Bildnachweis: High-Tech Gründerfonds.
Der High-Tech Gründerfonds investiert seit 2005 in deutsche Tech-Start-ups und zählt zu den größten Seedfonds hierzulande – ein Marktüberblick.
VC Magazin: Die Kapitalbeschaffung für Start-ups scheint zunehmend schwieriger. Wie bewerten Sie das aktuelle Finanzierungsumfeld im Frühphasensegment?
Von Frankenberg: Man muss verschiedene Aspekte betrachten. Zum einen werden nie 100% aller Firmen auf Kapitalsuche einen Investor an Bord holen können, schlichtweg auch, weil sich manche dafür nicht eignen. In der ganz frühen Phase gibt es wahrscheinlich einen großen Teil der Gründungen, die nicht das Potenzial für eine Venture Capital-Finanzierung haben. Daher wird es immer Stimmen geben, die einen Mangel an Kapital kritisieren. Außerdem vergleichen wir derzeit mit dem extremen Boomjahr 2021, somit ist die Lage natürlich schlechter. Schaut man allerdings auf die längere Vergangenheit oder durchaus auch auf 2022, sehen wir, dass 2023 mit hohen Seed- und auch Series A-Finanzierungsrunden mithalten kann. Letztlich lief das Fundraising vieler Fonds sehr gut, es ist ausreichend Kapital vorhanden, und es gibt im Frühphasensegment viel Wettbewerb.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie das Engagement ausländischer Investoren?
Schnelle: Der Prozentsatz der ausländischen Investoren, die in unser Portfolio investieren, ist im Vergleich zu den Vorjahren nochmals gestiegen. Es wird generell sehr stark auf die Performance geschaut, auch bedingt dadurch, dass sich die deutschen Kapitalgeber etwas stärker zurückhalten. Das liegt auch daran, dass das Bewertungsniveau in der Seed-Phase weiterhin hoch ist und die Series A-Investoren nicht bereit sind, nochmals hohe Wertsprünge zu zahlen, wenn die Entwicklung der Start-ups nicht überragend ist.
VC Magazin: Die Statistiken zeigen vor allem bei späteren Finanzierungsrunden schwierige Marktbedingungen. Wie nehmen Sie diese Situation wahr?
Von Frankenberg: Wir haben zuletzt ein paar sehr große Anschlussfinanzierungen kommunizieren können. In Summe werden wir wahrscheinlich das zweitbeste Jahr bei den Volumina haben. Ausländische Investments boomen, Business Angels sowie deutsche Venture Capital-Geber sind etwas verhaltener. Es fehlt hier nicht zwingend an Kapital, sondern Grund für die zurückhaltende Finanzierung sind eher eine zu hohe frühere Bewertung oder eine Performance der Start-ups, die nicht zu den recht hohen Bewertungen der Vergangenheit passt.
VC Magazin: Welche weiteren Investorengruppen erleben Sie aktuell als aktiv?
Von Frankenberg: Neben den ausländischen Venture Capital-Fonds sind auch die öffentlichen Investoren sehr aktiv. Bayern Kapital und bm|t haben neue Fonds geraist oder investieren große Tickets aus Wachstumsfonds. Auch die NRW.Bank ist in Nordrhein-Westfalen stark, ebenso hat der DeepTech & Climate Fonds (DTCF) die Geschäfte aufgenommen. Hier sehen wir reichlich Bewegung.
VC Magazin: Der HTGF investiert breit gefächert in Tech-Start-ups. Welche Branchentrends nehmen Sie derzeit wahr?
Schnelle: Wir suchen nach den besten Themen, die sich perspektivisch auch für gute Verkäufe eignen. Diese finden sich nach wie vor in den Bereichen Cybersecurity und künstliche Intelligenz. Quantencomputing ist darüber hinaus ein sehr spannendes Feld, in dem wir Expertise aufgebaut haben; ebenso ist Spacetech ein relativ junger Bereich. Eine wichtige Rolle spielt auch Climatetech, das es als Cleantech schon sehr lange gibt, aber in letzter Zeit wesentlich stärker in den Fokus gerückt ist. In diesem Segment werden jetzt Business-modelle Realität, die wir bereits vor zehn Jahren diskutiert und auch finanziert haben. Hier zeigt sich deutlich, wie lange manches dauern und welche Beschleunigung es dann aber auch plötzlich einnehmen kann. Das verdeutlichen auch die weiterhin hohen Multiples in dem Segment beim Exit.
VC Magazin: Wie bewerten Sie die Exit-Situation in diesem Jahr generell?
Von Frankenberg: Es ist besser als zunächst gedacht. Unsere Prognose sah fünf bis zehn Exits vor und wir stehen jetzt vor dem elften. Das zeigt, dass der Markt nicht komplett eingebrochen ist, nur sind die Rückflüsse kleiner geworden. Über alle Fonds hinweg werden wir etwa 40 Mio. EUR an unsere Investoren ausschütten können; im letzten Jahr waren es noch 120 Mio. EUR. Auffällig ist zudem, dass die größeren Exits ab 20 Mio. EUR Kaufpreis zu knapp 80% ins Ausland gehen. Hier zeigt sich, vorsichtig gesagt, eine müde deutsche Industrie. Die Käufer sind häufig ausländische Private Equity-finanzierte Unternehmen, und solche finanzstarken Käufer aus dem Private Equity-Umfeld gibt es hierzulande nicht. Um langfristig unabhängige Marktführer aufzubauen, bräuchten wir in Deutschland eine funktionierende Börse – das fehlt seit 20 Jahren und hat sich nie richtig entwickelt.
VC Magazin: Sie konnten im März Ihren bislang höchsten Fonds mit mehr als 493 Mio. EUR closen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Von Frankenberg: Wir haben insgesamt 45 private Investoren gewinnen können, darunter erstmals fünf Family Offices und 29 mittelständische Unternehmen. Das zeigt eine leichte Verschiebung in Richtung Mittelstand. Wir haben bereits in 35 Unternehmen investiert – und das passt zu unserem Investitionsziel mit 40 Start-ups pro Jahr.
Schnelle: Durch den großen Fonds haben wir mehr Power und können bis zu 4 Mio. EUR pro Unternehmen investieren. Das ist eine wichtige Botschaft an die Start-ups, die deutlich macht, dass wir weiterhin ein relevanter Marktteilnehmer sind.
VC Magazin: Was muss ein Start-up mitbringen, damit es für den HTGF ein spannender Case wird?
Schnelle: Uns leitet das Credo: Problem sucht Lösung und nicht etwa Lösung sucht Problem. Das Team steht im Mittelpunkt unserer Due Diligence. Kann es Entwicklungsschritte meistern, passt die Komplementarität? Stimmen Vision und das Ambitionsniveau? Wichtig ist uns eine klare und offene Kommunikation. Marktgröße, Marktdynamik, Verhalten der Marktteilnehmer et cetera sind weitere wichtige Fragen. Wie wird Geld verdient? Wie sieht das Geschäftsmodell aus? Welches Wachstumspotenzial und letztlich auch welche Exit-Optionen lassen sich denken?
VC Magazin: Über welche Kanäle sourcen Sie die Ideen?
Schnelle: Wir suchen sehr breit nach talentierten Gründerteams und Ideen. Die Kanäle sind vielschichtig: Relevante Start-up-Veranstaltungen, Events an Universitäten, Forschungs-einrichtungen sowie Jurysitze bei Inkubatoren und Challenges. Darüber hinaus kommen gute Ideen über unser breites Netzwerk. Komplettiert wird unser Sourcing durch einen datengetriebenen Workflow, über den wir die Teams aufspüren, die wir nicht auf Events oder bei Jurys treffen können. Jeder Gründer bekommt eine Antwort. Das ist uns wichtig und auch nicht selbstverständlich in der Branche.
VC Magazin: Sie sind ein divers aufgestelltes Führungstrio. Welche Rolle spielt Diversität bei Ihren Investments?
Von Frankenberg: Vor zwei Jahren haben wir die Pivotfähigkeit bei unseren Gründerteams analysiert. Hier zeigte sich, dass diverse Gründerteams deutlich fähiger sind, eine Kursänderung zu machen. Dabei geht es nicht nur um Gender, sondern vor allem um Herkunft und durchaus auch Alter. Dass ein Migrationshintergrund ein sehr wichtiger Punkt ist, sieht man am hohen Migrationsanteil bei den Gründern der großen Tech Champions in den USA. Beim Blick auf die Frauenquote macht der aktuelle Startup Monitor sichtbar, dass es bergauf geht, auch wenn unser Portfolio mit 14% unter dem Wert liegt. Das liegt aber am Tech-Bereich, in dem es weniger Frauen gibt, schlichtweg weil weniger Frauen technische Studiengänge wie Maschinenbau, Chemie oder Physik wählen. Ein extrem wichtiger Hebel, um die Diversität nachhaltig zu erhöhen, beginnt bereits in der Schule, wo sich Mädchen für viel mehr MINT-Leistungskurse entscheiden sollten.
VC Magazin: Welche Rolle messen Sie der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Sachen Fachkräftemangel für Start-ups bei und wie bewerten Sie dahin gehend den Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes?
Von Frankenberg: Der Fachkräftemangel ist ein sehr vielschichtiges Thema. Das beginnt bei der Politik, die die Entwicklung der Demografie verschlafen hat, die Unternehmenskultur spielt eine Rolle und ebenso Vergütung und Mitarbeiterbeteiligung. Sicher ist das ein relevanter Faktor und zu begrüßen, dass gerade die steuerliche Komplexität angefasst wird. Das Gesetz geht in die richtige Richtung, wird aber den Fachkräftemangel keinesfalls lösen. Ein wesentlicher Punkt ist hier die Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund, denen bislang zum Teil auch in der Schule viele Möglichkeiten noch vorenthalten werden. Hier muss angesetzt werden, denn wir verlieren an Potenzial.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zu den Interviewpartnern:
Romy Schnelle ist seit Mai 2023 Geschäftsführerin des HTGF und seit 20 Jahren Teil des Start-up-Ökosystems. Vor ihrer Zeit beim HTGF gründete sie gemeinsam mit dem mp3-Erfinder Prof. Karlheinz Brandenburg das Fraunhofer Spin-off IOSONO.
Dr. Alex von Frankenberg ist seit 2005 Geschäftsführer des HTGF und seit 2000 im Venture Capital- und Start-up-Umfeld tätig.