Bildnachweis: ECBF.
Nachhaltige Start-ups liegen im Trend, spüren aber ebenso wie das gesamte Ökosystem die Zurückhaltung der Investoren. Warum diese im Bereich Impact und Sustainability nicht so groß ist wie in anderen Segmenten und welche Chancen Kreislaufwirtschaft bietet, weiß Dr. Michael Brandkamp vom European Circular Bioeconomy Fund (ECBF).
VC Magazin: Mit dem ECBF fokussieren Sie sich auf Investments im Bereich Kreislaufwirtschaft. Wie ist Ihr aktuelles Portfolio aufgestellt, in welchen Branchen sind Sie besonders aktiv?
Brandkamp: Unser Portfolio spiegelt ein breites Spektrum nachhaltiger Investitionen,
die die biobasierte Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Dazu gehören alternative Proteinquellen
wie Protix aus den Niederlanden, die die weltweit größte Insektenfabrik betreiben, oder Heura, die dazu beitragen, mit sojabasierten, hochqualitativen Produkten den Fleischkonsum zu reduzieren. Wir investieren aber auch in umweltfreundliche Technologien der Landwirtschaft. Beispiele sind Aphea.Bio aus Belgien, die eine neue Generation von Mikrobiomen entwickelt, um chemische Dünger oder Fungizide zu ersetzen, oder Trapview aus Slowenien, die Insekten auf den Feldern monitort, um mithilfe von KI den Einsatz von Insektiziden zu vermindern; oder Elicit Plant aus Frankreich, die Pflanzenhormone ausbringt, um die Resilienz von Weizen und Soja gegen Trockenperioden zu fördern. Auch industrielle Biotechnologien sowie nachhaltige biobasierte Verpackungs- und Konstruktionsmaterialien sind Teil unseres Investitionsfokus. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist unser Portfoliounternehmen Paptic aus Finnland, dass eine neue, zellstoffbasierte Materialklasse für hochwertige Verpackungen anbietet, um den Einsatz von Plastik zurückzufahren.
VC Magazin: Die Venture Capital-Investitionen sind seit letztem Jahr generell rückläufig. Nehmen Sie diesen Trend auch im Bereich der Nachhaltigkeit wahr?
Brandkamp: Ja, aber nicht in der verschärften Form. Das Interesse an nachhaltigen Investitionen wächst, und viele neue Impact- und Sustainability-Fonds kommen auf den Markt. Allerdings hat sich die Investorenlandschaft etwas verändert. Generalistische Fonds mit geringerer Branchenexpertise sind aus dem Markt ausgestiegen, was das Angebot an Kapital verringert hat. Dies hat auch positive Auswirkungen auf die Bewertungen von Unternehmen. Außerdem steigt die Nachfrage nach Wachstumskapital, da viele Unternehmen, die vor einigen Jahren noch zu früh für uns waren, mittlerweile reifer geworden sind und Kapitalbedarf haben.
VC Magazin: Welche Chancen bietet nachhaltiges Wirtschaften für Start-ups und Investoren?
Brandkamp: Setzen Unternehmen auf Nachhaltigkeit, haben sie besseren Zugang zu Kapital, da Investoren zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legen. Unternehmen ohne solide Nachhaltigkeitsstrategie gehen ein Marktrisiko ein, denn sie riskieren Reputations- und Imageschäden. Der Konsument hat seinen Blick geschärft, und Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt mehr. Nicht zuletzt adressieren innovative Bioökonomieunternehmen mit nachhaltigen Produkten enorm große und wachsende Märkte, wie die Nahrungsmittelproduktion oder die Verpackungsindustrie.
VC Magazin: Wie bewerten Sie die Kreislaufwirtschaft in Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich?
Brandkamp: Deutschland war weltweit vorn, liegt heute aber nur noch im Mittelfeld. Obwohl wir eine solide Basis in Wissenschaft und Forschung haben, fällt es der Politik schwer, eine nachhaltigere Wirtschaft umzusetzen. Andere europäische Länder wie Skandinavien und die Niederlande sind agiler in der Umsetzung ihrer Ziele. International sehen wir zunehmend Konkurrenz. Länder wie Indien, China, die USA oder Brasilien investieren große Summen in die Entwicklung und Implementierung nachhaltiger Technologien und Businesskonzepte, sodass Europa abgehängt werden könnte.
VC Magazin: Befürchten Sie, dass die Themen Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz angesichts der aktuellen Krisen aus dem Fokus von Politik und Öffentlichkeit geraten?
Brandkamp: Absolut, ja. Die Krisen habenin der breiten Bevölkerung Angst und Unsicherheit
geschürt und dafür gesorgt, dass sich viele Menschen zurückziehen und die Augen vor den Klima- und Nachhaltigkeitsproblemen verschließen. Die Bereitschaft zur eigenen Veränderung ist stark zurückgegangen. Es wird vehement protestiert, wenn das eigene Verhalten gefragt
ist. Sowohl Politik als auch Unternehmen reagieren auf die Verbraucher und fahren die Geschwindigkeit der Transformation herunter. Meine Hoffnung ist, dass dies lediglich eine vorübergehende Phase ist und dass der Druck durch die zunehmenden Klimakatastrophen letztendlich groß genug sein wird, um eine neue Wende in Richtung Nachhaltigkeit einzuleiten. Aus meiner Sicht benötigen wir in der Politik und im gesellschaftlichen Diskurs Menschen, die
die Weitsicht haben, um entsprechende Maßnahmen voranzutreiben. Zweifellos wird der Handlungsdruck durch Umwelt- und Klimawandel wachsen.
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der Finanzierungsbedingungen für 2024?
Brandkamp: 2024 bietet ideale Bedingungen für neue Investments. Wir sehen eine Stabilisierung im Dealflow und können Bewertungen besser handhaben. Es gilt die alte Investorenweisheit: „In Bärenzeiten kaufen und in Bullenzeiten verkaufen.“ Wir wollen dieses Jahr nutzen, um verstärkt zu investieren und Unternehmen mithilfe unserer Expertise zu globalen oder paneuropäischen Playern zu skalieren.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Dr. Michael Brandkamp ist Managing Partner des European Circular Bioeconomy Fund (ECBF). Der Venture Capital-Fonds fokussiert sich ausschließlich auf biobasierte Kreislaufwirtschaft und möchte damit den Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft katalysieren.