Bildnachweis: (c) Vireo Ventures/VC Magazin.
Ein durchwachsendes Investitionsjahr neigt sich dem Ende und die Private Equity- und Venture Capital-Branche blickt hoffnungsvoll auf 2024. In unserer Reihe „Adventsgespräche“ haben wir mit Marktkennern über ihre Erwartungen und Aussichten für 2024 sowie ihre eigene Wahrnehmung dieses Jahres gesprochen.
VC Magazin: Das Jahr 2023 geht zur Neige, wie fällt Ihr Fazit aus?
Wetzel: 2023 war ein anspruchsvolles Jahr, mit Licht und Schatten. Auf der positiven Seite stehen die Normalisierung von Einstiegsbewertungen nach den Übertreibungen der Boom-Jahre im Niedrigzinsumfeld, Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz, und auch die stärkere öffentliche Wahrnehmung unserer Kern-Investitionsthese: dass die umfassende Elektrifizierung der Welt die Voraussetzung für eine erfolgreiche Dekarbonisierung, aber auch für Resilienz des Energiesystems und langfristige Versorgungssicherheit ist. Schwierig waren und sind sicherlich das Fundraising-Umfeld, insbesondere für Emerging Manager, und die komplexe und konfliktreiche geopolitische Situation, die natürlich auch Auswirkung auf die Kapitalmärkte hat.
VC Magazin: Ein Blick auf Ihr Geschäft, was waren die Highlights des Jahres, was lief weniger gut?
Wetzel: Unser Vireo Electrification Fund hatte Ende 2022 das erste Closing, wir sind also genau zu der Zeit gestartet, als sich der Markt drehte. Wir sind sehr zufrieden mit dem Aufbau unseres Portfolios: Im ersten Jahr haben wir acht Investments in Pre-seed und Seed-Stage-Start-ups entlang der gesamten Elektrifizierungs-Wertschöpfungskette getätigt, von der Erzeugung erneuerbarer Energie über Netze, Speicher und grünen Wasserstoff, bis hin zu Anwendungen in der E-Mobilität oder der Energieeffizienz von Immobilien. Unsere Einstiegsbewertungen waren vernünftig, wir haben gemeinsam mit tollen Co-Investoren investiert, und auch für die nächsten Monate sieht unser Dealflow hervorragend aus. Die Qualität der Gründerteams und Technologien ist in unserem Marktsegment wirklich außergewöhnlich. Natürlich hat aber auch uns das schwierige Fundraising-Umfeld betroffen – insgesamt dauert es für fast jeden im Markt derzeit länger als geplant, Fonds zu füllen. Wir haben mit dem 20 Mio. EUR-Commitment des EIF und vielen anderen privatwirtschaftlichen LPs eine gute Basis geschaffen und auch genug Mittel, unser Portfolio weiter aufzubauen, sind aber weiterhin parallel im Fundraising.
VC Magazin: Die Unternehmensbewertungen bei Private Equity- und Venture Capital-Transaktionen waren größtenteils rückläufig. Ihre Prognose für 2024?
Wetzel: Die Party der irrationalen Bewertungen ist vorbei, und das ist auch gesund und gut so. Natürlich wird es durch Bewertungskorrekturen, Down-Rounds und abgesagte IPOs für manche Marktteilnehmer jetzt vorübergehend schmerzhaft, aber langfristig kann es unserer Branche nur helfen, wenn Venture-Bewertungen in einem angemessenen Verhältnis zu Umsatz- und Ertragserwartungen der Portfolio Companies stehen. Ich erwarte für 2024 keine Trendumkehr. 2023 und 2024 werden gute Vintagejahre für VC-Funds werden!
VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ins Jahr 2024?
Wetzel: Mit Optimismus bezogen auf unser eigenes Investmentgeschäft, denn wir sehen so viele gute Opportunitäten wie selten zuvor. Aber auch mit Sorge über die geopolitischen Konflikte und Kriege, antidemokratische Tendenzen, die Rolle Europas in einer veränderten Weltordnung, die Präsidentschaftswahl in den USA… und aus allen akuten globalen Herausforderungen folgend auch die Gefahr, dass die drohende Klimakatastrophe in der öffentlichen Wahrnehmung vorübergehend in den Hintergrund tritt und sich wichtige ökonomische Impulse zum Umbau des Energiesystems verspäten.
VC Magazin: Was wünschen Sie sich persönlich für das neue Jahr?
Wetzel: Wir möchten das Fundraising für unseren Fonds schnellstmöglich abschließen, um uns mit voller Kraft dem weiteren Aufbau unseres Portfolios und der Unterstützung unserer Portfolio Companies widmen zu können. Die Dekarbonisierung ist die größte Herausforderung, aber auch die größte Investitionsgelegenheit unserer Zeit, und die etablierten Player werden die benötigten technologischen Innovationen nicht aus eigener Kraft entwickeln und auf die Straße bringen. Die Voraussetzungen für Energy- und ClimateTech-Start-ups sind daher ideal, und wir möchten sie auf dem Weg vom Prototyp bis zur internationalen Skalierung begleiten.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Interviewpartner:
Mischa Wetzel ist Managing Partner bei Vireo Ventures. Die Berliner Venture Capital-Gesellschaft zielt auf Asset-Light-Technologien im Frühstadium, die die Digitalisierung und Elektrifizierung von Energiesystemen ermöglichen.