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Die Stiftung Verantwortungseigentum hat – zuletzt 2021 – einen Gesetzentwurf für eine neue Rechtsform vorgelegt: die GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV). Angesichts der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit könnten diese Ideen in Zukunft immer wichtiger werden. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein ungewöhnliches Konzept, bei dem auf Gewinne und Wertsteigerungen verzichtet werden soll.
Die Idee des „Verantwortungseigentums“ hat in jüngerer Vergangenheit in Deutschland immer wieder Interesse geweckt. Diese Gesellschaftsform könnte insbesondere für junge Unternehmen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit von Interesse sein. Es handelt sich um ein Konzept, bei dem das Unternehmenseigentum nicht lediglich ein rein finanzielles Engagement mit Marktwert und Renditeerwartung darstellt, sondern – noch stärker als in den meisten Familienunternehmen ohnehin schon – eine Verantwortung für das Unternehmen selbst und seine Interessensgruppen betont wird. Infolgedessen verzichten die Gesellschafter der GmbH bewusst auf Gewinnausschüttungen und der Realisierung von Wertzuwächsen und übergeben ihre Anteile ausschließlich an Nachfolger, die die gleichen Unternehmenswerte vertreten. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Ursprünge dieses Modell hat, wie sich der Gesetzgeber dazu positioniert und inwieweit es sich in der bestehenden Rechtslage des Gesellschaftsrechts integrieren lässt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Vor- und Nachteilen, die sich für junge und nachhaltig orientierte Unternehmen durch das Verantwortungseigentum ergeben.
Historische Entwicklung und Konzeptgrundlagen
Das Konzept des Verantwortungseigentum in Unternehmen ist keineswegs nur eine zeitgenössische Erscheinung, sondern fußt tief in der Historie des deutschen Unternehmertums. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert legte Ernst Abbe mit der Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung den Grundstein für den Schutz des Unternehmens vor Aufteilung und Spekulation. Zugleich wollte er damit die sozialen Ambitionen und wissenschaftlichen Bestrebungen des Unternehmens langfristig gewährleisten. In der heutigen Zeit zählen etwa 200 Unternehmen in Deutschland zu den Vertretern eines – über eine Stiftungslösung erzielten – vergleichbaren Unternehmensmodells. Unter ihnen befinden sich etablierte Marktteilnehmer wie Bosch, Zeiss, Alnatura und Weleda. Diese Unternehmen zeichnen sich nicht allein durch ihre Profitziele aus, sondern sind ebenso an der Förderung des Gemeinwohls und der Verfolgung sinnstiftender Ziele interessiert, wobei sie Aspekte wie ökologische Verantwortung, gesellschaftliche Integration und technische Innovationskraft in den Vordergrund stellen.
Internationale Perspektive
Die Idee des Verantwortungseigentums hat sich weltweit verbreitet und ist besonders im Rahmen der ESG-Diskussionen um die Weiterentwicklung von Unternehmensführung und sozialer Verantwortung in den Fokus gerückt. Verschiedene Länder haben auf diese Trends reagiert und neue Unternehmensformen ins Leben gerufen, die es Unternehmen ermöglichen, neben Profitoptimierung auch gesellschaftliche und umweltbezogene Ziele zu verfolgen. Beispiele hierfür sind die in den Vereinigten Staaten etablierten Benefit Corporations oder die in Italien geschaffene Società Benefit. Unternehmen können durch diese Unternehmensstrukturen nicht nur finanzielle Ziele verfolgen, sondern auch soziale und umweltbezogene Ambitionen in ihre Unternehmensziele integrieren und sich einer Bewertung durch Dritte stellen.
Die Rechtslage in Deutschland
Im deutschen Recht existiert derzeit keine auf die Idee des Verantwortungseigentums angepasste Rechtsform für Unternehmen, die sich diesen Idealen verschreiben wollen. Um diese bestehende Regelungslücke zu füllen, setzen sich Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik für die Einführung einer neuen Variante einer Kapitalgesellschaft im Rahmen des GmbH-Gesetzes ein. Eine Arbeitsgruppe ausgewiesener Experten im Bereich des Gesellschaftsrechts hat im Sommer 2020 einen ersten Entwurf für eine solche Unternehmensform präsentiert. Dieser Entwurf wurde im Februar 2021 überarbeitet und trägt nun den Namen „GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)“.
Meinungsstand zum Gesetzentwurf
Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf hat zum Inhalt, dass Gesellschafter einer derartigen GmbH auf alle Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse verzichten. Zudem dürfen sie ihre Anteile ausschließlich an jene Personen veräußern, die eine Genehmigung des Beirats erhalten haben, so dass sichergestellt werden soll, dass die gleichen Unternehmenswerte vertreten werden. Es entsteht somit eine Rechtsform, die auf eine permanente Reinvestition der Gewinne ausgerichtet ist. Die Vermögensbindung ist als unveränderlich und zwingend konzipiert, um Änderungen der Vermögensbindung infolge eines Wechsels in der Gesellschafterstruktur oder einer „feindlichen“ Übernahme zu verhindern. Der Entwurf hat – nachvollziehbarerweise – eine rege Debatte in Fachkreisen entfacht, in der sowohl die rechtliche Zulässigkeit als auch die ökonomische Vorteilhaftigkeit des sogenannten Verantwortungseigentums kritisch beleuchtet werden. Einige Stimmen in der juristischen Literatur preisen das Modell als wegweisend und innovativ an. Es sei die Rechtsform, die dem Ideal von verantwortungsvoll geführten Unternehmen gerecht werde und eine neue Gesellschaftsform für nachhaltiges und verantwortungsvolles Unternehmertum schaffe. Konträr dazu stehen die Stimmen, die das Modell als nicht vereinbar mit den Prinzipien der Wirtschaftsordnung, des Gesellschafts-, Stiftungs- oder Erbrechts und des Grundgesetzes als systemwidrig und anfällig für Missbrauch einstufen. Sie kritisieren insbesondere die dauerhafte Vermögensbindung, die Unmöglichkeit, Anteile zu veräußern, die Nichtvererbbarkeit der Stimmrechte, die Unabänderlichkeit der Satzungsklauseln und das Fehlen einer verpflichtenden Ausrichtung des Unternehmenszwecks auf das Gemeinwohl.
Vor- und Nachteile des Verantwortungseigentums
Die Integration von Verantwortungseigentum in das geltende Gesellschaftsrecht stellt eine Herausforderung dar, deren Lösung individuell auf die spezifischen Ziele und Anforderungen der Unternehmen zugeschnitten sein muss. Es ist durchaus möglich, bestimmte Prinzipien des Verantwortungseigentums – wie etwa die Bindung des Vermögens oder die Beschränkung der Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen – in die Strukturen einer GmbH, AG oder Genossenschaft einzubetten. Dies geht jedoch nicht ohne bestimmte Einschränkungen und potenzielle Risiken einher. Beispielsweise könnten die Gesellschafter einer GmbH durch die Satzung eine Begrenzung der Gewinnausschüttungen festlegen, allerdings besteht die Möglichkeit, dass solche Regelungen später abgeändert oder umgangen werden, etwa durch eine Kapitalherabsetzung oder die Pfändung von Anteilen. Eine konstante und unveränderliche Bindung des Vermögens ist effektiv nur durch die Gründung einer Stiftung zu gewährleisten, was jedoch mitunter komplex und kostenintensiv sein kann Eine neuartige Variante einer GmbH, die ein gebundenes Vermögen aufweist, könnte demgegenüber Vorteile mit sich bringen, wie beispielsweise eine gesteigerte rechtliche Sicherheit, unternehmerische Flexibilität, weniger Bedenken bei der Planung der Unternehmensnachfolge und gesellschaftliche Anerkennung für in Verantwortungseigentum geführte Unternehmen. Allerdings sind diese Vorteile nicht ohne Kompromisse zu erlangen, da sie auch Nachteile mit sich bringen können, wie limitierte Finanzierungsoptionen, mangelnde Anpassungsfähigkeit, eine nicht eindeutige Governance-Struktur und ein mögliches Missbrauchsrisiko. Weiterhin ist es eine offene Frage, ob eine solche neue Rechtsformvariante überhaupt zulässig und erstrebenswert ist, da sie eine permanente Trennung von Verfügungsbefugnis und wirtschaftlicher Berechtigung vorsieht, was konträr zu den Grundprinzipien des privaten Unternehmertums und auch zur Idee unserer sozialen Marktwirtschaft stehen könnte.
Fazit und Ausblick
Das Modell des Verantwortungseigentums stellt eine bemerkenswerte und fortschrittliche Option dar, die insbesondere für neu gegründete, ökologisch und sozial orientierte Unternehmen eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Gesellschaftsformen sein könnte. Allerdings ist es keinesfalls eine universelle Lösung und geht mit einer Reihe von juristischen, ökonomischen sowie ethischen Fragestellungen einher. Die Überlegung, eine Variante der GmbH, die das Vermögen bindet, einzuführen, sollte daher nicht übereilt erfolgen. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Erörterung und Abwägung. In diesen Diskurs müssen die Anforderungen und Hoffnungen von Unternehmern ebenso einfließen wie die Interessen und Rechte der Gesellschafter der Gläubiger, der Arbeitnehmer, der Kundschaft und der Gesellschaft insgesamt. Ein solcher integrativer Ansatz kann dazu beitragen, eine Gesellschaftsform zu etablieren, die nachhaltig ist und sich durch Fairness sowie Zukunftstauglichkeit auszeichnet.
Zum Autor:
Nabil el Berr ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei PwC Legal AG mit Fokus auf Unternehmensfinanzierung und Gesellschaftsrecht.