Bildnachweis: NRW.Bank, BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen, Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz.
Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz haben Unternehmern und Investoren einiges zu bieten. Sie liegen zentral in Europa, verfügen über eine hervorragende Verkehrs- und Logistikinfrastruktur, sind sehr gut an nationale und internationale Märkte angebunden. Sie verfügen über große wirtschaftliche Vielfalt von Branchen und Wirtschaftszweigen und Zugang zu spezifischen Netzwerken, Ressourcen und Kooperationsmöglichkeiten.
Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland, sondern auch industriell sehr divers aufgestellt, insbesondere in Bereichen wie Maschinenbau, Chemie, Energie und der Automobilindustrie. Die NRW.Bank als landeseigene Förderbank ist die wichtigste Anlaufstelle für Unternehmer auf der Suche nach Förder- und Finanzierungs-möglichkeiten. Die Bank investiert Eigenkapital in Unternehmen, die zumindest einen Fuß in NRW haben. Zu den Beteiligungen zählen unter anderem talpasolutions aus Essen, ein Anbieter einer Predictive Analytics-Lösung für industrielle Schwerfahrzeuge, oder Hemovent aus Aachen, die eine neue, tragbare Herz-Lungen-Maschine entwickelt haben. Anfang 2023 startete die NRW.Bank ihren mittlerweile vierten Frühphasenfonds mit 150 Mio. EUR Volumen. „Wir investieren über den gesamten Lebenszyklus von Unternehmen“, sagt Dr. Claas Heise, Executive Director im Bereich Venture und Seed Capital, „von der Seed-Runde bis zu Buy-out und Turnaround sowie in Venture-Fonds, um das Ökosystem zu stärken.“ Das Finanzierungsangebot für Gründer habe sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt, so Heise, besonders durch eine wachsende Zahl von Corporate Venture Capitalisten und Frühphasenfonds und durch neue öffentliche Förder- und Beteiligungsprogramme. Über NRW.SeedCon beispielsweise können junge Unternehmen bis zu drei Jahre Wandeldarlehen in Höhe von maximal 200.000 EUR erhalten. Auch in der Wachstumsphase sei das Kapitalangebot gewachsen, so Heise, doch es bestehe noch eine Lücke: „Der Bedarf wird überwiegend durch Investoren aus UK, den USA und Asien gedeckt.“ Besonders in der aktuell kriselnden Wirtschaftslage werde der Mangel an europäischem Wachstumskapital deutlich. „Es gibt bereits Aktivitäten, um das Kapitalangebot für die Later Stage zu erweitern, doch solche Strukturen müssen wachsen, und da können zehn bis 15 Jahre vergehen“, erklärt Heise weiter.
Multizentralität als Stärke
Im Vergleich mit anderen Bundesländern ist NRW besonders durch Multizentralität geprägt. Das zeigt sich zum Beispiel in der Hochschullandschaft, die sich auf insgesamt 26 Städte verteilt, mit Universitäten wie der Technischen Universität Dortmund oder der Bergischen Universität in Wuppertal. „Während Städte wie Berlin oder München sehr viele Aktivitäten in einem großen Einzugsbereich vereinen, hat NRW mit Städten wie Köln und Düsseldorf oder dem Ballungsraum Ruhrgebiet viele Zentren mit unterschiedlichen Stärken“, so Heise. Aachen und Dortmund etwa sind stark in Bereichen wie Medizin und Lasertechnik, Düsseldorf ist im Pharma- und Konsumgüterbereich gut aufgestellt und Gelsenkirchen, Bochum, Bonn wiederum stark in Tech-Feldern wie Cybersecurity. Aachen und Siegen entwickeln sich zu Hubs für das Quantencomputing, die IT-Infrastruktur der Zukunft.
Die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) mit Städten wie Bielefeld und Paderborn wiederum ist von mittelständischer Industrie geprägt, mit zahlreichen Hidden Champions und Weltmarktführern. Das Ruhrgebiet mit seiner besonderen wirtschaftlichen und kulturellen Vielfalt werde zunehmend als eine Region wahrgenommen, in der sich die Stadtgrenzen auflösten, so Heise. So arbeiteten immer mehr Städte im Ballungsraum mit Förderangeboten wie dem ruhrHub und Unternehmerinitiativen zusammen. „Die Politik unterstützt Innovationen in NRW seit Jahren“, berichtet Heise, und auch die neue Landesregierung, die seit knapp einem Jahr im Amt ist, führe diese Linie fort.
Hessen auf dem Weg zum Start-up-State
Ebenfalls stark, doch thematisch etwas anders gelagert ist das Land Hessen. Mit dem Frankfurter Flughafen hat das Bundesland einen der wichtigsten europäischen Verkehrsknotenpunkte. Die Rhein-Main-Region mit der Landeshauptstadt Wiesbaden und der Bankenmetropole Frankfurt hat den Schwerpunkt im Finanz- und Dienstleistungssektor. Sie ist ein exzellenter Standort für Fintech-Start-ups und allgemein ein Anlaufpunkt für Unternehmen, die Wachstumskapital suchen. Hier finden Gründer auch ein starkes Business Angels-Umfeld. Gleichzeitig ist Hessen stark in den Bereichen Hightech und Forschung. „Mit der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und der Frankfurt School of Finance ist Frankfurt zum Beispiel in den Geistes- und Finanzwissenschaften bestens aufgestellt, die Technische Universität Darmstadt ist eine der führenden Universitäten in Technologiefeldern wie Elektrotechnik, Hardware, Software, Robotik und künstlicher Intelligenz“, sagt Dr. Steffen Huth, Geschäftsführer der BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen mbH. Entlang des Rheins ziehen sich Industrie und produzierende Gewerbe. „Hier haben wir viele Ansatzpunkte für Start-ups, die zum Beispiel Partner für die Entwicklung oder bestimmte industrielle Absatzmärkte suchen.“ Entsprechend stark ist auch die Start-up-Szene. Energy Robotics aus Darmstadt, ein Portfoliounternehmen der BMH, entwickelt End-to-End-Lösungen für autonome Roboterinspektionen, IoT Venture ist ein Anbieter von GPS Tracking-Lösungen. Bei Emma Matratzen, das erfolgreich an die Haniel Gruppe verkauft wurde, war BMH Investor der ersten Stunde. „Im vergangenen Jahr hat Emma an die 800 Mio. EUR Umsatz gemacht“, so Huth, der sich über die Erfolgsstory freut. BMH investiert standortgebunden in Hessen, für die Beteiligung genügt mitunter eine Niederlassung. Über mehrere Fonds ist BMH an knapp 200 Unternehmen beteiligt, von Early Stage-Start-ups bis zum etablierten Mittelstand. „Derzeit machen wir etwa 75 Finanzierungen pro Jahr“, sagt Huth, „und wir sind der landesweit aktivste Frühphasenfinanzierer.“ 2022 gab es besonders viele Seed-Investments – ein gutes Zeichen für die Zukunft. Huth beobachtet auch zunehmend internationale Wagniskapitalinvestoren in der Region und begrüßt diese Entwicklung: „Wir wollen mehr Venture Capitalisten, die bislang nur Berlin und München im Auge haben, nach Hessen holen.“ Hessen sei später als Berlin gestartet, doch mittlerweile stehe die Start-up-Förderung auch hier ganz oben auf der politischen Agenda, so Huth: „Wir wollen Hessen zum Start-up-State machen.“
Life Sciences und Umwelttechnologie in Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz ist als Stammsitz des weltweit größten Chemieunternehmens einschlägig geprägt. Die innovativen Schwerpunkte liegen entsprechend in Bereichen wie Umwelt-technologie, Biotechnologie, Healthcare und Life Sciences. „In den aktuellen Zeiten zunehmender Knappheit sind Start-ups gefragt, die helfen, Ressourcen zu schonen, und Wege zur Nachhaltigkeit bieten“, so Mike Walber, Leiter Venture Capital-Beteiligungen, bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), „weitere Wachstumsmärkte sehen wir im Bereich der Cloud-Lösungen und Software as a Service-Modellen.“ Die ISB verwaltet insgesamt zwölf aktive Venture Capital-Fonds mit einem Beteiligungsvolumen von mehr als 120 Mio. EUR, um technologieorientierte Start-ups beim Unternehmensaufbau zu unterstützen. „Aktuell befinden sich 157 Unternehmen mit einem Beteiligungsvolumen von rund 123 Mio. EUR in unserem Portfolio“, sagt Walber. Zu den Beteiligungen der ISB zählen unter anderem lawcode aus Koblenz, Entwickler eines Hinweisgebersystems für Unternehmen und Organisation, sowie inventied aus Kaiserslautern, Hersteller eines modularen Ladungsträgersystems für Rettungs- und Katastrophenschutzsituationen. Die beiden wichtigsten Venture Capital-Fonds sind der Innovationsfonds Rheinland-Pfalz und der Innovationsfonds Rheinland-Pfalz II mit einem Volumen von rund insgesamt 68 Mio. EUR, die vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mitfinanziert werden. „Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit anderen Banken und Partnern regionale Fonds aufgelegt, die gezielt in junge Unternehmen aus der jeweiligen Region innerhalb von Rheinland-Pfalz investieren“, so Walber. Derzeit laufen die Planungen für die Auflage der dritten Generation Innovationsfonds Rheinland-Pfalz. Das Zielvolumen soll 50 Mio. EUR betragen.
Internationale Vernetzung
Mit der Vielfalt der Wirtschaftszweige, erstklassigen Forschungs- und Entwicklungs-einrichtungen, Zugang zu Talenten und Finanzierungsmöglichkeiten und Kooperationsmöglichkeiten mit etablierten Unternehmen bietet der deutsche Westen erstklassige Standorte für Start-ups und Unternehmer. Auch die Anbindung an angrenzende europäische Märkte sowie Logistik und internationale Transportmöglichkeiten können besonders für produzierende Unternehmen interessant sein. Für die Zukunft wünscht sich Heise, dass die angestoßenen öffentlichen Initiativen von EU und Bund wie der Zukunftsfonds nun zügig umgesetzt werden, damit der Westen für Unternehmer weiter an Attraktivität gewinnt. Außerdem sieht Heise große Chancen in stärkerer internationaler Integration: „Unsere grenznahe Lage ist ein echter Standortvorteil – darum wollen wir die Verbindungen zu unseren Nachbarn wie zum Beispiel den Niederlanden und Belgien pflegen und weiter ausbauen.“