„Es ist keine Krise, sondern die Rückkehr zur Normalität“

Interview mit Monika Steger, Bayern Kapital

Monika Steger, Bayern Kapital
Monika Steger, Bayern Kapital

Bildnachweis: Bayern Kapital.

Bayern Kapital investiert bis zu 25 Mio. EUR in Scale-ups und hat sich damit als wichtiger Player im Later Stage-Segment etabliert. Geschäftsführerin Monika Steger blickt auf die aktuellen Entwicklungen und erklärt, was ein starker deutscher Wachstumskapitalmarkt braucht.

VC Magazin: Sie feiern im nächsten Jahr Ihr 30-jähriges Jubiläum, haben in dieser Zeit die Dotcomblase ebenso wie die Finanzkrise miterlebt. Wie ordnen Sie die derzeitige Marktlage im großen Kontext ein?

Steger: Wenn man zurückblickt, gab es Ende 1995 eine Handvoll Player wie TVM oder tbg und eben Bayern Kapital, aber weder Business Angels – den Begriff kannte man gar nicht – noch eine Trennung in Early- und Later Stage. Der Markt hat sich seither also enorm entwickelt. Sicher gab es Einbrüche: Der neue Markt mit der Dotcomblase oder die Lehman Brothers-Krise; diese waren aber wesentlich gravierender als die aktuelle Situation. In den letzten Jahren gab es viele Übertreibungen, oft nur eine kurze Due Diligence und sehr schnelle Entscheidungen. Momentan sehe ich daher eher eine Rückkehr zur Normalität, die Szene ist insgesamt reifer geworden. Letztlich gibt es deutlich mehr Player im Markt, eine größere Vielfalt, und gerade in Deutschland und Europa ist viel entstanden; die Geschäftsmodelle sind substanzieller geworden, es gibt zahlreiche Ausgründungen. Allein in München hat sich ein riesiges Ökosystem entwickelt. Wir brauchen uns daher nicht so sehr hinter den USA verstecken, wie es oftmals propagiert wird.

VC Magazin: Angesichts der aktuellen wirtschaftlich herausfordernden Situation gestalten sich Wachstumsfinanzierungen seit einiger Zeit schwierig. Wie erleben Sie den derzeitigen Markt?

Steger: Die Investments werden wieder mehr und länger geprüft, und es wird verstärkt darauf geachtet, ob die Konsortiumspartner folgefinanzierungsfähig sind. Die Investoren fragen nach tragfähigen Geschäftsmodellen und Umsätzen, wie die Start-ups letztlich Geld mit ihrem Produkt verdienen möchten – und das ist gut und richtig so. Es wird wieder substanzieller auf die Investitionen geschaut, und das führt natürlich auch dazu, dass manches Unternehmen keine Finanzierungsrunde stemmen kann, Insolvenzen und Liquiditätsengpässe wieder Thema werden. Die besondere Herausforderung im Later Stage-Bereich sind die größeren Finanzierungen, da ausländisches Kapital derzeit weniger investiert wird. Wir erinnern uns an Tiger Global & Co., die Mio. EUR in den letzten Jahren investiert haben und sich nun aus dem deutschen Markt zurückgezogen haben. Das ist bei den Wachstumsfinanzierungen deutlich stärker zu spüren als im Early Stage-Segment, weil sich 3 Mio. bis 5 Mio. EUR eben doch ein Stück weit leichter im Konsortium zusammenstellen lassen.

VC Magazin: Inwiefern spürt Ihr knapp 100 Start-ups umfassendes Portfolio die aktuelle Krise? Wo drückt der Schuh am meisten, wem gelingt eine Folgefinanzierung?

Steger: Unsere Besonderheit ist unser generalistischer Investitionsansatz. Wir setzen auf alle innovativen Branchen in Bayern, hatten schon immer den Fokus auf Technologien. Heute spricht jeder von Deeptech – das machen wir bereits seit Jahren. Unser Fokus liegt klar auf B2B-Geschäftsmodellen, und das hilft uns insgesamt beim Portfolio. Wir sind nach wie vor gut aufgestellt, uns gelingen Finanzierungsrunden. Dennoch sind wir immer Teil eines Konsortiums und spüren es, wenn sich unsere privaten Marktpartner zurückhaltend zeigen, was dann auch bei uns Einfluss auf Folgefinanzierungen und neue Beteiligungen hat. Was man darüber hinaus nicht genug betonen kann, ist der Fokus auf die Profitabilität. Uns ist immer wichtig, dass die Unternehmen stets Fortschritte erreichen, an der Umsetzung ihrer Pläne arbeiten und nicht direkt nach der Finanzierung wieder ins Fundraising müssen. Hierauf haben wir schon immer stark geachtet – und das kommt uns in solchen Zeiten auch zugute.

VC Magazin: Mit ihrem ScaleUp-Fonds Bayern investieren Sie in Later Stage-Start-ups. Erst kürzlich haben Sie sich an Smart Reporting beteiligt, das medizinische Dokumentation mittels KI vereinfacht. Was macht das Unternehmen für Sie so spannend?

Steger: Smart Reporting kombiniert KI und Digitalisierung, und dies in einem stark wachsenden Marktsegment im medizinischen Bereich, denn das Reporting nimmt für die Ärzte immer mehr Zeit und Raum in Anspruch. Hier setzt das Unternehmen als internationaler Vorreiter in der medizinischen Dokumentation an. Gleichzeitig bereitet die Software von Smart Reporting die medizinischen Dokumente auf, sodass sie vollständig auswertbar sind und somit wichtige Daten für die Forschung gewonnen werden können. Weltweit muss eine immer größere Anzahl von Befunden durch eine immer geringere Anzahl von Radiologinnen und Radiologen bewältigt werden. Hier bieten sich enorme Chancen für digitale Geschäftsmodelle, und wir sehen einen großen Zukunftsmarkt.

VC Magazin: KI ist derzeit ein absolutes Trendthema. Wie bewerten Sie den Hype?

Steger: Aktuell ist KI stark im Fokus. In fast jedem Businessplan lesen wir von Künstlicher Intelligenz, wenngleich nicht überall KI drin ist, wo es draufsteht. Alle zehn bis 15 Jahre kommen bahnbrechende neue Technologien, die komplette Märkte und die Art, wie wir arbeiten und leben, verändern. Beispiele hierfür sind die Entwicklung des PCs, die Erfindung des Internets und das Smartphone mit dem mobilen Internet sowie Cloud Computing. Die nächste große technologische Revolution, inmitten derer wir uns bereits befinden, ist die Künstliche Intelligenz. Wir sehen KI als nachhaltiges Thema mit generell großem Potenzial. Die Frage ist letztlich: Wer setzt sich durch und welche Geschäftsmodelle sind skalierbar? Der Markt ist sehr global, und kleinere Start-ups haben vor allem in Nischen eine Chance.

VC Magazin: Welche Branchen sehen Sie neben KI als Trendbranchen, wer hat es schwer?

Steger: Was sicher immer Bestand haben wird, ist das Thema Life Sciences – hier erwarten wir im medizinischen Bereich noch viele Innovationen. Ebenso sind skalierbare SaaS-Geschäftsmodelle weniger konjunkturanfällig und daher beliebt. Neu auf dem Tableau liegen Spacetech, Dual Use und Cybersecurity, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Bedrohungen. Auch Cleantech ist weiter im Trend, dies durch die globale Notwendigkeit zur Reduktion von CO2-Emissionen und den Übergang zu nachhaltigen Energielösungen.

VC Magazin: Was braucht es in Deutschland, um einen starken Later Stage-Investmentmarkt zu erreichen?

Steger: Um in der Lage zu sein, große Finanzierungsrunden zu stemmen, müssen mehrere Instrumente an den Start gebracht werden: Es braucht neben öffentlichen Later Stage-Fonds, wie unserem ScaleUp-Fonds Bayern, noch mehr größere private deutsche und europäische Venture Capital-Fonds. Es gibt bereits Vorreiter wie HV Capital, und der Wachstumsfonds Deutschland wird künftig auch eine wichtige Rolle für private Fonds spielen. Aber es müssen auch mehr Versicherungen und Stiftungen in Venture Capital-Fonds investieren. Auf der Exit-Seite braucht es einen Börsenkanal in Europa. Das wurde zwar immer versucht, aber bislang gehen die großen Startups nach wie vor in den USA an die Börse; hieran muss gearbeitet werden. Die Unicorns und große deutsche beziehungsweise europäische Wachstumsrunden haben eine positive Auswirkung auf den Markt und werden über unsere Grenzen hinaus wahrgenommen. Was noch mehr in den Vordergrund rücken müsste, gerade im Bereich Deeptech wie bei Quantencomputing und Fusion, sind längere Haltedauern in den Fonds selbst seitens der Limited Partner, um die wichtigen Deeptech-Innovationen auch angemessen begleiten zu können. In diesen Segmenten sind zehn Jahre keine Zeit – auch hieran müssen wir arbeiten und die Gespräche suchen oder mehr auf Secondaries setzen. Insgesamt schaue ich vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Und wir sind immer auf der Suche nach innovativen technologiegetriebenen Start-ups und Scale-ups, die wir bei ihren Frühphasenfinanzierungen und mit großen Tickets im Later Stage-Bereich begleiten wollen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerin:

Monika Steger ist Geschäftsführerin von Bayern Kapital, der Venture-/Growth Capital-Gesellschaft des Freistaats Bayern. Sie begleitet innovative Hightech- und Deeptech-Unternehmen über verschiedene Wachstumsphasen, von Seed- bis Later Stage, mit Beteiligungskapital in Höhe von 0,25 Mio. bis 25 Mio. EUR.