Bildnachweis: neosfer.
2013 startete die Commerzbank mit dem main incubator ihr CVC-Geschäft, im letzten Jahr wurde der Frühphaseninvestor zu neosfer. Mit dem neuen Namen wandelte sich auch das Geschäftsmodell.
VC Magazin: Was hat sich seit der Umbenennung in neosfer vor etwas mehr als einem Jahr in Ihrem Haus verändert? Welche Beweggründe haben zu der Neuausrichtung geführt?
Lais: Die Idee, den main incubator in neosfer umzubenennen, ergab sich aus unserem Fokus auf die Themenschwerpunkte Digitalisierung und Nachhaltigkeit – zweifellos entscheidende Treiber unserer Zeit. Wir sind davon überzeugt, dass beide Trends nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, sondern Hand in Hand gehen. Seit unserem Renaming 2022 hat sich das Unternehmen stark weiterentwickelt: Unser Start-up-Portfolio wächst, wir gewinnen mehr und mehr Talente für unser Team und fahren eine klare Linie in Sachen Wissenstransfer.
VC Magazin: Welche Rollen spielen Nachhaltigkeit und Impact bei Ihren Investments?
Werner: Unternehmen jeder Größenordnung können das Thema Nachhaltigkeit in ihren Geschäftsmodellen heutzutage nicht mehr ausklammern. Bei unseren Investitions-entscheidungen spielt das eine wichtige Rolle. Darüber hinaus tragen wir mit eigenen Projekten dazu bei, Unternehmen auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen. Sehen wir uns einmal die Impact Solutions-Plattform an: Aus der Idee, mittelständische Unternehmen und innovative Start-ups mit nachhaltigen Lösungen auf einer Plattform zusammenzubringen, wurde ein marktreifer, digitaler Marktplatz, der über 80 Greentechs und KMU vernetzt. Die Plattform findet heute in der Commerzbank Anwendung – diese Art der Kooperation ist derzeit einzigartig.
VC Magazin: Die Fintech-Branche hat viele wachstumsstarke Jahre hinter sich und erlebte
zu Beginn 2022 einige Einbrüche. Welche Gründe machen Sie dafür aus, wie sehen Sie das gesamte Segment derzeit aufgestellt?
Lais: In den letzten Jahren war der Venture Capital-Markt vor allem durch ein hohes Angebotan Kapital geprägt, insbesondere aufgrund der niedrigen Zinsen. Es entstand ein großer Investitionsdruck bei den Investoren, was äußerst hohe Bewertungen der Start-ups zur Folge hatte. Das führte dazu, dass der Fokus bei der Analyse von Geschäftsmodellen auf Wachstum und der Wahrscheinlichkeit lag, dass eine weitere Finanzierungsrunde zustande kommt. Durch das veränderte wirtschaftliche Umfeld (Zinsanstieg, Ukrainekrieg, gestörte Lieferketten et cetera) haben sich die Börse, und damit auch die Bedingungen für IPOs, negativ entwickelt – bis zu dem Punkt, dass IPOs aktuell nicht mehr möglich sind. Late Stage-Investoren haben daher ein beschränktes Exit-Umfeld. Daraus resultiert die Vorsicht bezüglich neuer Investitionen. Und es zeigt sich, dass Investoren wieder deutlich mehr Wert auf die Substanz des Geschäftsmodells legen. Es geht weiterhin um Investments in stark wachsende, skalierbare Unternehmen. Allerdings rückt der Weg Richtung Profitabilität wieder mehr in den Fokus.
VC Magazin: Wie sieht Ihr Portfolio derzeit aus? Wie gehen Sie bei Ihren Investments mit den aktuellen Herausforderungen um?
Werner: Neosfer hat aktuell 25 Start-ups im Portfolio. Mit unseren Investments konzentrieren wir uns auf Frühphasen-Start-ups aus den Bereichen B2B, SaaS und Fintech. Kürzlich haben wir uns beispielsweise als bestehender Investor an der Folgefinanzierung von Squake beteiligt. Mit seinem Schwerpunkt auf Dekarbonisierung widmet sich das Start-up einem Geschäftsfeld, das für den Kampf gegen den Klimawandel von entscheidender Bedeutung ist – und passt somit perfekt in unser Portfolio. In unserer Investmentstrategie sind für uns mehrere Faktoren relevant. Unser Ziel ist es, Start-ups über die Frühphase hinaus durch eine zweite oder dritte Finanzierungsrunde zu begleiten. Die Geschäftsmodelle der Start-ups sollten außerdem in das Ökosystem der Commerzbank integriert werden können.
VC Magazin: Welche Chancen sehen Sie in der aktuellen Lage für CVCs, wie beurteilen Sie den CVC-Markt?
Lais: CVCs sind gerade in Krisenzeiten ein wichtiger Partner für Start-ups, Unternehmen und Investoren, denn sie können aufgrund ihrer Struktur langfristig agieren und sind daher ein stabiler Anker für Unternehmen und Start-ups. Mit unseren Investments befähigen wir Startups, sich auf ihr Wachstum zu konzentrieren. Wir sind aber nicht nur ein sicherer Investor in Krisenzeiten, sondern auch Partner und Berater. Wir übernehmen Beiratsposten, sind Sparringspartner für die Gründer. In frühen Phasen sind die Aufgaben junger Unternehmen oft vergleichbar: Sie kennen ihr Produkt, die Technologie dahinter und den Markt, auf dem sie sich bewegen, sehr genau – der Aufbau eines Unternehmens, Mitarbeiterführung und insbesondere die Finanzierungsrunden sind aber oft neu und teilweise eine Blackbox. Hier kommen wir ins Spiel: Aus der Zusammenarbeit mit uns ergeben sich Synergien für Start-ups. Unser langjähriges Investorennetzwerk hilft dabei, Finanzierungsrunden zu planen.
VC Magazin: Welche Rolle spielen Corporates in krisenbehafteten Zeiten für Start-ups?
Werner: Start-ups haben durch neosfer, mit einem starken Corporate im Rücken, die Chance, über eine Kooperation in der Commerzbank zum Einsatz zu kommen und Zugang zum großen Kundenportfolio der Bank zu erhalten. In krisenbehafteten Zeiten ist das ein enormer Wettbewerbsvorteil.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zu den Interviewpartnern:
Matthias Lais und Kai Werner sind Geschäftsführer bei neosfer, Frühphaseninvestor und Innovationseinheit der Commerzbank-Gruppe. Gemeinsam mit ihrem Team untersuchen sie wirtschafts- und gesellschaftsrelevante Zukunftstechnologien, fördern und entwickeln nachhaltige, digitale Lösungen und bringen diese gewinnbringend in die Commerzbank und zu ihren Kunden.