Bildnachweis: FGS, Nordwind Growth, EIF, SHS Capital.
Venture Capital- und Private Equity-Fonds, die Kapital einwerben möchten, stehen aktuell vor einigen Herausforderungen. Angesichts makroökonomischer Unsicherheit, gestiegener Zinsen und kritischerer Bewertungen hinsichtlich der Risiken im Technologiebereich sind potenzielle Investoren derzeit zurückhaltend.
„Das Umfeld hat sich stark gewandelt, von der Hochstimmung der Jahre 2020, 2021 und
2022 sind wir meilenweit entfernt“, sagt Sascha Alilovic, Partner bei SHS Capital, einem
auf Wachstums- und Mittelstandsunternehmen in der Healthcare-Branche spezialisierte Private Equity-Haus aus Tübingen. „Vor einigen Jahren gab es ganze Horden von Tech-Unicorns – heute sind solche Bewertungen und spektakuläre Exits in Milliardenhöhe die Ausnahme.“ Die steigenden Zinsen bieten potenziellen Investoren nicht nur neue Anlagemöglichkeiten, sie belasten auch das Geschäftsmodell leveragegetriebener Private Equity-Fonds. Geopolitische Risiken bremsen das Wachstum vieler Unternehmen zusätzlich, etwa durch höhere Komplexität in den Lieferketten. Dadurch fehlen vielen Fonds aktuell die wichtigen Erfolgsgeschichten aus dem Portfolio und insbesondere Exits. Die LPs wiederum erhalten keine Rückflüsse, die jedoch nötig wären, um in neue Fonds zu investieren.
Track Record als Erfolgsfaktor
Trotz dieser schwierigen Bedingungen konnte SHS im Herbst 2023 den Fund VI erfolgreich schließen. Das angepeilte Zielvolumen von 200 Mio. EUR wurde mit einem Final Closing bei 270 Mio. EUR sogar deutlich überschritten. „Wichtige Erfolgsfaktoren waren sicherlich
unser Track Record mit durchschnittlich vierfachem Return auf das eingesetzte Kapital und unser Status als einziger auf Healthcare spezialisierter Private Equity-Fonds im deutschsprachigen Raum“, so Alilovic. Fremdkapital nutzt SHS eher selten, das Team setzt auf Erzeugung organischen Wachstums der Portfoliounternehmen von 30% bis 40% pro Jahr. Healthcare sei zudem eine Branche, die in Krisenzeiten relativ stabil bleibe. Sektoragnostische Fonds dagegen hätten es derzeit schwerer, potenziellen LPs relevante Alleinstellungsmerkmale zu vermitteln. Nach wie vor biete die DACH-Region riesige Chancen in den Life Sciences, so Alilovic, doch die nächste Boomphase könne auch in dieser Branche noch eine Weile auf sich warten lassen.
EIF als Rückgrat der Wagniskapitalbranche
Der Bundesverband Beteiligungskapital BVK zählte im Jahr 2023 insgesamt 23 Closings; 2022 waren es noch 45. Das German Private Equity Barometer der KfW zeigt eine schlechte Gesamtstimmung. Ein Lichtblick sind die Einstiegsbewertungen, mit denen Investoren zufrieden sind wie seit 13 Jahren nicht mehr. Ein Partner, auf den die Venture Capital-Branche auch in schwierigeren Zeiten zählen kann, ist der European Investment Fund (EIF). „Der ERP-EIF-Dachfonds hat seit 2004 substanziell dazu beigetragen, das deutsche Venture Capital-Ökosystem neu zu beleben. Heute ist er fester Teil der europäischen Venture Capital-Landschaft“, sagt Carsten Just, Head of ERP-EIF-Dachfonds. Die Eigenkapitalprogramme, die der EIF mit deutschen Partnern seitdem aufgesetzt hat, haben ein Gesamtvolumen von über 10 Mrd. EUR. Dazu zählt seit 2021 auch die German Future Fund (GFF)/EIF-Wachstumsfazilität für späterphasige Wachstumsfinanzierungen, die zusammen mit der Bundesregierung und KfW/KfW Capital auf den Weg gebracht wurde. Ergänzt wird das Angebot durch zahlreiche regionale, nationale und paneuropäische Investitionsprogramme, zum Beispiel die European Tech Champions Initiative (ETCI). „Bis heute haben wir aus den deutschen Programmen über 250 Transaktionen getätigt und so rund 5.000 Investitionen
in deutsche und europäische Unternehmen unterstützt“, sagt Just. Allein im Jahr 2023 wurden Kapitalzusagen von mehr als 700 Mio. EUR gegenüber mehr als 20 Fonds getätigt, die in Deutschland investieren und die ein kumuliertes Fondsvolumen von über 5 Mrd. EUR anstreben.
Etablierte Fonds im Vorteil
„Das schwierige Fundraising-Klima zieht sich durch das gesamte Marktspektrum“, sagt auch Uli Grabenwarter, Director Equity Investments beim EIF. Doch es gibt Unterschiede: Während etablierte Fondsmanager mit mehreren Fondsgenerationen auf langjährige Verbindungen mit Investoren bauen können, sind Fondsmanager mit weniger Track Record und First-Time-Funds stärker betroffen. „2023 ist der Fundraising-Markt, je nach Marktsegment, um 40% bis 60% eingebrochen, Infrastrukturfonds sogar noch weiter“, so Grabenwarter. In Zeiten mit höchst unsicherem Ausblick seien Assetklassen mit dem Ruf hoher Volatilität, langer Investitions-horizonte und geringer Liquidität die ersten Opfer. Grabenwarter beobachtet, dass viele Fonds ihr Fundraising verschieben oder Fondsmanager das Fundraising ganz stoppen. Einige Manager verkleinern ihre Teams, manche verschwinden gar vollständig vom Markt. „Am ehesten halten die Fonds mit klaren Wertschöpfungsstrategien stand, die von derzeitigen Megatrends unserer Gesellschaft getragen werden“, sagt Grabenwarter. Dazu zählten zum Beispiel Strategien mit Fokus auf Klimathematiken und spezialisierte Technologiefonds in den Bereichen künstlicher Intelligenz, Cybersecurity oder Fintech, in denen tektonische Veränderungen stattfinden. Mitunter müssen Investoren, Fondsmanager und Start-ups ihre Strategien neu ausrichten.
Venture Capital-Industrie als Enabler für Transformation
Auch der EIF hat den Fokus und die Kriterien für Venture Capital-Investments angepasst. Die im Assetmanagement verwalteten Mittel orientieren sich zunehmend an wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen, etwa der Europäischen Union, und das spiegelt sich auch im Investitionsansatz wider. Doch Grabenwarter plädiert für ein tiefgreifenderes Umdenken in der Branche: „Wir als gesamte Venture Capital-Industrie müssen erkennen, dass wir in den bevorstehenden Zeiten eine neue Rolle spielen werden.“ Es gehe nicht mehr um den Nachweis attraktiver Renditen und der Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Assetklassen; dieser sei erbracht. „Die Nachhaltigkeit unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems hängt entscheidend von der Innovationskraft unserer Technologieunternehmen ab“, so Grabenwarter, „sie sind die Motoren des wirtschaftlichen Wandels, und dieser ist heute globale Herausforderung.“ Es sei an der Zeit, dass sich die Venture Capital-Industrie ihrer Verantwortung für die Finanzierung des Wandels stelle und eine Kreativität in den Fondsstrategien entwickelt, die über eine Wiederholung von Renditezielen und Fondsgeneration über Fondsgeneration hinausgehe.
Wachstumsfeld Dekarbonisierung
Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung zählen zu den wachstumsstärksten Investitionsfeldern. Laut dem Report State of European Tech von Atomico entfielen 2023 etwa 27% des insgesamt in europäische Technologien investierten Kapitals auf den Sektor „Carbon & Energy“. Dessen Anteil an den Gesamtinvestitionen hat sich seit 2021 verdreifacht. Die Konzentration auf ESG- und Impact-Themen nehme weiter zu, so Alilovic, speziell bei institutionellen Investoren wie bei Pensionskassen und Versorgungswerken: „Auch wenn diese
LPs aktuell im internationalen Vergleich wenig investieren, werden die entsprechenden Töpfe bereits gefüllt.“ In diesem Zusammenhang spielen auch Transparenz hinsichtlich der Investmentstrategien und die EU-Offenlegungsverordnung beziehungsweise SFDR eine immer
größere Rolle. Bei Venture Capital- und Private Equity-Fonds hätte sich Transparenz nach Artikel 8 bereits mit wachsender Tendenz etabliert, so Christian Schatz, Anwalt und Partner bei Flick Gocke Schaumburg in München. Die Einstufung nach der SFDR und ähnliche äußere Merkmale sieht Schatz jedoch nicht als entscheidende Kriterien für den Erfolg im Fundraising. Wichtig seien besonders die Renditesituation des Fondsmanagers und, je nach Fokus der jeweiligen LPs, bestimmte Marktsegmente. Die Möglichkeiten für eine Einflussnahme auf die Portfoliounternehmen hinsichtlich der täglichen Compliance seien speziell für Venture Capitalisten als Minderheitsgesellschafter ohnehin gering. „Die LPs begrüßen transparentere
Fonds nach Artikel 8 und Artikel 9, doch fast alle lassen sich Spielraum offen – niemand möchte einem sehr gut performenden Artikel 6-Fonds absagen“, so Schatz weiter. Tatsächlich bindend seien nach wie vor nur die individuellen Ausschlusskriterien vieler Investoren,
zum Beispiel Landminen und fossile Rohstoffe, sowie ein gewisses ESG-Reporting, was aber weder neu sei noch mit der genauen SFDR-Einstufung zu tun habe. Grabenwarter weist darauf hin, dass die Einstufung nach SFDR und Impact nicht zwangsläufig miteinander
korrelieren. „Es gibt Impact-Fonds, die nach Artikel 8 berichten, und es gibt Fonds ohne Impact-Ziele, die nach Artikel 9 berichten.“ Unabhängig von dieser Einstufung verfolgt der EIF bei der Selektion der Investments definierte Klimaziele, die sich quer durch das Assetklassenspektrum ziehen. „Das liegt auch daran, dass wir Teil der Europäischen
Investitionsbankgruppe sind, die sich klar als Klimabank Europas positioniert hat“, so Grabenwarter. Das auf mittelständische Klimaschutzlösungen fokussierte Private Equity-Haus Vidia Equity aus Berlin konnte im Januar den Vidia Climate Fund I mit einem Volumen von 415 Mio. EUR deutlich überzeichnet schließen. Der nach Artikel 9 eingestufte Fonds soll in Hidden Champions investieren, welche die Dekarbonisierung der emissionsstärksten Sektoren weltweit vorantreiben.
Institutionelle Investoren halten sich bedeckt
Nordwind Growth ist als Private Equity-Investor spezialisiert auf wachstumsstarke Technologieunternehmen im deutschsprachigen Raum. „Wir investieren in Unternehmen, die bislang kein externes Eigenkapital aufgenommen haben und zwischen 3 Mio. und 15 Mio. EUR Umsatz erzielen“, sagt Partner und Co-Founder Christian Plangger. Im November verkündete Nordwind Growth das Final Closing seines neuen Technologiewachstumsfonds mit 145 Mio. EUR. Dieser verfolgt ähnliche Ziele wie der „Wachstumsfonds Deutschland“, der wiederum Teil des Zukunftsfonds der Bundesregierung ist. „Mit unserem Ansatz können wir Venture Capital-typische Risiken wie Technologierisiken, Produkt-Markt-Fit und Teamrisiken weitgehend ausschalten“, so Plangger, der mit dem Fonds ausdrücklich auch den Technologiestandort Europa fördern möchte, „für mehr wirtschaftliche Resilienz und digitale Souveränität als langfristiges strategisches Ziel.“ Jetzt sei die richtige Zeit, um antizyklisch zu investieren, sagt Plangger, sofern man sich traue. „Viele institutionelle LPs sagen zwar, dass sie
nach dem Vorbild amerikanischer Universitätsstiftungen handeln, mit langfristigen Commitments und hoher Diversifikation, doch nur die wenigsten tun es wirklich.“ Dennoch: Das Engagement ausländischer Investoren in Europa habe sich enorm gesteigert, so Grabenwarter. „Das liegt auch daran, dass die europäische Venture Capital-Industrie
hinsichtlich der Performance ihrer Fonds geliefert hat und bei der Rendite den Märkten in den
USA und in Asien an Attraktivität nicht mehr nachsteht.“ Dies lasse sich über alle Sektoren hinweg belegen, auch wenn Europa in einigen Sektoren noch nicht die gleiche Marktdichte habe wie etwa die USA. Das derzeitige Marktklima wirke sich auch auf das Engagement
institutioneller ausländischer Investoren aus, so Grabenwarter, doch die Achillesferse der europäischen Venture Capital-Industrie bleibe das Engagement der institutionellen europäischen Investoren. Unter dem Vorwand mangelnder Renditen hätten sich diese seit jeher vor einem Engagement in europäischen Wagniskapitalfonds geradezu gedrückt. „Mit den Renditen, die Europa in den letzten zehn Jahren geliefert hat, werden sich europäische institutionelle Investoren einen anderen Narrativ einfallen lassen müssen – oder sie müssen sich der wachsenden Kritik ihres Nichtengagements stellen.“
Fokus auf die Chancen
Das Fundraising dürfte 2024 insgesamt weiterhin stark vom Engagement des öffentlichen Sektors abhängen. „Damit bleibt unsere europäische Venture Capital-Infrastruktur fragil“, so Grabenwarter. Die Entwicklung hänge auch davon ab, welchen Stellenwert die nationale und die europäische Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Schlüsseltechnologien beimesse. Und das ist alles andere als klar: „In den verschiedenen Staaten der Union gibt es angesichts der multiplen Herausforderungen durch geopolitische Konflikte, Inflationsbekämpfung und Energietransition leider sehr unterschiedliche Ansichten.“ Auch Schatz erwartet, dass das Fundraising anspruchsvoll bleiben wird. „Die zentrale Herausforderung für Fondsmanager ist, den Investoren Gewissheit zu vermitteln,
dass der Fonds genug Ertrag abwirft.“ Das Umfeld sei gar nicht so problematisch, in vielen
Branchen laufe es tatsächlich gut – es sei vielmehr die negative Grundstimmung, die insbesondere den Venture Capital-Markt hart treffe, und das sei ein hausgemachtes
Problem. „Unsere gesamte Wirtschaft befindet sich in der Transformation, und wir haben gezeigt, dass wir mit Lösungen vorangehen können, zum Beispiel im Bereich der Energiewende“, so Schatz. „Wir haben riesige Chancen – und die sollten wir nutzen und uns nicht verunsichern lassen.“ Es gelte jetzt, nach vorn zu blicken und mutige Entscheidungen zu treffen.