Bildnachweis: DTCF, BayWa r.e. Energy Ventures.
Es wird wärmer und wärmer rund um den Globus. Die Temperatur lag 2023 laut Copernicus-Klimawandeldienst global 1,48 Grad höher als im Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 – höchste Zeit also, dass weitere Schritte zum Schutz des Klimas unternommen werden.
Nach den Zahlen des europäischen Copernicus Climate Change Service (C3S) sind wir nur noch wenige Zehntelgrad vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Dieser Wert wurde auf der UN-Klimakonferenz 2015 (COP21) im Rahmen des Pariser Abkommens als eine Art „rote Linie“ vereinbart. Demnach müssen dringend weitere Schritte zum Klimaschutz unternommen werden. Ist aber dieser steigende Handlungsdruck in der Gesellschaft angekommen? Oder überlagern inzwischen andere Themen die politische Diskussion? Angesicht des Hypes um KI-Anwendungen sind Zweifel berechtigt: beispielsweise wenn sich offensichtlich niemand Gedanken darüber macht, wie viel Strom bei der Generierung des x-ten Katzenbilds im Rechenzentrum für Spielereien verbraucht wird. Laut Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Professor für Informatik an der LMU München, benötigt eine Anfrage bei ChatGPT rund 20 Mal mehr Energie als eine Google-Abfrage. Beunruhigend für das Weltklima sind auch neue Rekordwerte bei den Bestellungen für Flugzeuge, die Airbus und Boeing für das Jahr 2023 vermeldet haben.
Herausforderung für etablierte Industrie
Der Überfall auf die Ukraine, die darauffolgende Energiepreisexplosion und nun auch noch zunehmende Auseinandersetzungen im Nahen Osten haben den Fokus der Weltöffentlichkeit auf andere Krisenherde gelenkt. Trotzdem haben Venture Capital-Investoren das Thema Nachhaltigkeit nicht aus dem Fokus verloren: „Der globale Bedarf nach einer ressourcenschonenden und möglichst klimaneutralen Wirtschaft bleibt weiterhin erhalten und verschärft sich zunehmend. Daraus folgt, dass nachhaltige Technologien und Geschäftsfelder weiterhin wichtige und vielversprechende Investitionsfelder sind. Für die etablierte Industrie stellt die aktuelle Lage aber schon Herausforderungen dar, die es zu bewältigen gilt und die zusätzlich zum Umbau in Richtung Nachhaltigkeit kommen“, sagt Dr. Elisabeth Schrey, Geschäftsführerin der DeepTech & Climate Fonds Management GmbH. Der DeepTech & Climate Fonds (DTCF) investiert in das Wachstum von Unternehmen mit Zukunftstechnologien. Er wird mit Mitteln des Zukunftsfonds und des ERP-Sondervermögens finanziert. Ziel ist der Ausbau des Technologieökosystems. Der DTCF investiert als Ankerinvestor und Partner von langfristig orientierten Investoren.
Politik muss sich mehr bewegen
Ein weiter starkes Interesse am Thema Nachhaltigkeit sieht auch Greg Zavorotniy, Geschäftsführer von BayWa r.e. Energy Ventures: „Wir glauben nicht, dass das Problem des Klimawandels aus dem Fokus gerückt ist. Was wir brauchen, sind bessere öffentlich-private Partnerschaften, neue Technologien, die sich kommerziell skalieren lassen, und Talente, die bereit sind, sich in diesem spannenden Bereich zu engagieren. Wir glauben, dass der Klimawandel auch in den kommenden Jahrzehnten ein Hauptrisiko bleiben wird.“ Als Klimaschutzinvestor konzentriert sich BayWa r.e. Energy Ventures auf Frühphasen-investitionen in Energietechnologien in Europa sowie in Israel. Zavorotniy fordert von den Regierungen eine Politik, die Anreize für die Entwicklung und die Verwendung neuer Technologien schafft: „Sinnvoll sind staatliche Zuschüsse oder auch Anreize in anderer Form. Wir sind beispielsweise der Ansicht, dass Verbraucher in private Solaranlagen investieren sollten. Aber die mangelnde Unterstützung durch die Regierung erschwert den Start der Branche. Statt unsicherer Anreizsysteme – die sich alle paar Jahre ändern – könnte die Regierung günstige Finanzierungen für den Kauf von PV-Anlagen durch Verbraucher unterstützen.“ Insgesamt sehe er vor allem in den letzten Jahren einen Mangel an Kreativität in der Politik hinsichtlich der Lösung der Klimakrise. Die drängenden Probleme würden rasche und wirkungsvolle Maßnahmen erforderlich machen.
Fokus auf grünem Wasserstoff
Am Geld dürfte es wohl nicht scheitern, denn die Europäische Investitionsbank (EIB) hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben zufolge so viel Geld in Projekte für das Klima und die Umwelt investiert wie noch nie: 49 Mrd. EUR seien demnach 2023 in den Klimaschutz
und die ökologische Nachhaltigkeit geflossen. Insgesamt hätte es seit 2021 „grüne Investitionen“ in Höhe von 349 Mrd. EUR durch die EIB gegeben. In Deutschland beteiligt sich die EIB mit 150 Mio. EUR am „Lausitzprogramm 2038“, das den Ausstieg aus der Braunkohle und den Übergang zur Klimaneutralität in der Region sozial und wirtschaftlich abfedern soll. Einen Fokus legt die EIB auch auf den sogenannten grünen Wasserstoff. Der 2021 eingerichtete Fonds für grünen Wasserstoff wurde erst kürzlich aufgestockt. „Grüner Wasserstoff kann Industrien dabei helfen, ihre CO2-Bilanz zu verbessern. Die Länder des Globalen Südens haben ein enormes Potenzial, die nötige erneuerbare Energie für grünen Wasserstoff zu produzieren“, sagte EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer in einem Pressestatement.
Mehr Lösungen für Klimaanpassung nötig
Bezahlbare und nachhaltig erzeugte Energie – vor allem Strom – ist für die Industrie und für die Elektrifizierung der Mobilität in der Zukunft essenziell. Der Aufbau einer Infrastruktur für die Erzeugung von Wasserstoff, der Ausbau der erneuerbaren Energien auch über Offshore-Windparks sowie die notwendigen Stromtrassen erfordern ein hohes Investment. Hier können die klassischen Venture Capital-Investoren nur wenig ausrichten. Wagniskapital kann aber dabei helfen, innovative Unternehmen mit Innovationen bei Komponenten oder Systemen zu finanzieren, die eine Effizienz und Nachhaltigkeit in der Produktion sicherstellen. „Aufgrund unseres Fachwissens konzentrieren wir uns vor allem auf energiebezogene Technologien. Bei den Energietechnologien sind wir besonders an neuen Erzeugungs-, Speicher- und Netzflexibilitätsmöglichkeiten interessiert“, sagt Zavorotniy. Außerdem würde er gerne mehr Start-ups sehen, die sich in ihren Lösungen mit Themen der Klimaanpassung beschäftigen. Experten im Nachhaltigkeitssektor halten es auch für wichtig, dass verstärkt auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser geachtet wird. Dieses könne nach CO2 auch als relevante Messgröße für die Nachhaltigkeit einer Firma taugen. Auch in diesem Bereich könnten in der nahen Zukunft Innovationen erwartet werden. Anfang dieses Jahres investierten der DTCF sowie der TechVision Fonds (TVF) 5 Mio. EUR in das Start-up Membion GmbH aus Roetgen bei Aachen. Das Unternehmen entwickelt und produziert Membranbioreaktor(MBR-)Module für die Abwasseraufbereitung. Mit der vielfach patentierten Technologie erfüllen kommunale und industrielle Kläranlagenbetreiber die wachsenden Anforderungen an die Wasserqualität und senken signifikant die Betriebskosten.
Profitabilität zählt
Aber wie finden Venture Capital-Investoren ihre Zielfirmen, um neue technologische Ziele bei der Nachhaltigkeit zu erreichen? „Wir haben wenige harte, formale Faktoren, die bei uns erfüllt sein müssen, und die sind für alle Investmentbereiche gleich. Die weichen Faktoren hingegen sind je nach Sektor, Marktdynamik und Technologietiefe sehr unterschiedlich“, so Schrey. Der DeepTech & Climate Fonds könne im Bereich Nachhaltigkeit sowohl in grundlegende Technologien investieren, deren Marktreife erst in vielen Jahren erwartet wird, als auch in neue Technologien, die bereits einen Markt adressieren. „Wir achten besonders in der Analyse und Bewertung darauf, die Profitabilität aus Kundensicht bei den neuen Technologien abzuschätzen“, fährt sie fort. Dies gelte insbesondere bei Innovationen, die eine Hardwarekomponente haben und die einen existierenden Markt bedienen.
Integration in existierende Wertschöpfungskette wichtig
Wichtig für eine positive Entscheidung sei weiterhin, dass in der frühen Wachstumsphase auch eine Integration in die existierende Wertschöpfungskette erfolgt ist. Dabei seien nicht nur erste Umsätze aus der Großindustrie von Bedeutung. „Bei nachhaltigen Technologien ist auch die Höhe des Impacts auf die ökologischen Ressourcen relevant“, erklärt Schrey weiter. Wenn der Vorteil einer neuen Technologie nicht durch klare Energieeinsparungen im Vergleich zum Status quo transparent gemacht werden könne, dann orientiere man sich an den Life Cycle Assessments (LCA) der Impact Funds, die in der Seed-Phase bereits investiert sind, sowie an den Standards zu Ausschlusskriterien und Principal Adverse Sustainability Impact. Bei BayWa r.e. Energy Ventures wird laut Zavorotniy folgende Strategie verfolgt: „Wir achten besonders auf die tatsächlichen Auswirkungen unserer Investitionen. Löst die jeweilige Technologie das Problem? Hat die Lösung einen ausreichenden Umfang? Als Finanzinvestor konzentrieren wir uns außerdem auf die Rentabilität und erwarten, dass sich unsere Investition auszahlt. Wo wir einen Mangel an Kapital sehen und worauf sich BayWa r.e. Energy Ventures konzentriert, sind die Unternehmen in der Frühphase, die nach einer Seed- oder Series A-Finanzierung suchen.“ Es sei schwierig, die richtige Gelegenheit in diesem Bereich zu finden, aber das Kapital müsse für frühere Gelegenheiten bereitgestellt werden, um einige der dringendsten Umweltprobleme auch wirklich anzugehen. „Generell stehen wir dem Bereich der Klimatechnologie positiver gegenüber als dem generalistischen Venture Capital-Markt, der in den letzten Jahren überfüllt war“, so Zavorotniy abschließend.