Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Start-up-Szene

Diskussionsbeitrag zum Zukunftsfinanzierungsgesetz 2.0

Dr. Wolfgang Weitnauer, Weitnauer Rechtsanwälte
Dr. Wolfgang Weitnauer, Weitnauer Rechtsanwälte

Bildnachweis: Weitnauer Rechtsanwälte.

Durch die Reformen des Fondsstandortgesetzes 2022 und des Ende 2023 in Kraft getretenen Zukunftsfinanzierungsgesetzes sollte Deutschland als Kapitalmarktstandort attraktiver gemacht werden. Vieles blieb hier allerdings nur Stückwerk. Für den Start-up-Bereich stehen die folgenden Punkte im Fokus:

  • Innovationsförderung
    • Die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durch das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Forschungszulagengesetz (FZulG) schließt gemäß § 9 Abs. 2 FZulG „Unternehmen in Schwierigkeiten“ aus. Dieser Ausschluss gilt auch für sonstige öffentliche Förderprogramme, wie etwa ZIM oder KMU-innovativ. „Unternehmen in Schwierigkeiten“ sind GmbHs, die infolge aufgelaufener Verluste mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals verloren haben, so die Definition in Art. 2 Nr. 18a Satz 1 AGVO. Ausgenommen sind hiervon (mit Ausnahme von Risikofinanzierungsbeihilfen) KMU, die noch keine drei Jahre bestehen. Damit fallen alle forschungsintensiven Start-ups, die aufgrund ihrer F&E-Anstrengungen in den ersten Jahren typischerweise erhebliche Verluste aufbauen und häufig in der Seed-Phase über nachrangige Wandeldarlehen finanziert werden, aus der Förderung heraus. Auch wenn dies Überzeugungsarbeit bei der EU-Kommission erfordert, sollte das Alter ausgenommener KMU zumindest auf die übliche Haltedauer von Venture Capital-Beteiligungen bis zu einem Exit, etwa auf zehn Jahre, verlängert werden.
    • Dass Verlustvorträge bei einem Mehrheitswechsel nach § 8c KStG entfallen, blieb so auch nach der Entscheidung des BVerfG 2017, wonach der quotale Untergang der Verlustvorträge bei Übertragung von mehr als 25% bis zu 50% der Anteile für verfassungswidrig erklärt wurde, erhalten und wurde nur durch den auf Antrag zu gewährenden fortführungsgebundenen Vortrag nach § 8d KStG ergänzt. Mit Finanzierungsrunden verbundene Kapitalerhöhungen, die innerhalb von fünf Jahren zu einem Mehrheitswechsel führen können, sollten aber nicht einem schädlichen Beteiligungserwerb gleichgestellt werden. Ausgangspunkt war die nur der Missbrauchsverhinderung dienende Mantelkaufregelung in § 8 Abs. 4 KStG. Die Gleichstellung der Kapitalerhöhung mit einem schädlichen Beteiligungserwerb in § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG sollte daher gestrichen werden.
  • Innovationsbelohnung
    • Der Gesetzgeber hat mit dem FoStoG vom 3. Juni 2021 und ergänzt durch das ZuFinG mit § 19a EStG die Mitarbeiterkapitalbeteiligung fördern wollen. Hierdurch wird die Dry Income-Besteuerung des zugewandten geldwerten Vorteils von Beteiligungen aufgeschoben. Dies gilt allerdings nur für die Lohnbesteuerung, nicht für die Sozialversicherungspflicht. Bei der vollen Lohnbesteuerung virtueller Beteiligungen ist es geblieben. Nicht bedacht wurde, dass eine Beteiligung von Mitarbeitern als Mini-Mitgesellschaftern gerade im Start-up-Bereich nicht gewollt ist. Die Bündelung von Mitarbeiterbeteiligungen in einer eigenen Personengesellschaft ist mit einem in der Start-up-Phase nicht praktikablen strukturellen Zusatzaufwand verbunden. Da aber § 19a EStG allgemein bestimmte Vermögensbeteiligungen erfasst, darunter auch eigenkapitalähnliche Genussrechte, mag diese Form der Mitarbeiterbeteiligung zum gewünschten Ziel der Kapitalertragsbesteuerung führen, ohne Mitarbeiter als Gesellschafter beteiligen zu müssen. Jedenfalls sollte aber die Sozialversicherungspflicht bei Mitarbeiterbeteiligungen entweder ganz abgeschafft oder jedenfalls wie die Lohnsteuer aufgeschoben werden.
  • Investmentsicherheit
    • Fondsinvestoren müssen sich auf die steuerliche Transparenz der Fonds verlassen können, an denen sie sich beteiligen, um nicht gewerblich infiziert zu werden. Nach wie vor gilt für Venture Capitaloder Private Equity-Fonds das BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2003 zur steuerlichen Behandlung von Venture Capital- und Private Equity-Fonds. Da die Vorgaben des BMF-Schreibens nicht unerheblichen Interpretationsspielraum bieten, führt die fehlende gesetzliche Regulierung zur Verunsicherung vor allem ausländischer Investoren. Insbesondere ist nicht einsichtig, weshalb eine unternehmerische Unterstützung der Portfoliogesellschaften durch das Fondsmanagement zur steuerlichen Gewerblichkeit führen sollte, wenn die Leistungen nicht zusätzlich vergütet werden. Entsprechend der Freistellung von alternativen Investmentfonds (AIF) durch das ZuFinG von der Umsatzsteuer in § 4 Nr. 8h UStG sollten alle nach KAGB oder EuVECA-VO registrierten AIF als steuerlich transparent anerkannt werden. Damit würde auch die vergünstigte Besteuerung des Carried
      Interest der Initiatoren solcher Fonds abgesichert werden, da diese Steuervergünstigung gleichfalls die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft voraussetzt.
  • Investmentanreize
    • Das Invest-Förderprogramm bietet mit dem nach § 3 Nr. 71 EStG steuerfreien Zuschuss für den Erwerb und die Veräußerung von Venture Capital-Beteiligungen einen besonderen Anreiz für Investments von Privatpersonen in Start-ups. Die früheren Förderkonditionen sind aber nach der ab dem 6. März 2024 geltenden Invest-Förderrichtlinie weiter gekürzt, nämlich auf 15% statt zuvor 25% des Ausgabepreises beim Erwerbszuschuss und für den Exit-Zuschuss von 25% des Veräußerungsgewinns auf die Höhe des Erwerbszuschusses. Auch sind Anschlussfinanzierungen von der Förderung weiterhin ausgeschlossen. Um den Invest-Zuschuss auch wieder für erfahrene Business Angels attraktiver zu machen, sollte diese Beschränkung künftig wieder entfallen. Auch sind Unternehmen in Schwierigkeiten, wie bei der Förderung von F&E, auch beim Invest-Zuschuss ausgeschlossen, und auch hier mit der Ausnahme von Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind. Daher gilt auch beim Invest-Zuschuss der gleiche Appell, beihilferechtlich ältere Start-ups auszunehmen und Nachrangdarlehen als wirtschaftliches Eigenkapital zu behandeln.
    • Einen wesentlichen Anreiz für Privatinvestments würde es darstellen, wenn, ähnlich dem Qualified Small Business Stock in den USA und Beteiligungen an Venture Capital Trusts in UK, eine Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne in bestimmter Höhe oder zumindest
      ein Besteuerungsaufschub durch einen „Roll-over“ auf für im Privatvermögen gehaltene Anteile, ähnlich dem Besteuerungsaufschub für im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Anteile nach § 6b Abs. 10 EStG, gewährt würde.
  • Gründungs-/Investmenterleichterungen
    • Zwar sind Gründungs- und Beteiligungsprozesse bereits durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) und das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiREG) erleichtert worden, indem Beurkundungen mittels Videokommunikation ermöglicht wurden. Doch ist bislang das vor allem hinderliche und Start-ups mit erheblichen Kosten belastende notarielle Beurkundungserfordernis für Geschäftsanteilsübertragungen und die Verpflichtung hierzu nach § 15 Abs. 3, 4 GmbHG nicht angetastet worden. Zwar ist der Abschluss von Beteiligungsverträgen bei entsprechender Strukturierung entsprechend den Gessi-Vorlagen auch privatschriftlich beziehungsweise über DocuSign möglich. Doch würde durch die Streichung der notariellen Beurkundungsform jeder Zweifel hieran gegenstandslos werden.
  • Wachstumsförderung und Exit-Möglichkeiten
    • Start-ups sollten möglichst so mit Wachstumskapital ausgestattet werden, dass sie nicht einem vorzeitigen Verkaufsdruck ausgesetzt sind, sondern kapitalmarktfähig werden. Derartiges Wachstumskapital wird bereits durch öffentliche Mittel, wie den Zukunfts- und Wachstumsfonds, den DeepTech & Climate Fonds, Sprind und seit Kurzem auch den Opportunity Fonds des HTGF auf nationaler Ebene und auf europäischer Ebene durch die vom EIF betreute European Tech Champion Initiative bereitgestellt. Weiteres Kapital soll nun durch die nach dem Vorbild der französischen Tibi-Initiative von Juni 2023 nachempfundene Win-Initiative mobilisiert werden. Hierdurch sollen sich auch in Deutschland Versicherungen, Versorgungswerke und andere größere institutionelle Investoren dazu verpflichten, die durch Solvency II, CRR III oder auch die Anlageverordnung vorgegebenen Möglichkeiten von Venture Capital-Investments zu nutzen.
    • Der Öffnung des Kapitalmarkts für erfolgreiche Start-ups dienen der Capital Markets Union 2020 Action Plan und der in diesem Zusammenhang am 24. April 2024 vom EU-Parlament verabschiedete EU Listing Act, durch den unter anderem die Prospekterfordernisse oder auch Ad hoc-Meldepflichten vereinfacht werden. Mit Scale oder auch Euronext gibt es bereits für reifere KMU speziell vorgesehene Börsensegmente. Zu wesentlichen Impulsen führten sie bislang allerdings nicht. Dies mag an einer noch nicht ausgereiften Aktienkultur in Deutschland und Europa liegen. Hier könnte ein zumindest teilweiser Umbau des Rentenversicherungssystems von einem Umlage in ein Kapitaldeckungsverfahren nach dem Vorbild der Pensionsfonds in den USA, die zur Stärke des US-Venture-Capital-Markts geführt haben, helfen.

Fazit

Die deutsche Start-up-Szene leidet keinen Mangel an öffentlichem Geld. Es ist nun Sache des Gesetzgebers, bessere Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich vermehrt auch das private Kapital hinzugesellt.

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Über den Autor:

Dr. Wolfgang Weitnauer ist Gründer und Partner von Weitnauer Rechtsanwälte. Die Sozietät hat Büros in München, Mannheim, Berlin und Hamburg.