Bildnachweis: VR Equitypartner.
ESG spielt im Investmentsektor eine immer wichtigere Rolle – zum einen für die Investoren selbst, zum anderen bei den investierten Unternehmen. Welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind, aber auch welche Vorteile ESG mitbringt, berichtet Frank Wildenberg, Director Operating Partner bei VR Equitypartner.
VC Magazin: Wie sieht Ihre ESG-Strategie bei VR Equitypartner aus, welche Felder sind Ihnen besonders wichtig?
Wildenberg: Wir haben für VR Equitypartner eine hauseigene ESG-Strategie und ebenso Aktivitäten und Strategien für unsere Portfoliounternehmen. Unsere eigene Nachhaltigkeitsstrategie konzentriert sich auf fünf Handlungsfelder: Umwelt- und Klimaschutz, Mitarbeitende, Gesellschaft und Soziales, Governance und Strategie sowie unsere Investitionen. Auf letzterem liegt unser Hauptfokus, denn hier haben wir sicher den größten Hebel, da wir zum Teil in herstellende Unternehmen investieren und gerade hier Umwelt- und soziale Themen der Lieferkette eine große Rolle spielen. Zudem arbeiten in den Beteiligungen insgesamt deutlich mehr Menschen als bei VR Equitypartner. Mit den einzelnen Portfoliounternehmen entwickeln wir daher gemeinsam individuell zugeschnittene ESG-Maßnahmen.
VC Magazin: Welche Rolle spielt ESG bei Ihrer Investmentauswahl?
Wildenberg: ESG wird immer relevanter bei Investitionen. Ich bin seit fünf Jahren bei VR Equitypartner, und bereits in dieser kurzen Zeit hat das Thema enorm an Bedeutung gewonnen – sowohl bei der Auswahl der Investments als auch während der anschließenden
Haltephase. Bevor wir investieren, prüfen wir die Investments anhand mehrerer Kriterien, unter anderem unserer Branchenausschlussliste, und schauen, ob das Unternehmen Themen mitbringt, auf die wir unter ESG-Gesichtspunkten besonders achten müssen. Dazu zählen Prozesse und Lieferketten, die etwa in Umweltfragen oder bei Arbeitsbedingungen hohe Risiken mit sich bringen. Gibt es dabei keine Red Flags, führen wir im Rahmen der Due Diligence eine konkrete ESG-Prüfung durch. Am Ende entscheiden wir, ob die Ergebnisse gegebenenfalls dazu führen, dass wir nicht investieren, oder ob wir gefundene ESG-Schwachstellen während der Haltedauer mit entsprechenden Maßnahmen adressieren wollen.
VC Magazin: Wie hat ESG die Zusammenarbeit mit den Portfoliounternehmen verändert
Wildenberg: Mit unserem Operating Partner Team führen wir eine Bestandsaufnahme
durch und bringen den Unternehmen in speziellen Workshops zunächst die ESG-Aspekte näher. Die Zusammenarbeit ist dabei immer individuell, da wir hinsichtlich des ESG-Reifegrads, gesetzlicher Berichtsanforderungen und Geschäftsaktivitäten ein sehr heterogenes Portfolio haben: vom IT-Dienstleister über das E-Commerce-Unternehmen bis hin zu Herstellern von Convenience-Food, Elektronik oder Spezialtextilien. Manche werden künftig ESG-berichtspflichtig, andere werden zwar nicht direkt betroffen sein, wohl aber ihre Kunden, sodass sie sich mit dem Thema befassen müssen. Somit schauen wir bei jedem einzelnen Unternehmen, wo es aktuell steht und welche Aktivitäten und Informationen bereits vorhanden sind, die auf ESG einzahlen. Wir versuchen dabei, allen die Bedeutung von ESG näherzubringen unabhängig von den Regularien –, da es in vielerlei Hinsicht Mehrwert liefert.
VC Magazin: Welche Reaktionen erleben Sie seitens der Unternehmen auf die ESGThematik?
Wildenberg: Sicherlich ist das manchmal eine Herausforderung, da es bei den kleineren und mittleren Unternehmen neben fehlender Erfahrung oftmals auch eine Ressourcenfrage
ist. Es gibt im Gegensatz zu großen Unternehmen keinen ESG-Beauftragten, aber hier können wir als Partner bei der Definition einer individuellen Strategie und der Einführung eines Berichtswesens unterstützen und bei der Umsetzung helfen – und so auch den Unternehmen Ängste nehmen und Chancen aufzeigen. Erfreulicherweise merken wir zudem oft bereits während der ersten Workshops, dass das Bewusstsein und die Bereitschaft für entsprechende Aktivitäten wachsen.
VC Magazin: Welche Vorteile sehen Sie in den ESG-Kriterien, welchen Herausforderungen stehen Sie gegenüber?
Wildenberg: Richtig angewandt kann ESG die Basis für ein effektives Chancen- und Risikomanagement bilden und damit die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern. Zudem hilft ESG gerade in Zeiten des Fachkräftemangels Mitarbeitende zu finden und zu binden. Es erleichtert auch den Zugang zu Finanzierung und Fördermitteln. Darüber hinaus bleibt den Unternehmen, die nicht unmittelbar gesetzlich verpflichtet sind, mittelfristig aus meiner Sicht gar keine Wahl. Entweder erfüllt man die ESG-Standards und die Erwartungen von Kunden und Gesellschaft oder der Absatz der Produkte sinkt und das Unternehmen wird für Mitarbeitende und Investoren unattraktiv. Für uns als Investor ergibt sich durch die ESG-Standards mehr Transparenz und die Möglichkeit einer objektiveren Beurteilung der Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeit. Zu den Herausforderungen zählt sicherlich die hohe Komplexität, die sich durch die Vielzahl an Gesetzen und Standards ergibt und kleinere wie auch mittlere Unternehmen schnell überfordern kann. Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich unter Umständen ein Akzeptanzproblem – gerade bei den Unternehmen, die nur mittelbar von der Regulatorik betroffen sind. Daher ist es für uns sehr wichtig, die positiven Aspekte herauszuarbeiten und bei der Umsetzung möglichst pragmatisch vorzugehen. Generell hoffe ich, dass die Unternehmen sich nicht nur wegen gesetzlicher Vorgaben mit dem Thema ESG beschäftigen, sondern um ihren Geschäftserfolg zu steigern und ihre Risiken zu begrenzen und gleichzeitig der gemeinsamen Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft gerecht zu werden.
VC Magazin: Welche Rolle spielt ESG für Sie beim Exit?
Wildenberg: Die Investoren achten mittlerweile sehr auf ESG – ebenso wie wir bei der Akquisition hat auch der nächste Investor das Thema auf dem Radar. Bei einem Strategen, der selbst die regulatorischen Anforderungen erfüllen muss, haben wir dann einen Vorteil, weil wir während der Haltedauer das Unternehmen für ESG fit gemacht haben und es sich dadurch leichter integrieren lässt – somit wird ESG zu einem zusätzlichen Wertsteigerungshebel.
VC Magazin: Welche Erwartung haben Sie hinsichtlich des künftigen Einflusses von ESG auf das Beteiligungsgeschäft?
Wildenberg: Der Einfluss von ESG bei der Ermittlung des Unternehmenswerts wird meiner Meinung nach weiter wachsen, auch weil der wirtschaftliche Erfolg einer Beteiligung zunehmend von der ESG-Strategie abhängen wird und die Themen Reputation, Umweltschutz und gesellschaftliche Verantwortung weiterhin an Bedeutung gewinnen werden. Noch befinden sich die meisten Investoren und Beteiligungen – ebenso wie wir – in einer Lernkurve. Aber ich bin überzeugt: Die Beschäftigung mit ESG wird zum Standard und die ESG Due Diligence Teil des üblichen Investitionsprozesses werden.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Interviewpartner:
Frank Wildenberg ist seit 2019 Director Operating Partner bei VR Equitypartner. Zuvor war er in diversen Führungspositionen in den Bereichen Software, Maschinen- und Anlagenbau sowie als Berater tätig.