Rettet das Homeoffice!

Vorteile von Remote Work

Carsten Maschmeyer
Carsten Maschmeyer

Bildnachweis: Wolf Lux.

Es mehren sich die Schlagzeilen, dass einzelne Unternehmen das Homeoffice reduzieren oder wieder abschaffen wollen. Ein häufiges Strohmann-Argument dabei: „Auch Tech-Gigant XY beordert die Mitarbeiter zurück ins Büro.“ Sieht man genauer hin, gilt das entweder nur für Top-Führungskräfte oder aber es wird weder kontrolliert noch sanktioniert – weil diese Unternehmen schon früh verstanden haben, dass es auf Ergebnisse und Leistungen und nicht auf den Arbeitsort ankommt.

Einer der meistgenannten Gründe für die verpflichtende Rückkehr ins Büro ist ein Pseudo-Gerechtigkeitsgedanke. Manche Unternehmen, bei denen die Verwaltung ins Homeoffice gehen kann, die Produktion aber nicht, fürchten Unmut in der Belegschaft. Und natürlich gibt es Berufe, für die Homeoffice grundsätzlich nicht möglich ist – Handwerker und Pflegekräfte sind plakative Beispiele. Aber: Berufe und Tätigkeiten sind nun einmal unterschiedlich, von der Arbeitskleidung über Karrieremöglichkeiten bis hin zur Bezahlung. Warum muss dann beim Arbeitsort Gleichheit herrschen? Junge Menschen werden in die Berufswahl einbeziehen, ob es ihnen wichtig ist, von zu Hause zu arbeiten oder nicht.

Management by control abschaffen

Hinzu kommt Misstrauen, nach dem Motto: Wen der Chef nicht sieht, der tut auch nichts. Das ist aber falsch. Management by Control gehört abgeschafft – diese Chefs gehören eher in eine Fortbildung, die ihnen beibringt, wie Personalführung remote funktioniert. Aber zugegeben: 30 Jahre waren alle im Büro, dann drei Jahre nicht mehr. Und die 30 Jahre waren schlicht länger, und ein Abschied von dieser Prägung scheint einigen schwerzufallen.

Homeoffice nutzt den Unternehmen

Darüber hinaus ermöglicht Homeoffice eine beeindruckende Zeitersparnis und schont die Umwelt. Ein Rechenbeispiel zeigt das: Wer für den Weg ins Büro 30 Minuten benötigt und nur einen Tag pro Woche Homeoffice macht, spart im Jahr knapp 50 Stunden reine Fahrtzeit – hat also mehr als eine Arbeitswoche Lebenszeit gewonnen. Zusätzlich ist diese Person an diesem Tag nicht im Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Das reduziert CO2 und Staus, wovon auch der Berufskraftfahrer profitiert, der selbst kein Homeoffice machen kann. Verschiedene Studien legen nahe, dass Arbeitnehmer, die neben der Anwesenheit im Büro auch im Homeoffice arbeiten, kreativer, lösungsorientierter und mental gesünder sind. Damit werden auch die immer höheren Fehlzeiten reduziert. Ohnehin müssen sich Unternehmen darauf konzentrieren, dass Ergebnisse erreicht werden, nicht darauf, wo das passiert.

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Die Mischung macht’s

Mitte Juni wurde eine Umfrage von Capterra veröffentlicht, der zufolge 38% der Befragten sogar auf Gehalt verzichten würden, um im Homeoffice zu arbeiten. Unternehmen, die sich dem Homeoffice verweigern oder es zurückdrehen, haben schlechte Karten im War for Talent – oder können ihre Fachkräfte nicht halten. Deutlich wurde auch: Die meisten befragten Arbeitnehmer wünschen sich ein hybrides Modell. Denn es sprechen gute Gründe dafür, das Büro dem Homeoffice auch einmal vorzuziehen. Neue Kollegen einzuarbeiten ist online schwieriger, als ihnen vor Ort Arbeitsabläufe zu zeigen und die Unternehmenskultur vorzuleben. Manche Diskussionen führen zu kreativeren Ergebnissen, wenn man sich persönlich gegenübersitzt. Und wer auf dem Gang schnell eine Frage klären kann, muss keinen Zoom Call aufsetzen.

Mehr Interaktion im Büro

Zahlreiche Unternehmen haben Schreibtische und Einzelzimmer, die wegen Homeoffice nicht mehr benötigt wurden, abgeschafft und dafür Räumlichkeiten für Meetings und Interaktion eingerichtet. Das ist auch richtig, denn das Büro muss ein attraktiver Ort des sozialen Austauschs werden, der formelle und informelle Begegnungen ermöglicht. So wird es eine hervorragende Alternative zum Homeoffice. Zu Hause ist der richtige Ort für Deep Work und hoch konzentriertes Arbeiten, das Büro bietet Kreativität und Teamgeist. Entscheidend ist, nicht Zwang, sondern Attraktivität auszuüben. „Magnet vor Mandat“ nannte das Ivan Cossu, der Gründer des Start-ups Deskbird, das sich auf das Arbeitsplatzmanagement in hybriden Büros spezialisiert hat, auf einem Vortrag auf der Messe New Work Evolution. Das Unternehmen, das Homeoffice bietet, dessen Büro aber gleichzeitig gerne aufgesucht wird, hat enorme Wettbewerbsvorteile – es verbindet das beste beider Welten.

Über den Autor:

Carsten Maschmeyer ist Start-up-Investor und beteiligt sich mit seinen Fonds seed + speed, Alstin und MGV an circa 150 Start-ups in Europa und Amerika.