Bildnachweis: Trailer Dynamics, NRW.Bank.
Lkw sind ein zentraler Baustein in den weltweiten Logistikketten. Doch die Mobilitätswende hin zu nachhaltigen Antrieben und zur Nullemission kommt im Transportsektor nur schleppend voran. Bei den Antriebsarten dominiert nach wie vor der Dieselmotor: 2022 erreichten Dieselfahrzeuge bei den Lkw-Neuzulassungen in der EU einen Marktanteil von 96,9%. Laut Herstellerverband ACEA sind auf Europas Straßen insgesamt 6,2 Mio. Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen unterwegs, das durchschnittliche Alter beträgt etwa zehn Jahre. Schätzungen der EU zufolge verursachen Lkw und Busse ein Drittel der CO2-Emissionen im Straßenverkehr. Der Ausstoß soll stark verringert werden, die EU wird die Vorgaben deutlich verschärfen. Bis 2030 sollen 45% des Treibhausgases eingespart werden, bis 2040 sogar 90%.
Das Start-up Trailer Dynamics aus Eschweiler bei Aachen bringt gerade eine Innovation zur Marktreife, die helfen könnte, diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen – den eTrailer. „Um den Kraftstoffverbrauch der Diesel-Lkw zu senken und die Reichweite der batterieelektrischen Lkw zu erhöhen, setzen wir auf eine elektrisch angetriebene Achse im Trailer“, sagt CFO und Mitgründer Michael Nimtsch. „Die eTrailer-Technologie leistet damit einen signifikanten Beitrag zu Klimaneutralität und Dekarbonisierung des Güterschwerlastverkehrs.“ Die elektrifizierte Achse unterstützt im normalen Fahrbetrieb, beim Anfahren und bei Steigungen. Der eigens entwickelte elektrische Antriebsstrang umfasst eAchse, Traktionsbatterie und zugmaschinenunabhängige Echtzeitsteuerung. Das Gesamtsystem des Sattelzugs wird so deutlich gestärkt. „Unsere Tests zeigen, dass wir den Dieselverbrauch um bis zu 50% senken und die Reichweite um das Zwei- bis Dreifache erhöhen können“, so Nimtsch. Auch in Kombination mit einer batterieelektrischen Zugmaschine könne die Technologie die Reichweite deutlich steigern: „Der eTrailer wird einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung und zur Nachhaltigkeit im Straßenverkehr leisten.“
Start in Eschweiler
Zusammen mit Abdullah Jaber gründete Nimtsch das Start-up im Jahr 2018. CEO Jaber ist Erfinder der Technologie und technischer Leiter. Nimtsch wiederum hatte in seiner Karriere bereits mehrere kaufmännische Führungsrollen als CFO und CEO inne, bevor er bei Trailer Dynamics einstieg. „Zusammen mit unserem COO Jochen Mählmann ergänzen wir uns perfekt“, so Nimtsch. Da Jaber und das Kernteam schon damals in Aachen ansässig waren, zog Nimtsch kurz nach der Gründung von Bayern ins Rheinland. Als erster Investor finanzierte Nimtsch auch die Anfangsphase. Die ersten zwei Jahre wurde die Lösung komplett digital entwickelt. 2020 stieß Krone Trailer, der europaweit führende Hersteller von Lkw-Aufliegern, als strategischer Partner dazu.
Mit Wandeldarlehen durch die Pandemie
Im September 2020 investierte die NRW.Bank über ein Wandeldarlehen. „Neben Idee und Businessmodell war vor allem das Gründerteam der Grund für das Investment“, sagt Investmentmanager Patrick Nesseler. Im Rahmen der Pandemie kam es zu Projektverzögerungen sowie zum Ausfall von Kunden, Zulieferern und Kooperationspartnern.
„Durch das Wandeldarlehen als schnell umzusetzende, liquiditätsstärkende und unkomplizierte Art der Finanzierung konnte das Start-up seine Liquiditätsbasis schnell wieder stärken und den Fokus auf das operative Geschäft und die Weiterentwicklung des Produkts legen“, so Nesseler. Ein Wandeldarlehen sei auch deshalb mitunter attraktiv, weil die Bewertungsfrage zunächst in die Zukunft verschoben wird. Bereits im Sommer dieses Jahres wurde das Darlehen wieder getilgt. „Durch das starke Produkt konnte Trailer Dynamics bislang eine absolute Erfolgsgeschichte schreiben“, konstatiert Nesseler.
Tausende Vorbestellungen
„Unsere größte Herausforderung war, zu zeigen, dass das E-Kit im Trailer auch die geplanten Resultate liefert“, so Nimtsch. Mitte 2021 erbrachte das zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Personen starke Team den Proof of Concept. Mit dem Ansatz, den eTrailer als Komplettlösung anzubieten, liege man richtig. Mehrere Varianten werden zur Auswahl stehen, etwa der eMegaLiner mit besonders hohem Transportvolumen und der eCoolLiner, ein elektrifizierter Kühlsattelauflieger. Die Margen im Logistikmarkt sind eng, Kosten spielen eine entscheidende Rolle. „Wir haben den Anspruch, dass unser System TCO-Parität im Vergleich zum Standardtrailer bietet“, sagt Nimtsch, „dass also die eingesparten Energiekosten den Anschaffungspreis für den eTrailer über eine Zeitachse decken.“ Die IAA 2022 in München war für das Team ein voller Erfolg, Trailer Dynamics verbuchte Tausende Vorbestellungen. Jüngst testete die BMW Group Logistik den elektrischen Sattelauflieger im Rahmen eines Pilotversuchs in realen Einsatzszenarien und konnte dabei unter anderem 48% Dieselkraftstoff einsparen.
Ein neues Ökosystem entsteht
Laut Nimtsch steige der Druck auf Firmen, CO2-Bilanzen zu veröffentlichen und Emissionen in der Inbound- und Outbound-Logistik zu senken. „Dadurch wächst auch der Druck auf die Logistikunternehmen.“ Mit einem eTrailer könnten die Transportdienstleister die Emissionsvorgaben erfüllen und ihre Bestandsflotten länger nutzen. Und das Team denkt schon weiter. Nimtsch erwartet, dass Lkw und Trailer schon bald zunehmend verschmelzen: „Die Sattelzugmaschine wird es perspektivisch in der heutigen Form nicht mehr geben, Truck und Trailer sind als Gesamtsystem zu betrachten.“ Auch im Hinblick auf diese Entwicklung sieht er Trailer Dynamics als Pionier gut positioniert. Es gehe um mehr als Lkw-Trailer und CO2: „Hier entwickelt sich ein ganz neues Ökosystem, mit Ladeinfrastruktur, Fleet Management und neuen Regularien“, so Nimtsch, „und wir helfen den Kunden durch diese Transformation.“
Finanzierungsrunde vor dem Go-To-Market
Aktuell arbeitet das Team mit Hochdruck am Go-to-Market. Entwicklungsseitig geht es darum, das System zur Serienreife zu bringen und die Effizienz weiter zu steigern. Gleichzeitig muss Trailer Dynamics für die Zulassung noch die entsprechenden EU-Regularien erfüllen. In diesem Bereich herrscht gerade viel Bewegung; unter anderem werden einschlägige Richtlinien so angepasst, dass künftig auch eTrailer problemlos zugelassen werden können. Eine erste Finanzierungsrunde wird gerade durchgeführt, das Ziel für das Closing ist das Frühjahr 2024. Nimtsch und sein Team sind zuversichtlich, dass schon bald die ersten eTrailer über Europas Straßen rollen. Anfang 2025 soll es so weit sein.