Kollaboration ist Trumpf

Impulse für Familienunternehmen

Christian Mohr, UnternehmerTUM
Christian Mohr, UnternehmerTUM

Bildnachweis: UnternehmerTUM.

Ob Digitalisierung, Aufbau von Innovationsprozessen oder der Umgang mit dem
Klimawandel: Viele Themen können gemeinsam mit Start-ups oder anderen Unternehmen mit modernen Ansätzen, schnell und kostengünstig gelöst werden. Doch warum gibt es dann so viele Einzelkämpfer?

62% der mittelständischen Unternehmen haben keine Strategie für ihre digitale Transformation – und planen dies auch nicht zu ändern. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Technischen Universität München (TUM), die 370 Unternehmen in der repräsentativen Region Heilbronn-Franken befragte. Nur ein Viertel der befragten Unternehmen versucht, mit digitalen Technologien Innovationen zu entwickeln oder neue Geschäftsmodelle und weitere Märkte zu erschließen. Nur 2% nutzen künstliche Intelligenz. Ohne eine klare Zielvorstellung und gute Planung steht die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Das sehen auch die Experten der TUM so. Bei der Digitalisierung geht es nicht nur darum, analoge Prozesse durch digitale Werkzeuge zu ergänzen, sondern vielmehr um eine tiefgreifende Veränderung von Geschäftsmodellen und Märkten, die Unternehmen jeder Größe treffen. Noch ein weiteres Ergebnis lässt aufhorchen: Die meisten Unternehmen behaupten sich allein. Nur wenige kollaborieren mit anderen Betrieben oder holen sich externe Expertise etwa von Beratungen oder Hochschulen ins Haus.

Kräfte bündeln

Etablierte Unternehmen jeder Größe profitieren vom Austausch in Innovationsökosystemen mit Forschung, Start-ups, anderen Unternehmen, Kapitalgebern und der Politik. Hier erhalten sie wertvolle Impulse im Austausch und finden die richtigen Kontakte mit Innovations- und Technologie-Know-how. Im Innovationsökosystem von UnternehmerTUM in München sind 300 Unternehmenspartner verbunden, etwa BayWa, BMW, Festo, Infineon, Knorr-Bremse, Linde, SAP, Siemens, darunter über 250 familiengeführte Unternehmen. Auch abseits der klassischen Start-up-Hochburgen Berlin und München tut sich viel. Positive Beispiele dafür sind die Campus Founders in Heilbronn oder das HPI Potsdam. Die Zusammenarbeit mit Startups erlaubt Unternehmen, neue Innovationspfade mit einem geringen unternehmerischen Risiko zu beschreiten und damit Zukunftsmärkte frühzeitig zu besetzen. Kontakte können über Netzwerkveranstaltungen sowie Inkubations- und Accelerations-Programme für Start-ups geknüpft werden oder gezielt über Vermittler im Ökosystem. Die Initiative FamilienUnternehmerTUM etwa begleitet familiengeführte Unternehmen dabei, passende Start-ups als Partner im Ökosystem von UnternehmerTUM zu identifizieren.

Mit Start-ups außerhalb der Box arbeiten

So geschehen bei Tox. Seit 1941 entwickelt und produziert das mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg Markendübel und Befestigungssysteme mit hoher Verarbeitungsqualität. Zur schnellen Objekterkennung verschiedener Schrauben in der Eisenwarenabteilung, die sich oft nur durch Kleinigkeiten wie die Länge im Millimeterbereich unterscheiden, möchte das Unternehmen eine softwaregestützte Lösung entwickeln. Einen passenden Kollaborationspartner fand es mit Deevio, einem Berliner KI-Start-up, das 2022 an UnternehmerTUMs Accelerations-Programm TechFounders teilnahm. Das Gründungsteam entwickelte KI-gestützte Bildverarbeitungssoftware, die Qualitätsunterschiede in der Produktion erkennen kann: bei Automobilteilen, Pharmastoffen, Verpackungen und eben Werkzeugen wie den Schrauben von Tox. Innerhalb weniger Wochen bauten sie gemeinsam einen fertigen Prototypen, der im Test 100% der Artikel korrekt erkennt und den Endkunden am Regal schnell zum richtigen Artikel führt. Besonders der neue Ansatz, die schnelle Umsetzung und die im Vergleich zu eingesessenen Ingenieurbüros niedrigen Kosten überzeugten Tox, künftig weiter zu kooperieren.

Branchenführer von Morgen begleiten

Eine weitere Form der Kollaboration bieten Start-up-Investments. Neben der lukrativen Renditechance begleiten Unternehmen Gründer von Anfang an auf ihrem Weg vom jungen innovativen Unternehmen zum Branchenführer. Das Investment kann entweder über einen Fonds oder direkt erfolgen. Der Vorteil eines Fondsinvestments besteht darin, die Venture Capital-Welt kennenzulernen, Kontakte aufzubauen und mit Experten für Investition und Exit zusammenzuarbeiten. So geschehen beim Hersteller für Reinigungsgeräte Kärcher. Das Familienunternehmen gründete mit Kärcher New Venture eine eigene Investitionseinheit und stieg mit einem Fondsinvestment bei UVC Partners ein. Mit der Zeit kamen weitere Direkt-investments hinzu. Neben Kärcher investierten mehr als 100 Familienunternehmen 140 Mio. EUR in den vergangenen zehn Jahren in Start-ups bei UnternehmerTUM. Der Fokus liegt auf B2B-Tech-Gründungen, gerade im KI- und Softwarebereich. Das Portfolio umfasst führende Unternehmen wie Flix, Vimcar, planqc, Tanso, Isar Aerospace, Twaice, DeepDrive, Stabl und viele mehr.

Fazit

Ob Projektkooperation oder Investments: Ökosysteme aus Start-ups, Forschungs-einrichtungen und anderen Unternehmen setzen gezielt Impulse. Der Aufbau dieser Beziehungen braucht Zeit, doch er lohnt sich. Verantwortliche können aber gezielt an Programmen und Netzwerkveranstaltungen teilnehmen oder sich in bestehende Ökosysteme
an der Schnittstelle zwischen Universitäten und Start-up-Szene einbringen. Dann kämpft auch kein Unternehmen mehr allein.

Zum Autor:

Christian Mohr ist Geschäftsführer bei UnternehmerTUM und Initiator von FamilienUnternehmerTUM. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der Begleitung von familien-geführten Unternehmen in den Bereichen Innovation, Technologie und Ökosysteme.