Bildnachweis: FCF Fox Corporate Finance, VR Equitypartner, BayBG.
Die Herausforderungen der deutschen Wirtschaft sind groß: Energiepreisexplosionen, Lieferkettenengpässe, Fachkräftemangel und nicht zuletzt im Mittelstand die Finanzierung der Transformation. Verlässliche Finanzierungspartner gewinnen daher immer mehr an Bedeutung – nur braucht es dafür auch die entsprechenden Wachstumsstorys.
Wachstumsfinanzierungen spielen in der Wirtschaft eine wichtige Rolle, denn sie stellen
Unternehmen Kapital zur Verfügung, das für Expansion, Innovation und Markterschließung
benötigt wird. Beteiligungsgesellschaften und Private Equity-Häuser teilen das unternehmerische Risiko und bringen häufig auch Fachwissen und Erfahrung in die Unternehmensführung ein. Diese Finanzierer fördern insbesondere innovative und technologiegetriebene Unternehmen, was wiederum insgesamt zur Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft beiträgt. Mit einem langfristigen Investmenthorizont ermöglichen diese Kapitalgeber die Umsetzung nachhaltiger Wachstumsstrategien und unterstützen bei Börsengängen und M&A-Aktivitäten.
Verschmelzung von Wachstums- und Transformationsvorhaben
Die BayBG zum Beispiel bietet Beteiligungskapital für den bayerischen Mittelstand. In den vergangenen 50 Jahren hat sie über 4.000 Unternehmen als Kapitalgeberin begleitet. „Wir unterstützen Unternehmen in allen Phasen des Lebenszyklus – von der Existenzgründung über Wachstums- und Transformationssituationen, auch im Bereich Turnaround, bis hin zu Unternehmensübergaben“, so Geschäftsführer Peter Herreiner. Das Kerngeschäft liegt in der Finanzierung von Wachstumsstrategien mittels Minderheitsbeteiligungen und Mezzaninkapital. Bei etwa 75% der Unternehmen beteiligt sich die BayBG über stille Beteiligungen, bei etwa 25% wird sie per Minderheitsbeteiligung Gesellschafterin. Herreiner und sein Team erhalten pro Jahr etwa 600 Anfragen aus allen Branchen. Das aktuelle Portfolio umfasst 400 Unternehmen. „Ungefähr die Hälfte unseres Portfolios sind klassische Wachstumsfinanzierungen und Transformationsvorhaben“, so Herreiner, „bei der anderen Hälfte geht es vor allem um Startups und Nachfolgethemen.“ Aktuell beobachtet er eine stärkere Vermischung von Wachstums- und Transformationsthemen „Transformationen sind grundsätzlich auch wachstumsorientiert, sind teils proaktiv, teils defensiv angelegt und dienen typischerweise der Verbesserung oder Verteidigung von Wettbewerbsfähigkeit in einem bestehenden Markt.“
Großes Spektrum alternativer Finanzierungsmöglichkeiten
Nur etwa jede hundertste Firma benötigt privates Eigenkapital. Beteiligungsgesellschaften
wie die BayBG oder spezialisierte Corporate Finance-Beratungen kommen ins Spiel, wenn die Finanzierung für Banken zu riskant erscheint oder die Zusammenhänge komplex werden. „Alternative Finanzierungen sind dann interessant, wenn sich Unternehmen in besonderen Situationen befinden, zum Beispiel, wenn radikale Wachstumsschritte anstehen, wenn die Fremdkapitalquote zu hoch ist, wenn die Performance unter den Erwartungen liegt oder wenn im großen Stil Anteile zurückgekauft werden sollen“, sagt Arno Fuchs, Gründer und Geschäftsführer von Fox Corporate Finance (FCF) in München. FCF entwickelt individuelle Finanzierungslösungen für mittelständische Unternehmen. Dabei kommt die gesamte Bandbreite von Finanzierungs-möglichkeiten zum Einsatz: von klassischen Bankkrediten über Risiko-/Wachstumskapital, Factoring, Leasing, Lagerfinanzierung und Mezzanin bis hin zu Wandeldarlehen. FCF arbeitet typischerweise mit Unternehmen aus dem inhabergeführten Mittelstand zusammen. „Diese Firmen müssen im Schnitt alle drei Jahre ihre bestehende Finanzierung refinanzieren“, so Fuchs. Die meisten von ihnen brauchen und wollen keine Eigenkapitalfinanzierungen oder nachrangige Darlehen. „Der deutsche Mittelstand ist nach wie vor sehr konservativ und zurückhaltend, wenn es um alternative Finanzierungen geht“, weiß Fuchs.
Herausforderungen im Mittelstand nehmen zu
Doch um die zunehmenden Herausforderungen zu bewältigen, benötigen Unternehmen robuste Kapitalstrukturen. „Das drängendste Thema im Mittelstand ist der Fachkräftemangel“, sagt Peter Sachse, Geschäftsführer von VR Equitypartner, einem führenden Eigenkapitalfinanzier für den Mittelstand in der DACH-Region. Die Tochter der DZ Bank begleitet mittelständische Unternehmen bei Wachstumsfinanzierungen, Unternehmensnachfolgen und Gesellschafterwechseln und bietet dazu Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen sowie Mezzaninkapital. Durch den demografischen Wandel werde der Fachkräftemangel noch zunehmen, so Sachse: „Dieses Thema wird uns noch Jahre begleiten, denn bis 2030 werden hierzulande drei Millionen Menschen mehr in den Ruhestand gehen als neu zum Arbeitsmarkt dazukommen.“ Auch die Energiepreise stellen weiterhin ein ernst zu nehmendes Risiko dar. „Aktuell verzeichnen wir zwar einen Preisrückgang, doch das strukturelle Problem ist nicht gelöst, und das bereitet besonders den energieintensiven Branchen Probleme.“ Da viele Portfoliounternehmen von VR Equitypartner betroffen sind, wurde zusammen mit Energieexperten ein Workshop organisiert, um bessere Energie- und Einkaufsstrategien zu entwickeln. Fast alle Portfoliounternehmen nahmen daran teil. Bei anderen Themen unterstützen Sachse und sein Team das verantwortliche Management der Portfoliounternehmen auch operativ. Für das Sparring auf Geschäftsleitungsebene steht ein Team sogenannter Operating Partner bereit, die selbst erfolgreich Unternehmen geleitet haben. Das Thema ESG sei angesichts geopolitischer Krisen in den Hintergrund geraten, doch speziell vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels werde es für Unternehmen immer wichtiger, auch unter ESG-Gesichtspunkten wettbewerbsfähig zu sein, so Sachse. „Die Umsetzung von Nachhaltigkeits- und ESG-Strategien ist bei Private Equity-Deals zunehmend ein werttreibender Faktor, und wir erwarten, dass ESG-Kriterien künftig einen noch größeren Einfluss auf den Kaufpreis haben werden.“
Wetterfeste Finanzierungen gewinnen an Bedeutung
„Die einzelnen Themen können Unternehmen leicht adressieren und abarbeiten“, so Herreiner, „doch heute treffen sehr viele Herausforderungen gleichzeitig aufeinander – Fachkräftemangel, der steigende Druck zur Dekarbonisierung, der Krieg in der Ukraine, zunehmende geopolitische Unsicherheit und fragile Lieferketten.“ Das erhöhe die Unsicherheit, denn die globale Wirtschaft sei insgesamt störanfälliger geworden. Vorhersagen sind generell schwieriger geworden und weniger verlässlich. „Wir sehen, dass es heute deutlich mehr Planabweichungen gibt als früher.“ Vor diesem Hintergrund habe Verlässlichkeit auf der Finanzierungsseite in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Mit zunehmender Regulierung nach der Finanzkrise 2008 wurde der Spielraum für Banken, Unternehmen auch in kritischen Situationen Liquidität zur Verfügung zu stellen, deutlich eingeschränkt. „Von der Zurückhaltung der Banken profitieren wir in gewisser Weise“, sagt Herreiner. Allerdings könne die Bankenregulierung in einer möglichen nächsten Rezession für viele Mittelständler zum Problem werden. Auch Fuchs sieht in der stockenden wirtschaftlichen Dynamik ein latentes Risiko. „Wenn die Ergebnisse sich verschlechtern oder sogar einbrechen, können bislang solide Finanzierungsstrukturen in Schieflage geraten, etwa weil der Verschuldungsgrad oder die Fremdkapitalquote aus dem Ruder laufen.“ Ein zusätzliches Risiko können die steigenden Zinsen und damit deutlich steigende Zinsaufwendungen darstellen. Vor diesem Hintergrund wenden sich auch Unternehmen, die Kredite von den Banken bekommen könnten, häufiger an Beteiligungsgesellschaften. „Eine stille Beteiligung ist in der Krise viel stabiler als ein Kredit“, sagt Herreiner, „es gibt keine Covenants, keine Kündigungsrechte, keine operativen Sicherheiten.“ Mit solchen alternativen Bausteinen entstehe eine deutlich solidere Gesamtfinanzierung. „Ein bisschen weniger Bank und ein bisschen mehr stille Beteiligung hilft vielen Unternehmern, besser zu schlafen, egal, ob die Sonne scheint oder ob es regnet.“ Fuchs rät ebenfalls dazu, grundsätzlich alle Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Viele Unternehmen arbeiteten nur mit der Hausbank zusammen und erhielten nicht immer optimale Lösungen. „Anstatt einen bestimmten Betrag zu 100% von einer oder mehreren Banken zu leihen, kann man zum Beispiel 25% durch Factoring, 25% durch Sale und Lease Back einer Firmenimmobilie und nur zu 50% per Kredit finanzieren.“ Durch solche Lösungen ließen sich Finanzierungen regelmäßig günstiger und sicherer realisieren – und gleichzeitig stärkten Unternehmen ihre langfristige Verhandlungsposition gegenüber einzelnen Kapitalgebern.
Private Equity und Family Offices präsenter im Mittelstand
Aktuell laufe die Geschäftsentwicklung vieler Unternehmen unter Plan; manche lägen auch unter dem Vorjahr, so Herreiner. Darum lassen sich im Verkauf derzeit nicht immer die gewünschten Preise realisieren: „Viele Gesellschaften, die keinen Exit-Druck haben, warten derzeit noch ab.“ Das tendenziell rezessive Umfeld trifft insbesondere die stark konjunkturabhängigen Branchen wie Automotive und Maschinenbau hart. Doch starke Unternehmensprofile erzielten auch heute gute Kaufpreise, so Herreiner. Bereiche wie etwa IT und Life Sciences verzeichnen mitunter zweistellige Wachstumsraten und haben einen entsprechend starken Kapitalbedarf. „Aufgrund der Stabilität der Geschäftsmodelle und des Wachstumspotenzials sind Branchen wie Software, IT und Gesundheit heute die Lieblinge der Private Equity-Branche“, so Fuchs. Herreiner beobachtet, dass die klassischen Private Equity-Unternehmen angesichts der verhaltenen Marktlage versuchen, im inhabergeführten Mittelstand stärker Fuß zu fassen. Und Sachse stellt fest, dass sich auch Family Offices zunehmend im Bereich der Mittelstandsfinanzierung engagieren. „Für die Unternehmen ist das eine gute Nachricht, denn Family Offices sind potenziell attraktive Co-Investoren mit einem langfristigen Investmenthorizont.“
Chancen in kommenden Unternehmensnachfolgen
Laut Sachse nehmen Unternehmensnachfolgen stark zu. „Das lässt sich flexibel handhaben – wir können Nachfolgeregelungen in der Minderheit und in der Mehrheit unterstützen.“ Wenn die Eigentümer das Ruder noch nicht aus der Hand geben möchten, können sie zum Beispiel zunächst 40% privates Eigenkapital ins Boot holen und später aufstocken. Zuletzt sei der Nachfolgemarkt etwas ins Stocken geraten, sagt Herreiner. „Doch das bedeutet nur, dass diese Regelungen etwas später zustande kommen, wenn wieder etwas mehr Wachstumsfantasie im Markt ist.“ Zudem wechselten bald auch die geburtenstarken Boomer-Jahrgänge, unter denen sich auch viele Geschäftsführer und Gesellschafter befinden, in den Ruhestand. Diese anstehende Welle von Unternehmensübergaben ist für Unternehmer, Beteiligungsgesellschaften und Beratungshäuser eine große Chance.
Beteiligungskapital braucht Wachstumsstorys
Genügend Beteiligungskapital steht in der DACH-Region bereit. „Von Venture Capital bis Buy-out gibt es Geld, viele internationale Beteiligungsgesellschaften wollen hier investieren“, so Fuchs. Doch dafür müssen die Unternehmen die entsprechenden Storys und Unterlagen liefern. Viele mittelständische Unternehmen seien zu sehr auf ihre eigene Technologie und ihre Produkte fokussiert. „Wir haben mehrfach beobachtet, dass US-amerikanische Firmen zwar technisch teils deutlich unterlegene Lösungen anbieten, aber aufgrund der besseren Präsentation die Investoren gewinnen.“ Wenn Unternehmen wachsen und passende Investoren suchen, sei es wichtig, auch einmal die makrostrategische Sicht einzunehmen und klar aufzuzeigen, wie Marktanteile, Wachstum, Cashflow und Gewinn erzielt werden. Unternehmen, die stark wachsen, sich in herausfordernden Situationen befinden oder Nachfolgelösungen entwickeln, haben also gute Chancen, die passenden Finanzierungsmöglichkeiten zu finden – wenn sie nur wollen.