und Bahnhöfen feste Büroflächen und Besprechungsräume anbieten für ihre reisenden Mitarbeitenden. „Co-Working-Spaces unterstützen den Trend, dass sich die Arbeitsplätze räumlich viel stärker auf die Beschäftigten zubewegen. Die Zeit von langen Pendelwegen in Stadtzentren sollte vorbei sein, um für mehr Lebensqualität zu sorgen und Umweltverschmutzung durch lange Fahrtstrecken zu vermeiden“, erklärt Tobias Kollewe, Präsident des BVCS. Der Co-Working-Pionier aus Augsburg ist einer der Gründer der in Aachen beheimateten cowork AG, die unter dem Label Worqs mehr als 1.000 Arbeitsplätze an 24 Standorten bundesweit anbietet. „Co-Working-Spaces entsprechen vielen aktuellen Entwicklungen, die wir in der Arbeitswelt erkennen: Offenheit und Austausch gewinnen an Bedeutung, ebenso wie Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort. Wir erleben im Ökosystem Maschinenraum täglich, welche Vorteile es hat, wenn unterschiedliche Organisationen – vom Familienunternehmen bis zum Zwei-Personen-Gründerteam – sich auf einer Fläche begegnen“, ergänzt Tobias Rappers, Managing Director Maschinenraum.
Aus der Haustür in den Co-Working-Space
Wie man Co-Working-Spaces in die Nähe der Menschen bringt, stellt Worqs gerade mit zwei Co-Working-Spaces in der Start-up-Hochburg Berlin mit dem neuen Label Gesoworx unter Beweis. In zwei Neubauprojekten der Wohnungsbaugenossenschaft in den Berliner Stadtbezirken Pankow und Weißensee werden seit dem Frühjahr rund 40 Arbeitsplätze angeboten. Für Mieter der Genossenschaft besteht damit die Möglichkeit, aus der Wohnungstür über den Flur gleich ins Büro zu gehen – angesichts verstopfter Straßen in der Bundeshauptstadt und eines chronisch unzuverlässigen Nahverkehrs eine geradezu paradiesische Vorstellung für Arbeitnehmer. Die beiden neuen Co-Working-Projekte in Berlin kommen gut an und sind intensiv gebucht.
Co-Working in ländlichen Regionen
Mehr und mehr machen sich aber auch Co-Working-Angebote auf dem Land breit. „Die meisten Menschen leben nicht in der Großstadt. Für Unternehmen ist es daher wichtig, Fachkräfte außerhalb zu finden. Dafür müssen sie etwas bieten, und dazu gehört eine attraktive und flexible Arbeitsumgebung. Co-Working-Spaces können ein Baustein für ein Netzwerk und einen Ort sein, an dem man sich trifft. Das gibt es in Großstädten an vielen Ecken, und Co-Working-Anbieter können dazu beitragen, dass sich auch außerhalb der Zentren ein Nukleus an Wissensarbeitern bildet“, erklärt dazu Kollewe. Bereits seit einigen Jahren besteht daher ein Trend, dass sich Co-Working-Spaces in sogenannten Pendlerhäfen gründen. Diese Mittelzentren liegen in der Umgebung von Metropolen oder es handelt sich um Randbezirke von großen Städten. An solchen Orten sei dann eine ausreichende Auslastung zu erreichen, da viele Nutzer ohnehin diesen Weg wählen. Angebote in der sprichwörtlichen Provinz. Das Programm „Zukunftsräume Niedersachsen“ richtet sich an niedersächsische Klein- und Mittelstädte sowie Gemeinden und Samtgemeinden in ländlichen Räumen ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier erfolgt eine Förderung von bis zu 90% der Personalausgaben für Projekte, bei denen die Versorgungsfunktion von Mittelzentren gestärkt wird – und dazu gehören auch Co-Working-Spaces. In Rheinland-Pfalz gibt es die Aktion „Dorf-Büros“ der Entwicklungsagentur RLP. Hier soll mit den Gemeinschaftsbüros den Dörfern eine Chance gegeben werden, die Lebensqualität zu verbessern und die Arbeit zurück ins Dorf zu holen. Inzwischen wurden landesweit elf Standorte für diese Dorfbüros eingerichtet. Das Förderprogramm soll fortgesetzt werden. Diese Aktivitäten haben bisher eine Förderung durch die öffentliche Hand – vor allem als Anschubfinanzierung – gemeinsam.
Pop-up-Spaces im kostenfreien Testbetrieb
Einen Schritt weiter geht man in Sachsen. Hier wurden im Frühjahr im Rahmen des Projekts „Coworking im Göltzschtal“ zwei neue sogenannte Pop-up-Co-Working-Spaces eröffnet. In Falkenstein und Auerbach im Vogtland laufen diese Spaces in einem neunmonatigen Testbetrieb. Bis Ende November 2023 sind alle Bürgerinnen und Bürger dazu eingeladen, vorbeizukommen und das Co-Working als alternativen Arbeitsort kostenlos auszuprobieren. Bei diesem Projekt wird der Betrieb zumindest in der Testphase vom Anbieter Worqs übernommen. Einen quasi umgekehrten Weg sieht Tobias Rappers vom Maschinenraum: „Gerade für regional oder ländlich verortete Unternehmen bedeutet es eine große Recruiting-Chance im War for Talents: Wenn ich Talenten die Wahl gebe, aus einem Co-Working-Space in Berlin oder München arbeiten zu können, kann das attraktiver sein, als einen Umzug vorauszusetzen.“
Bedarf dürfte weiter steigen
Die nähere Zukunft wird zeigen, wie sich die Angebotsseite bei Co-Working-Spaces weiterentwickelt. Die Corona-Pandemie hat einerseits dem ganzen Thema Home- und Remote Office einen großen Schub gegeben – andererseits fehlten den Anbietern dadurch lange Einnahmen aus der Vermietung von Besprechungs- und Eventflächen. Da Beschäftigte aber verstärkt Forderungen stellen nach flexiblen Arbeitsorten und wenig Sympathie für starre Zeiten in den Büros der Firmenzentralen haben, sollten die Co-Working-Anbieter eine gute Auslastung erreichen können. „Es kommt immer auf das richtige Konzept an. Es geht bei erfolgreichen Spaces immer um die Mischung aus einer guten Auslastung, möglichst geringen Fixkosten und der guten Verankerung im regionalen Netzwerk“, so Kollewe.