Bildnachweis: UVC Partners, Drake Star Partners, Multiple Capital, Osborne Clarke, HTGF.
Junge Unternehmen können heute nicht mehr so leicht verkauft werden wie noch vor ein paar Jahren. Mit anziehender Konjunktur und fallenden Zinsen dürfte sich das Exit-Geschehen aber wieder beleben. Auffällig ist, dass immer mehr Private Equity-Häuser als Käufer auftreten.
Die Zeiten für Start-ups in Deutschland sind derzeit nicht rosig. Die Zahl der Insolvenzen hat sich 2023 deutlich erhöht, während die Finanzierung durch Venture Capital spürbar gesunken ist. Diese Entwicklung setzt sich im neuen Jahr erst einmal fort. Schleppende Konjunktur, hohe Zinsen, Inflation, geopolitische Unsicherheiten – die Gründe für die angespannte Lage sind zahlreich. Schwierig ist es daher auch auf der Verkaufsseite. Die Exit-Aktivität im Wagniskapitalbereich ist voriges Jahr nach der Analyse des Datenanbieters PitchBook im ersten Quartal auf rund 100 Mio. EUR geschrumpft, in den folgenden drei Quartalen 2023 auf jeweils unter 100 Mio. EUR – ein großer Absturz, nachdem im gesamten Jahr 2022 noch ein Exit-Wert von 2,5 Mrd. EUR verzeichnet werden konnte. Da die Zahl der Exits nur um etwa ein Drittel auf 104 zurückging, dürfte es sich dabei zumeist um kleinere Exits gehandelt haben. Zu den wenigen großen Transaktionen gehörte der Verkauf des Bonner Softwareanbieters LeanIX an SAP. Experten zufolge hat der Walldorfer Konzern dafür mehr als 1 Mrd. EUR bezahlt.
Nachfrage nach Softwarelösungen ungebrochen hoch
Es dürfte kein Zufall sein, dass LeanIX einen derart erfolgreichen Exit hinlegen konnte, gehören doch gerade junge Softwareunternehmen schon seit ein paar Jahren zu den gefragtesten Start-ups überhaupt. Schließlich ermöglichen viele dieser jungen Unternehmen es etablierten Firmen, auf ganz unterschiedliche Weise an der digitalen Transformation teilzuhaben. Laut der aktuellen Venture Capital-Studie der Unternehmensberatung EY betraf ein sattes Drittel der Exits im vorigen Jahr Softwareunternehmen, genau wie 2022. Gesunken ist das Interesse dagegen an E-Commerce-Startups, und zwar von 15% auf 9%. Viele Firmen in dieser Gruppe hätten hier aufgrund hohen Wettbewerbs Probleme mit der Profitabilität, weshalb es in diesem Bereich auch zu Konsolidierungen komme. Start-ups in den Bereichen Klimaschutz oder auch AI stehen zwar hoch im Kurs bei Investoren – sie sind aber in aller Regel noch nicht lange genug im Geschäft, um an einen Exit denken zu können.
Hohes Zinsniveau belastet bei Finanzierungen
Die Stimmung unter den Investoren ist insgesamt noch verhalten optimistisch. Das liegt vor allem daran, dass die schlechteren Zahlen an herausragenden Vorjahren gemessen werden. 2021 war für Start-ups und ihre Investoren auch in puncto Exit das historische Rekordjahr schlechthin, und auch 2022 war in vielerlei Hinsicht rekordverdächtig. „Wir sehen aktuell wie im Vorjahr eine sehr dünne Exit-Pipeline“, sagt Dr. Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des auf Frühphasenfinanzierungen fokussierten High-Tech Gründerfonds (HTGF). Aber am Ende seien 2023 doch ein paar Exits mehr zu verzeichnen gewesen, als erwartet worden waren – und diese Entwicklung könne sich 2024 durchaus wiederholen. „Insgesamt hellt sich die Lage auf. Wir sehen trotz der recht leeren Exit-Pipeline eine positive Dynamik.“ Dennoch: Die Käufer sind vorsichtiger geworden. Aufgrund des hohen Zinsniveaus können sie auf der einen Seite Transaktionen schlechter fremdfinanzieren. Das gilt vor allem für Finanzinvestoren, aber auch für Corporates, die nicht auf einem Sack voller Cash sitzen. Auf der anderen Seite sind die Bewertungen der Start-ups infolge schwieriger gewordenen Geschäfts auf breiter Front gesunken. „Starke Unternehmen werden auch in der aktuell schwierigen Phase gekauft, der Käufer profitiert dabei oft von einem niedrigeren Preis“, hat Ertan Can beobachtet, der den Dachfonds Multiple Capital führt. Das eingangs erwähnte Startups LeanIX wäre unter Umständen in einem nächsten Aufschwung nicht mehr für denselben Preis zu haben gewesen.
Es wird genauer hingesehen
Das Beispiel zeigt aber auch, dass hervorragenden Unternehmen noch immer ein guter Exit gelingen kann. „Der LeanIX-Exit war schon sehr groß, davon gab es nicht so viele in den letzten Jahren“, sagt Nicolas Gabrysch, Partner der Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. Allerdings falle auf, dass die Exits in den letzten Jahren insgesamt größer ausfallen als früher. „Wenn man 2010 ein Start-up für 100 Millionen verkauft hat, war das schon riesig. Inzwischen sprechen wir von großen Exits eher, wenn es in die Milliarden geht“, sagt er. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation lässt die Investitionsbereitschaft der Käufer nach – insbesondere in Deutschland. Investoren setzen ihre finanziellen Mittel konservativer ein. Dennoch gibt es weiterhin Käufer, die aktiv am Markt agieren. „Im heutigen Markt konzentrieren sich Investoren und Strategen auf Firmen, die ein starkes Gesamtbild abgeben, bei denen Wachstum und Profitabilität in einem guten Verhältnis stehen. Wenn jemand Qualität liefert, dann gibt es eine hohe Investitionsbereitschaft – getrieben durch die Performance der Unternehmen“, sagt Ralf Philipp Hofmann, Managing Partner bei der global tätigen Tech-Investmentbank Drake Star. Weil sich die Nachfrage auf diese „Perlen“ konzentriere, könne das sogar dazu führen, dass die Bewertungen gar nicht sinken, sondern hoch bleiben oder sogar steigen. Für Firmen mit guten KPIs laufe es gut, für andere werde ein Exit dagegen schwieriger. Derzeit gilt für Exits, was gleichermaßen bei der Finanzierung der Start-ups zu beobachten ist: Es wird deutlich genauer hingesehen. Potenzielle Käufer führen heute etwa, anders als noch vor ein paar Jahren, wieder eine ordentliche Due Diligence durch, bevor sie ein Unternehmen kaufen. Sie legen Wert auf Gewinne oder zumindest auf ein starkes Wachstum. „Die Anforderungen an die Qualität des Geschäftsmodells sind größer geworden“, resümiert Dr. Ingo Potthof, Managing Partner bei UVC Partners. Viele Start-ups hätten sich deshalb entschieden, langsamer und gradueller zu wachsen. Abwarten heißt also die Devise – und die Zeit nutzen, um am Geschäftsmodell zu feilen. In viele der Start-ups ist in der Boomphase einiges Geld geflossen, das die Investoren bei einem Exit heute kaum wiedersehen dürften. „Deshalb werden solche Unternehmen erst später, bei größerem Umsatz, zumindest Sichtbarkeit der Profitabilität und damit besseren Bewertungen, in den Exit gehen wollen. Ansonsten würden die Investoren Verluste machen“, stellt Potthof fest.
Fundraising könnte leiden
Ein derzeit verlangsamtes Exit-Geschehen kann sich dämpfend auf das künftige Fundraising auswirken. Manch ein Investor mag das Vertrauen in einen Fonds verlieren und seine Mittel künftig andernorts einsetzen, wenn dessen Portfoliounternehmen nicht wie vorgesehen in den Markt weitergegeben werden können. Bei den aktuell sehr gut laufenden Aktienmärkten und gleichzeitig vergleichsweise hohen Zinsen dürfte ein Umsteigen in alternative Assetklassen für den einen oder anderen Limited Partner eine Option sein. Wichtiger noch: Manch ein Investor wird unter Umständen keine frischen Mittel für einen neuen Fonds bereitstellen können, solange er keine Rückflüsse aus den bestehenden erhält. Und sollte er doch im Geschäft bleiben wollen und können, werden die Finanzzusagen möglicherweise kleiner. Schließlich geht es zulasten seiner Rendite, wenn er seine Rückflüsse aus einem Fondsengagement nicht nach drei oder vier, sondern eher nach sechs oder sieben Jahren bekommt. Wenn ein Exit dann noch enttäuschend ausfällt, steht für Neuinvestments noch weniger Geld zur Verfügung. 2023 ist das Fundraising im Venture Capital-Bereich nach der aktuellen Statistik des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK) drastisch geschrumpft, nämlich von 6,5 Mrd. auf 1,8 Mrd. EUR im Vorjahr. 2022 sei allerdings das historisch erfolgreichste Jahr gewesen. Ob und inwieweit das nachlassende Exit-Geschehen an dem Rückgang schon einen Anteil hatte, lässt sich noch nicht abschließend sagen.
Trade Sales dominieren das Exit-Geschehen in Deutschland
In Deutschland hat der Prime Standard vergangenes Jahr drei IPOs verzeichnet. Im Bereich Scale, dem Börsensegment für kleinere Unternehmen, gab es keine einzige Neuemission. Auch in den Jahren davor kann man IPOs von Start-ups mit der Lupe suchen. Das hat mehrere
Gründe. Zunächst scheint Deutschland als Finanzplatz für risikoreichere Aktien nach wie vor nicht beliebt zu sein. Hinzu kommt, dass das Börsenumfeld andernorts besser ist – mehr Berater, mehr Analysten, mehr Investoren. „Dass es auch für kleine Unternehmen möglich ist, an die Börse zu gehen und dort Erfolg zu haben, zeigt das Beispiel der Nasdaq North in Schweden“, sagt von Frankenberg. Aber in Schweden werde das auch politisch unterstützt: Dort seien etwa Kursgewinne steuerfrei, wenn sie für die Altersvorsorge genutzt würden. In Deutschland ist der Exit-Kanal IPO nach Ansicht vieler Beobachter auf lange Sicht trocken. Hierzulande dominiert nach wie vor der Trade Sale, der Verkauf an ein großes Unternehmen. Doch aufgrund der erwähnten konjunkturellen Sorgen halten sich die sogenannten Strategen in Deutschland derzeit mit Käufen zurück, auch wenn viele von ihnen durchaus auf einem Cash-Berg sitzen. Zu einer echten Exit-Alternative zu Strategen haben sich mittlerweile Private Equity-Fonds entwickelt. Noch vor ein paar Jahren waren ihnen Start-ups einfach zu klein. Außerdem bevorzugen sie typischerweise profitable Firmen. Da sie aber über sehr viel „Dry Powder“ und hohe Investitionsvolumina verfügen und im Mittelstand nicht immer genügend Targets finden, haben sie sich zunehmend in Richtung Startups orientiert. „Private Equity-Fonds entwickeln sich immer mehr zu Later Stage-Investoren, und sie investieren viel stärker in Technologie als früher“, sagt Hofmann. Er sieht außerdem den Trend, dass Private Equity sich auch für frühphasige Deals und damit kleinere Transaktionsvolumina öffnet. Wo früher die Investition erst ab 250.000 EUR interessant wurde, mache man heute auch schon mal Deals über 50 Mio. EUR.
Warten auf niedrigere Zinsen
Private Equity dürfte wegen des immensen „Dry Powders“ auch in der näheren Zukunft bei Exits am Ball bleiben. Andere Secondary-Exits sind laut Gabrysch derzeit nicht sehr auffällig: „Es gab eine Zeit, in der sich spezielle Secondary Funds gemeldet haben, die Anteile kauften wollten. Aber diese Struktur, die in den USA recht verbreitet ist, haben wir in Transaktionen leider schon länger nicht mehr gesehen.“ Heute beschränke sich das Secondary-Geschehen meist darauf, dass ein neuer oder ein existierender Investor einzelnen Gesellschaftern Anteile abkaufe, nicht aber in einem strukturierten Prozess. Auf der Seite der Trade Sales erwarten viele Marktbeobachter mittelfristig wieder eine Erholung. Alle schauen mehr oder weniger gespannt auf die Zinsentwicklung. „Wir werden wahrscheinlich eine Zinswende sehen. Niedrigere Zinsen werden zu mehr Interesse an privaten Märkten führen. Das wird das Fundraising verbessern, aber auch den Exit-Markt, weil mehr Fremdkapital verfügbar sein wird. Das bedeutet aber auch, dass die Assets teurer werden“, sagt Can voraus.