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Österreichische Start-ups sind von sinkenden Bewertungen ebenso betroffen wie die Jungunternehmen hierzulande. Welche Branchen derzeit boomen und welche Rolle der ausländische Markt spielt, berichtet Fondsmanager Dr. Christoph Haimberger.
VC Magazin: „Positiv für Neuinvestments und zurückhaltend bei Exits“ lautete Ihre Prognose für 2023 vor genau einem Jahr – Ihr Blick in die Glaskugel für 2024?
Haimberger: Der Ausblick ist eine Frage der Perspektive. Kriegshandlungen und hohe Zinsen werden im ersten Halbjahr andauern, und in den USA wird gewählt. Es wird somit wieder herausfordernd. Im Jahr 2024 werden Kostendisziplin und Kapitaleffizienz mit gezielten Wachstumsimpulsen in den Transformationsbereichen eine besondere Relevanz einnehmen. Daher ein „Double-Down“ zur Prognose vom letzten Jahr: weiterhin positiv für Neuinvestments und weiterhin zurückhaltend bei Exits.
VC Magazin: Viele deutsche Start-ups klagen über Probleme bei Folgefinanzierungsrunden und Downrounds. Deckt sich das mit dem Blick auf die österreichische Szene?
Haimberger: Die Bewertungsniveaus haben sich verändert, in Österreich ebenso wie in Deutschland. Kleinere Märkte sind dabei stärker betroffen, da die geringere Liquidität im Markt die Bewertungsniveaus noch stärker trifft. Daher unterstützen wir unsere Start-ups von Tag eins bei der Expansion. Rund 35% der Start-ups in Österreich erwirtschaftet mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Die durchschnittliche Exportquote in unserem Portfolio beträgt bereits bei Einstieg rund 46%. Zusätzlich haben wir Life Sciences-Investments mit hohem Exportpotenzial. Globales Wachstum ist unsere Antwort auf Downrounds. Wer das bisher nicht verstanden hat, der muss an die neue Realität herangeführt werden.
VC Magazin: Wir haben Sie zuletzt vermehrt bei Events in Deutschland angetroffen. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit der Nachbarländer bei Venture Capital-Investments?
Haimberger: Wir haben bereits über 300 Co-Investoren, die circa zur Hälfte aus den Nachbarländern sind. Dabei übernehmen wir entweder die Lead- oder Co-Investoren-Rolle. Wir sind recht flexibel. Mit 20 unseren Co-Investoren haben wir mehr als ein gemeinsames Engagement, mit manchen Co-Investoren sogar sechs gemeinsame Beteiligungen. Als verlässlicher Co-Investor sind wir daher nicht nur in Österreich bestens etabliert. Das macht Freude und funktioniert sehr gut. Im Jahr 2023 hatte jedes Neuinvestment zumindest einen Co-Investor aus einem Nachbarland, die meisten aus Deutschland, gefolgt von Tschechien. Sie werden den aws Gründungsfonds somit auch nächstes Jahr wieder bei vielen Events in Deutschland antreffen.
VC Magazin: Aus welchen Branchen erreichen Sie momentan die interessantesten Businesspläne?
Haimberger: Interessante Businesspläne erhalten wir aus dem KI-Bereich. Künstliche Intelligenz ist in Österreich sehr weit entwickelt, weil das Land eine florierende IT-Branche und eine starke Fokussierung auf technologische Innovationen hat. Die Firmen helfen mit KI-Lösungen, Prozesse zu automatisieren, die Effizienz zu steigern und innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und der Industrie führt zu einem stetigen Fortschritt und zu einer hohen Qualität bei der Entwicklung von anwendungsorientierten Lösungen in Österreich.
VC Magazin: Sie haben in diesem Jahr den aws Gründungsfonds 2 mit einem Volumen von mehr als 70 Mio. EUR geraist. Was sind Ihre Ziele mit dem neuen Fonds, welche Unternehmen haben Sie besonders im Fokus?
Haimberger: Der aws Gründungsfonds 2 hat großartige Unterstützung von der gesamten Start-up-Community erhalten, für die ich mich bei allen bedanken möchte. Wir konnten bereits drei Investments in unseren drei Fokusbereichen umsetzen. Es handelt sich dabei um Optimuse in unserer Kategorie „Green“, Shopstory als Investment in „Digital“ sowie Heartbeat zur Herstellung von Miniherzen in „Beyond“. Mit der Software von Optimuse wird die Dekarbonisierung von Immobilien umsetzbar – mit lediglich vier Datenpunkte je Bestandsimmobilie und Referenzkunden wie Patrizia in Deutschland. Ebenfalls starkes Wachstum konnten Shopstory und Heartbeat erzielen. Zusätzlich zu Neuinvestments konzentrieren wir uns nun auf die Verstärkung unseres Teams. Wir suchen aktuell Talente in Venture Capital, die mit uns die digitale und grüne Transformation gestalten möchten.
VC Magazin: Was sind Ihre persönlichen Wünsche für das neue Jahr?
Haimberger: Persönlich wünsche ich mir, dass wir den Glauben an die Zukunft nicht verlieren. Im Vergleich zu den USA ist für den Europäer das Glas rasch halb leer – dabei ist es in Europa noch mindestens halb voll, wenn wir uns jetzt anstrengen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Interviewpartner:
Dr. Christoph Haimberger ist Geschäftsführer der aws Fondsmanagement GmbH und zuständig für den aws Gründerfonds sowie den aws Mittelstandsfonds.