Bildnachweis: KfW Research.
Mit Einsetzen der Zinswende Anfang 2022 haben sich die Finanzierungsbedingungen für Start-ups verändert. Das Einwerben von Beteiligungskapital ist deutlich schwieriger geworden. Venture Debt hat als ergänzende Finanzierungsform in der Folge an Bedeutung gewonnen, und der noch recht junge Markt hat weiteren Auftrieb erfahren. Aktuelle Marktdaten legen nahe, dass auch die Pleite der Silicon Valley Bank im März dieses Jahres schnell verdaut wurde.
Die sehr hartnäckige Inflation hat seit dem vergangenen Jahr zu einer geldpolitischen Straffung in rasantem Tempo geführt. Zwar vermindert die nachlassende Inflation im Euroraum aktuell den Druck für weitere Zinsschritte – die Zeiten dauerhafter Zinsen nahe null liegen jedoch klar hinter uns. In diesem Umfeld hat sich die Finanzierung mit Venture Capital seit dem letzten Jahr schwieriger gestaltet, denn für Investoren verlieren private Beteiligungen an Start-ups im Vergleich zu sicheren Anlagen mit steigenden Zinsen an Attraktivität. Der in Deutschland und Europa noch recht junge Venture Debt-Markt hat seinen Wachstumskurs aus den Jahren zuvor dagegen fortgesetzt.
Neues Zinsumfeld verleiht Venture Debt-Markt Aufwind
Die Fallzahlen sind in dem nach wie vor recht kleinen Markt noch gering, was man bei der Interpretation der zu beobachtenden Trends berücksichtigen muss. Daten des Informations-anbieters Dealroom.co lassen jedoch auf ein starkes Wachstum bei der Venture Debt-Finanzierung in den EU-Staaten schließen. Erreichte das erfasste Dealvolumen im Jahr 2020 noch 4,6 Mrd. EUR, wurden im Jahr 2022 bereits 16,6 Mrd. EUR an Venture Debt vergeben. Setzt man dies ins Verhältnis zum Markt für Beteiligungen mit Venture Capital, zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Relevanz von Venture Debt im Finanzierungsmix von Start-ups im letzten Jahr ab. Das Verhältnis des von Dealroom.co erfassten Gesamt-volumens der Venture Debt-Deals zum Venture Capital-Markt hat sich von 20% beziehungsweise 14% in den Jahren 2020 und 2021 auf 33% im letzten Jahr deutlich erhöht. Für diesen augenscheinlichen Bedeutungszuwachs kann es mehrere Gründe geben: Aus Sicht der Startups gehen steigende Zinsen und höhere Kapitalkosten natürlich auf der einen Seite zunächst mit einer Verteuerung von Venture Debt einher. Auf der anderen Seite vermeiden Gründer mit einer Venture Debt-Finanzierung die Verwässerung ihrer Anteile und Stimmrechte. Zudem steht Venture Debt in der Regel schneller zur Verfügung und ist flexibler einsetzbar, ohne Abstimmung mit jeweiligen Kapitalgebern. Diese Vorteile kommen besonders in Zeiten zum Tragen, in denen eine Anschlussfinanzierung mit Venture Capital schwieriger zu realisieren ist. Mit dem Anstieg der Zinsen ist außerdem das Verleihen von Venture Debt aus Sicht von Kreditgebern, wie Banken und spezialisierten Fonds, attraktiver geworden. In dem noch jungen und sich recht schnell entwickelnden Markt könnte das zum Eintritt neuer Marktteilnehmer führen; bestehende Anbieter könnten ihre Aktivitäten ausweiten.
Pleite der SVB hierzulande schnell verdaut
Auch der deutsche Venture Debt-Markt reift und hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung genommen. Noch im März hatte die Pleite der US-amerikanischen Silicon Valley Bank, eines der weltweit bedeutendsten Akteure am Markt, für deutliche Verunsicherung gesorgt. Die aktuelle Datenlage zeigt jedoch, dass dieser kurzfristige Rückschlag aus dem ersten Quartal dieses Jahres schnell verdaut wurde. Mit Blick auf die Anzahl der Deals erscheint die positive Marktentwicklung mittlerweile ungebrochen. Mit 15 neuerlich gezählten Abschlüssen lag das zweite Quartal gar leicht über dem Niveau des Vorjahres.
Stärkung des bisher unterversorgten Wachstumsbereichs
Aufgrund des zu leistenden Kapitaldienstes müssen die kreditnehmenden Start-ups über ausreichend Einnahmen verfügen. Daher ist Venture Debt insbesondere für Unternehmen im Scale-up-Bereich attraktiv, die bereits ein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen können und an der Schwelle zur Profitabilität stehen. Gerade bei der Scale-up-Finanzierung besteht für das hiesige Ökosystem im internationalen Vergleich noch deutlicher Nachholbedarf. Die Weiterentwicklung des Venture Debt-Markts kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Oft fehlt es in Deutschland zudem noch an der Kontinuität im Angebot von der erstmaligen Fremdkapitalfinanzierung bis zum IPO. Staatliche Fördermaßnahmen wie das Programm Venture Tech Growth Financing (VTGF) als Baustein des Zukunftsfonds tragen zur kontinuierlichen Verbesserung des Finanzierungsangebots bei.
Zu den Autoren:
Dr. Fritzi Köhler-Geib ist Chefvolkswirtin und Leiterin der Abteilung KfW Research der KfW Bankengruppe.
Dr. Steffen Viete ist Ökonom bei KfW Research mit den Schwerpunkten Gründungen und Gründungsfinanzierung, insbesondere Venture Capital.