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Der Marktanteil des von Wachstumsunternehmen eingeworbenen risikofinanzierten Fremdkapitals nimmt weiter zu. Neben dem herkömmlichen Venture Debt hält mit dem Revenue-Based Financing ein vergleichsweise junges Fremdkapitalinstrument zunehmend Einzug in den deutschen Finanzierungsmarkt. Um die optimale Finanzierung für das eigene Unternehmen zu finden und so den langfristigen Erfolg zu sichern, ist es empfehlenswert, die Nuancen zwischen diesen beiden Optionen zu verstehen.
Die aufgrund politischer und wirtschaftlicher Krisen anhaltende volatile Marktsituation führt für viele Start- und Scale-ups zu niedrigeren Unternehmensbewertungen, was die Konditionen einer Eigenkapitalfinanzierung unattraktiver macht. Auch dies scheint ein Grund für die steigende Beliebtheit von Fremdkapitalfinanzierungen zu sein. Mittlerweile existiert eine Vielzahl von auf risikofinanziertes Fremdkapital spezialisierten Anbietern, die im Detail sehr individuelle Finanzierungsprodukte bereithalten. Für Unternehmen lohnt es sich daher, die unterschiedlichen Spezifika von herkömmlichem Venture Debt und Revenue-Based Financing (RBF) zu kennen und bewerten zu können.
Was ist Venture Debt?
Venture Debt sind Kredite mit Laufzeiten von zwei bis vier Jahren, innerhalb derer Zins- und Tilgungszahlungen in festgelegten Raten zu leisten sind. Dies hat einerseits den Vorteil der Vorhersehbarkeit, kann andererseits aber zu Liquiditätsengpässen oder Zahlungsausfällen führen, wenn die Einnahmen erheblich zurückgehen. In der Regel erfolgt eine erstrangige Besicherung des gesamten Vermögens des Darlehensnehmers. Meist wird der Kredit mit einer Option des Darlehensgebers kombiniert, eine geringfügige Anzahl an Geschäftsanteilen (Warrant) oder eine virtuelle Beteiligung (Equity Kicker) an der Gesellschaft zu erwerben. Dies führt zu einer (ökonomischen) Verwässerung der Gesellschafter. Im Vergleich zu einer Eigenkapitalfinanzierung ist die Verwässerung zwar deutlich geringer, sie muss aber bei den effektiven Kapitalkosten berücksichtigt werden. Typischer Bestandteil sind umfangreiche Handlungsgebote beziehungsweise -verbote, unter anderem bestehend aus weitgreifenden Auflagen (insbesondere Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen), welche operative und strategische Entscheidungsprozesse beeinflussen sowie erheblichen administrativen Aufwand verursachen können. Venture Debt-Finanzierungen weisen häufig eine relativ komplexe Vertragsstruktur auf.
Für wen ist Venture Debt geeignet?
Unternehmen sollten bereits eine große beziehungsweise mehrere kleine Eigenkapitalfinanzierungsrunden abgeschlossen und einen gewissen Reifegrad erlangt haben. Oftmals erfolgt daher die Aufnahme von Venture Debt in Kombination mit oder im Anschluss an eine Eigenkapitalfinanzierung. Wesentliche Anforderungen sind etwa (i) ein erwiesenes und tragfähiges Geschäftsmodell, (ii) ein robustes und skalierbares Geschäftsmodell sowie (iii) ein Managementteam mit ausreichender Erfahrung und der Fähigkeit, die Skalierung des Unternehmens zu ermöglichen und dieses in die nächste Wachstumsphase zu führen. Venture Debt kann sinnvoll sein, um den Zeitraum zwischen einzelnen Finanzierungsrunden zu verlängern und/oder einen wichtigen Meilenstein zu erreichen und so die Bewertung des Start-ups noch am Ende eines Investitionszyklus zu erhöhen.
Was ist Revenue-Based Financing?
Beim an das Venture Debt angelehnten Revenue-Based Financing (umsatzorientierte
Finanzierung) erhält das Unternehmen einen Kredit, dessen Laufzeit in der Regel ein bis fünf Jahre beträgt. Die Rückzahlungsmodalitäten sind derart ausgestaltet, dass die zu leistenden Tilgungsraten auf der Grundlage der vorangegangenen monatlichen Umsätze errechnet werden. Dadurch wird eine flexible Rückzahlungsstruktur vereinbart, wobei die Höhe der monatlichen Tilgungsrate und unter Umständen auch die Gesamtsumme des zu tilgenden Darlehens vom Umsatz des Unternehmens abhängen: In umsatzstarken Monaten steigt somit die monatliche Tilgungsrate, in umsatzschwachen Monaten sinkt sie. Der Umsatzanteil beträgt üblicherweise 2% bis 6%. Im Gegensatz zu den fixen Raten bei Venture Debt bietet RBF somit ein dynamischeres Risiko-Umsatz-Profil. Meist werden bei einem RBF keine Zinsen bezahlt. Die Anforderungen an die interne Governance sind zudem deutlich geringer als beim herkömmlichen Venture Debt. Warrant oder Equity-Kicker sind in der Regel kein Bestandteil von RBF, was effektiv zu geringeren Kapitalkosten führen kann. Die vergleichsweise einfache Vertragsstruktur erlaubt meist eine höhere Transaktionsgeschwindigkeit.
Besondere Ausgestaltungen des RBF
Die Ausgestaltungsmöglichkeiten des RBF sind sehr vielfältig und lassen sich kaum abschließend darlegen. Hinsichtlich Zinsen und Laufzeit gibt es jedoch zwei typische Grundkonstellationen: Im „Modell der Pauschalgebühr“ erhält der Darlehensgeber für einen festgelegten (meist längerfristigen) Zeitraum pauschal einen bestimmten prozentualen Anteil der monatlichen Umsätze des Darlehensnehmers, unabhängig davon, ob in dem festgelegten Zeitraum die gewährte Kreditsumme erreicht, unterschritten oder überschritten wurde. Der Fremdkapitalgeber trägt damit das Risiko, bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung des Unternehmens weniger als die gewährte Kreditsumme zurückzuerhalten, hat aber zugleich die Möglichkeit, in erheblichem Umfang am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu partizipieren. Diese Risikoverteilung rechtfertigt es, dass üblicherweise keine zusätzliche Zinszahlung vereinbart wird. Im „variablen Inkassomodell“ wird der Kredit in monatlichen Raten nach dem Modell der Umsatzbeteiligung zurückgezahlt, bis der Kredit vollständig getilgt ist. Abhängig vom jeweiligen Umsatz verlängert (bei niedrigeren Umsätzen) oder verkürzt (bei höheren Umsätzen) sich die Laufzeit. Der umsatzbasierte Ansatz beeinflusst somit lediglich die Laufzeit des Kredits, nicht aber die Summe der Darlehenstilgung. In dieser Variante wird meist eine Verzinsung des Kredits vorgesehen.
Für wen ist Revenue-Based Venture Debt geeignet?
RBF ist grundsätzlich für jede Art von Unternehmen geeignet, und zwar auch für solche, die sich nicht auf dem klassischen Venture Capital-Pfad befinden. Auch Unternehmen, die in ihrer Entwicklung weiter fortgeschritten sind, können von diesem Instrument profitieren.
Jedoch kommt ein solches zumeist nur als Ergänzung zu anderweitigen Instrumenten oder zur Überbrückung zweier Finanzierungsrunden in Betracht. Einem darüber hinausgehenden Nutzen steht entgegen, dass in der Regel nur kleinvolumige Kredite dieser Art begeben werden. Insbesondere sehr junge Unternehmen und solche, deren Umsätze stark saisonalen Schwankungen unterliegen, können vom RBF profitieren. Diese können sich vergleichsweise geringe Summen an Kapital beschaffen, ohne erhebliche Sicherheiten leisten oder Beteiligungen am Unternehmen einräumen zu müssen. Zeitgleich besteht eine flexible, den konkreten wirtschaftlichen Begebenheiten entsprechende Tilgungsverpflichtung, die das Risiko einer daraus resultierenden Zahlungsunfähigkeit verringert.
Fazit und Ausblick
In Zeiten niedriger Unternehmensbewertungen können RBF beziehungsweise Venture Debt attraktive Alternativen zur traditionellen Eigenkapitalfinanzierung sein und Unternehmen den Zugang zu Wachstumskapital ohne ein Bewertungsereignis ermöglichen. Welches das „richtige“ Fremdkapitalinstrument ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von der individuellen Situation des Unternehmens ab. Unternehmen sollten daher Finanzierungsbedarf und -strategie genau prüfen, bevor sie sich für ein Produkt entscheiden. Auch für reifere Unternehmen wird das RBF die etablierten Finanzierungsinstrumente wohl nicht ersetzen, sondern eher eine zusätzliche Alternative bieten. Für den großvolumigen Finanzierungsbedarf wird aber wahrscheinlich weiter auf das herkömmliche Venture Debt oder ähnliche Instrumente zurückgegriffen werden. Neben der Entscheidung für ein bestimmtes Finanzierungsinstrument sollten Unternehmen zudem reichlich Aufwand in die Auswahl des passenden Fremdkapitalgebers investieren. Die Erfahrung zeigt, dass Fremdkapitalgeber unterschiedliche Risikoprofile haben und dasselbe Unternehmen von verschiedenen Fremdkapitalgebern deutlich abweichende Konditionen erhalten kann. Es steht zu erwarten, dass die Relevanz von Venture Debt und RBF in den kommenden Jahren weiter steigen wird.
Über die Autoren:
Dr. Sebastian Sumalvico ist Partner, Roman W. Krug, LL.M., ist Associate der LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB am Standort München. Beide sind spezialisiert auf Venture Capital und M&A und beraten und begleiten sowohl Start-ups als auch Investoren in Finanzierungsrunden und Venture Debt-Transaktionen.