Bildnachweis: GSK Stockmann.
Mitarbeiterbeteiligungen sind insbesondere wegen des erst sehr kürzlich verabschiedeten Zukunftsfinanzierungsgesetzes erneut Gegenstand intensiver Diskussion. Jenseits der wichtigen Themen „Dry Income“, „Besteuerungsaufschub“ et cetera stellt sich bei jedem Exit die nicht weniger wichtige Frage, wie in der Transaktionspraxis mit zumeist Virtual Stock Options(VSOP)-Programmen umgegangen werden soll. Bei den Exit-Verhandlungen nimmt dieses Thema oft einen erheblichen Raum ein.
Häufig bleibt es dabei nicht bei der Frage der technischen „Abwicklung“ solcher Programme im Zuge des Exits. Vielmehr verlangen strategische, aber auch und gerade Finanzinvestoren als Käufer oft eine zusätzliche Incentivierung der jedenfalls wichtigsten Mitarbeiter (Key Employees). Das kann über die Auszahlung der virtuellen Beteiligungen weit hinausgehen.
VSOP-Auszahlung zumeist durch die Gesellschaft
Zumeist zahlt der Käufer den gesamten Auszahlungsbetrag an die Gesellschaft, welche diesen dann an die VSOP-Berechtigten zahlt. Die Gesellschaft selbst hätte in der Regel nicht die finanziellen Mittel, um die VSOP-Berechtigten auszuzahlen. Zudem haben Letztere zumeist nur einen Auszahlungsanspruch gegen die Gesellschaft und nicht auch gegen die Verkäufer (und erst recht nicht gegen den Käufer): Denn es handelt sich in der Regel um rein virtuelle Anteile, die nur einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft begründen. Die Zahlung des Käufers an die Gesellschaft erfolgt dabei in der Regel in teilweiser Erfüllung des Kaufpreiszahlungsanspruchs der Verkäufer gegen den Käufer. Im Anteilskaufvertrag (SPA) wird zumeist ausdrücklich eine entsprechende Zahlungsanweisung erteilt. Rechtlich handelt es sich in diesem Fall um eine Zahlung der Verkäufer an die Gesellschaft im Wege eines abgekürzten Zahlungswegs. Alternativ kann der entsprechende Auszahlungsbetrag auch als Finanzverbindlichkeit der Gesellschaft vom Basiskaufpreis (Enterprise Value) abgezogen werden. Im Gegenzug leistet der Käufer nach Erlangung der Gesellschafterstellung eine Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Gesellschaft, welche den Betrag dann an die VSOP-Berechtigten zahlt.
Genaue Strukturierung sowie Abbildung im SPA
Bei alledem handelt es sich nicht um technische Feinheiten. Vielmehr sollten die Auszahlungen genau strukturiert und im SPA abgebildet werden, insbesondere um eine steuerneutrale Gestaltung sicherzustellen. Zu achten ist dabei insbesondere darauf, die Zahlung an die Gesellschaft so zu strukturieren, dass ein rechtlicher Grund hierfür besteht, zum Beispiel (i) aufgrund eines von den Verkäufern der Gesellschaft im SPA gewährten Freistellungsanspruchs bezüglich der Ansprüche der VSOP-Berechtigten gegen die Gesellschaft oder (ii) im Wege einer steuerneutralen freien Zuzahlung in die Kapitalrücklage durch den Käufer als zumeist alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft nach dem Vollzug des SPA (Closing). Denn durch solche Zahlungen soll bei der Gesellschaft kein (im schlimmsten Fall) zu versteuernder außerordentlicher Ertrag entstehen. Wichtig ist es ferner, im SPA Steuern und Sozialabgaben zu berücksichtigen, welche auf die Auszahlungen anfallen und von der Gesellschaft abzuführen sind. Allerdings ist hier die Beitragsbemessungsgrenze zu beachten. Häufig sind deshalb die hierauf abzuführenden Sozialabgaben gar nicht so hoch wie oft zunächst angenommen. In diesem Fall sollte überlegt werden, hierfür eher einen pauschalen Abzug vom Basiskaufpreis vorzunehmen, anstelle von gegebenenfalls sehr komplexen Regelungen hierzu im SPA.
Weitere Incentivierungswünsche des Käufers
Die Komplexität von VSOP-Auszahlungen und deren Abbildung im SPA kann sich noch erheblich erhöhen, wenn der Kaufpreis auf Wunsch des Käufers in mehreren Tranchen über mehrere Jahre ausgezahlt werden soll und es gegebenenfalls zusätzlich eine variable Earn-out-Komponente gibt. Bisweilen wünscht der Käufer, dass die Key Employees auch hieran beteiligt werden, selbst wenn das VSOP zum Beispiel nur eine Beteiligung der Mitarbeiter an den fixen Kaufpreisbestandteilen vorsieht und nicht auch an bedingten und/oder variablen Kaufpreisbestandteilen. Hinzu tritt oft der Wunsch des Käufers nach der zusätzlichen Zahlung eines Retention Bonus. Ferner verlangen insbesondere Private Equity-Investoren bei besonders wichtigen Mitarbeitern, einschließlich der Gründer, häufig deren (Rück-)Beteiligung an teilweise globalen Management-Incentive-Programmen (MIPs) mit einem Teil des auf diese Personen entfallenden Kaufpreises beziehungsweise VSOP-Betrags als Closing-Voraussetzung. Die „Wunschliste“ des Käufers kann auch einschließen, dass ein (zeitlich gegebenenfalls nach hinten geschobenes) Accelerated Vesting gewährt werden soll, obwohl dies im VSOP womöglich gar nicht vorgesehen ist. Das sich hieraus ergebende „Gesamtpaket“ für den jeweiligen Mitarbeiter soll häufig in entsprechenden Vereinbarungen mit den Mitarbeiten fixiert werden – oft „Retention Agreements“ genannt. Deren Abschluss ist nicht selten ebenfalls Closing-Voraussetzung.
Verkäufersicht: Dealsicherheit und angemessene Kostenallokation
Aus Sicht des Käufers sind solche Wünsche grundsätzlich verständlich: Das „Hauptasset“ sind bei noch jungen Unternehmen in vielen Fällen die Mitarbeiter selbst. Aus Sicht der Verkäufer wird das Ziel häufig sein, die sich hieraus ergebende Komplexität möglichst zu reduzieren und vor allem die Dealsicherheit nicht zu gefährden, zum Beispiel dadurch, dass einzelne Mitarbeiter den Abschluss eines Retention Agreement verweigern und somit das Closing gefährdet wird. Zudem ist zu verhandeln, ob und in welchem Umfang die Kosten der vom Käufer gewünschten zusätzlichen Incentivierung vom Käufer selbst oder – so nicht selten der Wunsch des Käufers – jedenfalls teilweise aus dem Kaufpreis gezahlt werden sollen.
Fazit
In einer idealen Welt würde aus Verkäufersicht lediglich die VSOP-Auszahlung im SPA geregelt und im Übrigen die weitere Incentivierung der Mitarbeiter dem Käufer nach dem Closing überlassen werden. Die Realität ist das in der Regel nicht. Frühzeitig sollten daher Käufer und Verkäufer die diesbezüglichen wechselseitigen Vorstellungen offen besprechen und hierüber verhandeln. Der damit verbundene zeitliche und auch kostenmäßige Aufwand sollte nicht unterschätzt werden.
Über den Autor:
Dr. Thomas Derlin, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Corporate/M&A, Venture Capital sowie Private Equity.