Bildnachweis: Alpine Space Ventures, Orbit.
AML, SFDR, DAC 6 – die Zahl der Abkürzungen, hinter denen Regularien für die
Venture Capital-Branche stecken, wird immer größer. Welche Themen die Branche
derzeit umtreiben und wie der Ausblick auf das kommende Jahr ausfällt, berichten
Philipp Neidel von der Fondskanzlei Orbit und Christina Kotzur vom Venture
Capitalisten Alpine Space Ventures.
VC Magazin: Der regulatorische Rahmen wird für die Venture Capital-Fonds zunehmend aufwendiger, gleichzeitig gab es in letzter Zeit viele neue First Timer am Markt. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Neidel: In den letzten fünf Jahren sind aus rechtlicher Sicht zahlreiche Pflichten für Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) hinzugekommen, unter anderem die Verschärfung der geldwäscherechtlichen Vorgaben, Einführung von Pre-Marketing-Regelungen und Vorgaben für die Ausgestaltung von Marketingmaterial, Einführung des Transparenzregisters und spätere Änderung zum Vollregister, DAC 6-Meldepflichten, die neue Jahresabschlussprüfungspflicht, das Inkrafttreten der SFDR (bezüglich Nachhaltigkeits-themen) und des Hinweisgeberschutzgesetzes (Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle). Nicht alle diese Themen treffen alle KVGs gleichermaßen, und diese Auflistung ist auch nur ein Ausschnitt der rechtlichen Rahmenbedingungen, mit denen KVGs sich seit Einführung des KAGB vor zehn Jahren beschäftigen. Dennoch scheint die Lust von Initiatoren, Venture Capital-Fonds zu errichten, nicht gebremst zu werden. Das zeigen nicht nur statistische Auswertungen, sondern auch die tägliche Praxis in der Fondsberatung. Bestandsmanager errichten Folgeprodukte und First Time-Manager ihre ersten Fonds – auch im Jahr 2023. Was die Bewältigung der regulatorischen Vorgaben betrifft, hat sich der Markt professionalisiert. Einerseits gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Dienstleistern, die sich auf Fondsthemen spezialisiert haben, andererseits sind die Fondsinitiatoren selbst unglaublich gut vernetzt und zu einem großen Teil auch gegenüber ihrem Netzwerk sehr hilfsbereit. Das alles verleiht offensichtlich den Mut, das Wagnis „Venture Capital-Fonds“ trotz der rechtlichen Hürden einzugehen.
Kotzur: Aufgrund der zahlreichen Anforderungen, die oftmals an Fonds-CFOs delegiert werden, ist gerade der Austausch in der Peergroup eine hervorragende Möglichkeit, um up to date zu sein oder auf kurzem Wege Themen lösungsorientiert zu platzieren. Aus diesem Gedanken heraus ist eine Fonds-CFO-Initiative entstanden, die beispielsweise regelmäßige Netzwerktreffen und andere Möglichkeiten zum Austausch umfasst.
VC Magazin: Welche regulatorischen oder steuerlichen Themen treibt die Branche aktuell am stärksten um? Welche sind am aufwendigsten zu meistern?
Neidel: Für die gesamte Branche lässt sich das nicht pauschal beantworten. Sicherlich hat die Einführung der regulatorischen Jahresabschlussprüfungspflicht für viele Marktteilnehmer einiges an Aufwand verursacht. Danach hat unter anderem ein Wirtschaftsprüfer zu prüfen, ob die KVG ihren Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz nachgekommen ist, und den Bericht dazu der BaFin zu übermitteln. Zunächst klingt das nicht spektakulär, denn die geldwäscherechtlichen Vorgaben waren schon vorher einzuhalten, und der Großteil der Verpflichteten hat das nach unserer Einschätzung auch gewissenhaft getan. Für viele Wirtschaftsprüfer war dieses Thema aber neu, und der teilweise angelegte Prüfungsstandard überraschte durchaus (weil er eher bei der Prüfung einer Bank mit Privatkundengeschäft sinnvoll erscheint). Ein Thema, das aktuell wohl nahezu jedes Branchenmitglied umgetrieben hat, war der Ausgang des Gesetzesvorhabens „Zukunftsfinanzierungsgesetz“. Durch die am 24. November 2023 erfolgte Zustimmung des Bundesrats wird das Gesetz nun zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Inhaltlich sieht es unter anderem die Umsatzsteuerbefreiung auf Fondsmanagementleistungen für alle alternativen Investmentfonds (AIF) vor. Damit wurde nun endlich der dringend notwendige Gleichlauf mit den anderen EU-Mitgliedstaaten erreicht.
Kotzur: Aus Sicht der betroffenen Fonds führen sicherlich die Jahresabschluss- und GWG-Prüfung, die SFDR-Umsetzung sowie der Umgang mit der Umsatzsteuer(befreiung) zu großem Aufwand. Allgemein sind die Anforderungen an Fonds-CFOs in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, da man sich intensiv mit den neuen regulatorischen Vorgaben auseinandersetzen muss.
VC Magazin: Welche Regularien bremsen aus Ihrer Sicht die Marktdynamik der Venture Capital-Fonds am stärksten aus? Welche sehen Sie und Ihre Mandaten eher unkritisch?
Neidel: Für KVGs ohne EuVECA-Registrierung war sicherlich die Belastung der Management Fee mit Umsatzsteuer ein großes Thema. Allerdings haben im Venture Capital-Bereich zahlreiche KVGs mittlerweile eine EuVECA-Registrierung, sodass der Kreis der „benachteiligten“ Marktteilnehmer begrenzt war. Ansonsten sind der internationale Vertrieb, die geldwäscherechtlichen Vorgaben und bestimmte Reportingpflichten stark regulatorisch überlagert. Größere KVGs stehen zudem vor immensen Aufgaben, wenn sie den Schritt zur Vollerlaubnis gehen wollen.
Kotzur: Grundsätzlich beanspruchen Reporting-Pflichten und die geldwäscherechtlichen Vorgaben viel Zeit bei uns. Wenn wir die Wahl hätten, würden wir bevorzugen, die Zeit wertstiftend für unsere Investoren einzusetzen.
VC Magazin: Um Nachhaltigkeit (ESG) kommt kaum ein Fonds herum – wie sehr hat sich das Thema mittlerweile eingespielt?
Neidel: Das Thema Nachhaltigkeit wird in allen neuen Fondsstrukturierungen zumindest mitbedacht. Wie stark eine Berücksichtigung erfolgt, ist aber sehr unterschiedlich. Für viele Fondsmanager sind Abkürzungen wie ESG, PAI oder DNSH und Begriffe wie Impact oder Double Materiality inzwischen geläufig geworden; das war vor zwei Jahren noch nicht der Fall. Auch hat sich das Verständnis des Rechtsrahmens (insbesondere SFDR) bei den Marktteilnehmern deutlich verbessert. Hatte man anfangs noch häufig den Eindruck, dass die Marktteilnehmer die Pflichtoffenlegungen vollständig auf die Berater „auslagern“ wollten, gibt es mittlerweile oft einen sinnvollen inhaltlichen Austausch dazu. Insgesamt befindet sich der Bereich Sustainable Finance allerdings noch in der Entwicklung, und der Status „eingespielt“ ist noch nicht erreicht.
VC Magazin: Frau Kotzur, wie haben Sie die Einführung der SFDR erlebt? Wie aufwendig erschien Ihnen der Prozess?
Kotzur: Besonders für uns als First Time-Fonds war es wichtig, hier auf die Unterstützung
der Anwälte zählen zu können, um keine Fristen für Website-Veröffentlichungen zu verpassen oder die Anpassung der Fondsunterlagen regelkonform umzusetzen. Zudem brachte die SFDR-Einführung auch Verunsicherungen mit sich, da anfangs die Konsequenzen nicht absehbar waren. Fragen lauteten etwa: Wie viel Reporting kommt auf den Fonds zu? Schaffen wir das als verhältnismäßig kleines Team?
VC Magazin: Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht aktuell vor, den Fondsstandort Deutschland zu stärken. Welchen Fondsstandort wählen Venture Capitalisten am meisten und warum?
Neidel: Wir sehen natürlich insbesondere deutsche Fondsstrukturen, weil wir zu deutschem Recht beraten. Aber auch mit Blick auf den Gesamtmarkt ist unser Eindruck, dass die Mehrheit der Fondsmanager mit Deutschlandbezug ihre Fonds in Deutschland errichtet. Daneben spielt Luxemburg eine wichtige Rolle in Europa – der Standort punktet mit flexiblen rechtlichen Rahmenbedingungen und einem dichten Netz an Dienstleistern.
Kotzur: Alpine Space Ventures hat bewusst als Standort Deutschland gewählt, da wir beim Aufbau der New Space-Branche in Europa eine führende Rolle einnehmen möchten und eben Deutschland hier ein wichtiger Standort ist. Die deutschen Universitäten, etwa die TUM, bilden großartige Ingenieure aus. Insofern war die Standortfrage schnell geklärt.
VC Magazin: Zum Abschluss ein Blick auf 2024: Was hat die Branche hinsichtlich Tax & Legal-Regulierungen zu erwarten?
Neidel: Der große Wurf ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz. Daneben wird es zum Beispiel auch einige gesellschaftsrechtliche Änderungen durch das MoPeG und möglicherweise aus steuerlicher Sicht relevante Änderungen durch das Wachstumschancengesetz geben.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über die Interviewpartner:
Christina Kotzur ist CFO von Alpine Space Ventures. Sie hat umfangreiche Erfahrung im Bereich Alternative Assets und in den letzten zwei Jahrzehnten diverse Positionen bei Fondshäusern in den Bereichen Private Equity, Venture Capital und Infrastructure besetzt.
Philipp Neidel ist Partner bei Orbit und berät Fondsmanager zu allen rechtlichen Aspekten der Fondsstrukturierung und laufenden Fondsverwaltung. Seine Mandanten sind überwiegend Venture Capital- und Private Equity-Fondsmanager.