Zeitenwende: Werden Waffen nachhaltig?

Kommentar

Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen
Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen

Bildnachweis: Bank im Bistum Essen.

Während Kriege und bewaffnete Konflikte weltweit zunehmen, nimmt die Ablehnung gegenüber Investitionen in die Rüstungsindustrie rapide ab. Vor dem russischen Überfall auf die Ukraine beispielsweise beurteilte mehr als die Hälfte der deutschen Privatanleger eine Investition in Rüstungsunternehmen als moralisch verwerflich. Danach fanden zwei Drittel der Anleger laut einer Verivox-Umfrage von 2022 ein solches Investment in Ordnung oder waren nicht mehr strikt dagegen. Anders formuliert: Die Finanzierung von Kriegsgerät ist angesichts der aktuellen Weltlage salonfähig geworden – bei privaten, aber auch institutionellen Anlegern.

Gesellschaftliche Veränderungen wie diese fordern von der Finanzwelt in der Regel ein strategisches Nachjustieren oder gar Umdenken; eine Neubewertung von Investitionsrichtlinien und Klassifizierungen. Und so stellen sich auch auf ethisch-nachhaltige Geldanlagen spezialisierte Häuser die Frage: Ist es nicht an der Zeit, die Rüstungsindustrie aus der Schmuddelecke herauszuholen und in den Kreis der „guten“ Investments aufzunehmen – sie vom Geächteten zum Geachteten zu machen?

So sozial sind Waffen

Die Rüstungsindustrie selbst bejaht diese Frage nicht nur nachdrücklich. Sie bewertet sich selbst auch als nachhaltig im Sinne einer möglichen sozialen EU-Taxonomie, die als Ergänzung der bestehenden ökologischen Taxonomie diskutiert wird. Als Begründung führt sie – verkürzt – an, dass nur durch die Produktion von Rüstungsgütern das Bestehen demokratischer, freier und florierender Staaten für nachfolgende Generationen gesichert werden kann. Und auch die Europäische Union selbst sträubt sich anscheinend nicht gegen den expliziten Ausschluss von mit der Rüstungsproduktion assoziierten Wirtschaftstätigkeiten aus der Taxonomie. Im Klartext würde eine Einstufung als nachhaltige Wirtschaftsaktivität im Sinne der EU-Taxonomie bedeuten, dass sich Investitionen in Rüstungskonzerne künftig (positiv?) auf die Taxonomiequoten auswirken könnten – und dass sie Bestandteil von Artikel 9-Fonds gemäß Offenlegungsverordnung sein dürften. Spiegelt sich darin wirklich der Geist der Nachhaltigkeit und der Wille nachhaltigkeitsaffiner Anleger wider? Wohl kaum.

Wehrhaftigkeit begründet keine Nachhaltigkeit

Dass Staaten in ihre Verteidigung investieren müssen – sei es im eigenen Land oder stellvertretend in Drittstaaten wie der Ukraine –, steht außer Frage. Schließlich ist es im Interesse aller Bürger, dass ihre Heimat wehrhaft ist. Wehrhaftigkeit aber begründet keine Nachhaltigkeit, denn Nachhaltigkeit erfordert zwingend ein ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähiges Handeln – sowohl im Hier und Jetzt als auch in Zukunft. Rüstungsgüter hinterlassen dort, wo sie eingesetzt werden, jedoch zwangsläufig massive Umweltschäden, soziales Elend und wirtschaftliche Ödnis. Darum ist es folgerichtig, dass ethisch-nachhaltige Geldanlagen auch künftig strenge Ausschlusskriterien mit Blick auf die Rüstungsindustrie ansetzen. Diese Überzeugung wird unter anderem vom Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (AKI) sowie der FinAnKo bekräftigt, die ihre Kriterien für Finanzanlagen in ebendiesen Wirtschaftszweig jüngst sogar verschärften. Und seien wir doch einmal ehrlich: Den wenigsten Investoren, die sich jetzt für ein starkes Engagement in die Rüstungsindustrie einsetzen, geht es um Frieden, Gerechtigkeit oder Patriotismus. Viel überzeugender dürften wohl die satten Renditen sein, die sich mit entsprechenden Anlagen derzeit erzielen lassen.

Über den Autor:

Dr. Peter Güllmann ist Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen und unter anderem verantwortlich für das Kreditgeschäft, Mikrofinanzierung und Nachhaltigkeit. Zudem ist er Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Soziales beim Bischof von Essen.