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Rückläufige Investitionszahlen spiegeln die aktuelle Stimmung vieler Teilnehmer im Venture Capital-Markt wider. Die MIG Fonds haben entgegen diesem Trend im ersten Halbjahr in Look Up Space, AMSilk, talpasolutions, mbiomics und APK investiert.
VC Magazin: Viele Wagniskapitalinvestoren glänzen durch Zurückhaltung. Sie haben im ersten Halbjahr 2023 fünf Investments getätigt. Wie kompetitiv erleben Sie den Markt im Bereich der Folge- und Wachstumsfinanzierungen?
Michna: Die Kassen vieler Fonds sind zwar gut gefüllt, doch die allgemeine Unsicherheit durch Inflation, Zinswende und fehlendes Wachstum ging an der Venture Capital-Branche nicht spurlos vorbei. Stabilität im Portfolio war deshalb in den vergangenen 18 Monaten Trumpf. Inzwischen sehen wir aber, dass die Innovationsleistung auch in diesen schwierigen Zeiten anhält und für einen sehr guten Dealflow sorgt. Unser Fokus liegt daher wieder verstärkt auf neuen Investitionen. Bis jetzt haben wir dieses Jahr drei spannende neue Start-ups in unser Portfolio aufgenommen. Es gibt Anzeichen dafür, dass dieser vorsichtige Optimismus ebenso bei anderen Investoren zurückkehrt.
VC Magazin: Der Gewinn liegt ja bekanntlich im Einkauf – wo sehen Sie derzeit besonders attraktive Einstiegspreise?
Michna: Vor allem B2C-, aber teilweise auch SaaS-Modelle haben in letzter Zeit gelitten. Der Kapitalbedarf ist gestiegen, gleichzeitig wurden Wagniskapitalgeber zurückhaltender. Entsprechend sind die Bewertungen dort deutlich gefallen, nachdem der Markt zuvor überhitzt war. Downrounds sind heutzutage keine Seltenheit. Für Investoren könnten sich jetzt dadurch dort interessante Opportunitäten auftun. Bei unseren Fokusthemen Deeptech und Life Sciences haben sich die Bewertungen nicht ganz so drastisch entwickelt. Durch Korrekturen ergeben sich aber auch hier Chancen, etwa in den Bereichen Medtech und Digital Health. Ausnahmen sind Hypethemen wie AI oder Cleantech, wo zum Teil große und teure Runden stattfinden. Wir achten noch stärker als zuvor auf Einstiegspreise, doch wir sind keine reinen Schnäppchenjäger. Bewertungen müssen fair sein, damit alle Parteien partnerschaftlich zusammenarbeiten.
VC Magazin: Das Portfolio der MIG Fonds war viele Jahre von Life Sciences-Unternehmen wie BioNTech dominiert. Zuletzt haben Sie vermehrt durch Deeptech-Investments aufhorchen lassen – ein Strategiewechsel?
Michna: Auch wenn die Life Sciences-Deals durch die Strahlkraft von BioNTech in der Vergangenheit prominenter waren, setzt MIG schon seit der Gründung auf Diversifizierung und eine ausgewogene Balance zwischen Life Sciences und Deeptech. Tatsächlich entfallen die 52 Unternehmen, in die wir bis jetzt investiert haben, jeweils fast hälftig auf die beiden Bereiche. Mit Beteiligungen wie Siltectra oder Nfon konnten wir erfolgreiche Deeptech-Exits feiern. Deshalb verfolgen wir weiterhin einen mehrgleisigen Investitionsansatz. Hinzu kommt die Konvergenz der beiden Bereiche. Der Einsatz von Deeptech wie AI und Quantencomputing ermöglicht Disruption in der Biotechnologie, etwa zur beschleunigten Arzneimittelentwicklung oder genaueren Diagnosen. Unser neues Life Sciences-Investment mbiomics nutzt zum Beispiel neueste Technologien der Photonik und Big Data, um das menschliche Mikrobiom zu analysieren und eines Tages individualisierte, bakterielle Therapeutika zu entwickeln.
VC Magazin: Deeptech ist ein weitläufiger Begriff. In welchen Teilbereichen sehen Sie besonders interessante Unternehmen?
Michna: Deeptech bedeutet für uns disruptive technische oder wissenschaftliche Innovationen, die großes kommerzielles Potenzial besitzen und gleichzeitig einen echten Impact für eine bessere Zukunft leisten können. Unsere Definition ist bewusst breit. Konkret gruppieren wir unsere Aktivitäten hier in die vier Themen „Advanced Computing“, „Energie- und Umwelttechnologien“, „Industrial IoT und Digitalisierung“ sowie „neue Materialien“. In all diesen Bereichen finden derzeit bahnbrechende Fortschritte statt. Durch den Hype um ChatGPT ist das Thema generative AI natürlich sehr sichtbar geworden. Wir schauen uns aber auch viele Start-ups in Photonik, Robotik sowie saubere Energieerzeugung und -speicherung an.
VC Magazin: Welches Renditepotenzial versprechen Sie sich vom Investment in den finnisch-deutschen Hersteller von Quantencomputern IQM?
Michna: IQM ist bereits heute der europäische Marktführer für die Herstellung von Quantencomputern. Die junge Branche soll laut BCG in den nächsten 15 bis 30 Jahren bis zu 850 Mrd. USD an Wert generieren. Als Challenger ist IQM in der Lage, die Googles und IBMs dieser Welt herauszufordern. Um ein konkretes Renditepotenzial zu benennen, ist es aber noch zu früh. Bis zum Exit wird noch viel passieren und viel Kapital benötigt, aber die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung sind gegeben. Zudem genießt IQM viel Unterstützung öffentlicher Institutionen. Damit sind schon früh die Weichen für eine gute Equity Story gestellt.
VC Magazin: Ende Juni haben Sie sich gemeinsam mit dem französischen Zukunftsfonds „France 2030“ an der Seed-Runde des Spacetechs Look Up Space beteiligt – ein neues Betätigungsfeld?
Michna: Spacetech ist schon länger auf unserem Radar. Isar Aerospace oder auch The Exploration Company zeigen, dass nicht nur die USA und SpaceX nach den Sternen greifen. Sofern die Finanzierung langfristig gelingt, können auch in Europa Champions entstehen. Dafür kommen Technologien wie Robotik oder Sensorik zum Einsatz, die wir bereits aus unserem Portfolio kennen. Auch deshalb passt Spacetech sehr gut zu MIG. Anfang des Jahres haben wir Look Up Space kennengelernt und waren sofort vom Team und der Idee einer Flugsicherung für den Orbit begeistert. Dass das Start-up aus Frankreich kommt, ist kein Zufall: Unsere Nachbarn nehmen bereits seit Langem eine führende Rolle in der europäischen Raumfahrtindustrie ein und stellen dafür in großem Umfang öffentliche Fördermittel zur Verfügung. Gemeinsam mit dem Team und unseren Partnern wollen wir Look Up Space nun zu einem europäischen Projekt entwickeln.
VC Magazin: Ihr aktuelles Portfolio umfasst 32 Unternehmen. Wie geht es den Companies in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten? Wo drückt der Schuh am meisten?
Michna: Das aktuelle Marktumfeld trifft natürlich nicht alle Unternehmen gleichermaßen. Viele Kunden sind zurückhaltender, die Kosten steigen, und das Finanzierungsumfeld ist und bleibt schwierig. Wenn das externe Fundraising scheitert oder zu lange dauert, müssen wir den Teams helfen, effizienter zu arbeiten und die Reichweite des vorhandenen Kapitals zu verlängern. Mit einzelnen Ausnahmen zeigt sich unser Portfolio jedoch resilient und gut diversifiziert. Gerade die Teams, die an langfristigen pharmazeutischen oder technologischen Entwicklungen arbeiten, sind von den konjunkturellen Schwankungen in der Regel weniger stark betroffen und kommen inhaltlich gut voran.
VC Magazin: Die MIG Fonds investieren als Retail-Fonds das Kapital einer Vielzahl privater Anleger. Welche Renditen haben die ersten Fonds erwirtschaftet, welche Renditeprognosen wagen Sie?
Michna: Konkrete Prognosen haben wir bislang und wollen wir auch künftig nicht abgeben. Grundsätzlich haben wir als Team den Anspruch, dass wir die Rendite von Aktienfonds mittel- bis langfristig übertreffen. Aus unserer Sicht sind VC-Fonds eine sinnvolle Beimischung im Portfolio vieler privater Haushalte. Gerade jetzt zeigt sich, wie volatil vermeintlich sichere Anlagen sein können. Bis heute haben einige MIG Fonds Renditen erzielt, die deutlich über dem Durchschnitt anderer Marktteilnehmer liegen. Bei Fonds, deren Performance uns noch nicht zufriedenstellt, arbeiten wir kontinuierlich daran, diese zu verbessern. Insgesamt übersteigen die 1,1 Mrd. EUR Ausschüttungen bereits bei Weitem die etwa 720 Mio. EUR Gesamtinvestitionen – und dabei arbeiten noch circa 70% des investierten Kapitals in den aktiven Beteiligungen. Es steckt also noch reichlich Potenzial im Portfolio.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Interviewpartner:
Frederick Michna ist Principal bei MIG Capital. Als Mitglied des Investmentteams bringt er dort langjährige Erfahrung aus der Venture Capital-Branche und Unternehmensberatung ein.