„Ohne Nachhaltigkeitsstrategie wird Fremdkapital schwerer zu bekommen sein“

Interview mit Meike Lerner (Bank im Bistum Essen)

Meike Lerner (Bank im Bistum Essen)
Meike Lerner (Bank im Bistum Essen)

Bildnachweis: Bank im Bistum Essen, VentureCapital Magazin, Pixabay.

Mit ihrem Buch „Nachhaltige Unternehmensstrategien für Dummies“ hat Meike Lerner einen Ratgeber für Unternehmer verfasst, um das Thema Nachhaltigkeit in einen Erfolgsfaktor zu verwandeln. Worauf es dabei ankommt, verrät sie im Interview.

VC Magazin: Sie haben in Ihrem Buch über Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen geschrieben. In welchem Maße ist das Thema Nachhaltigkeit beim Mittelstand bisher angekommen?

Lerner: Leider in einem noch viel zu geringen und vor allem oft mit einer falschen Wahrnehmung. Dass Nachhaltigkeit entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und kein Nice-to-have-Thema mehr ist, scheint vielen Geschäftsführern von KMU noch immer nicht bewusst zu sein. Es geht längst nicht mehr nur darum, auf Umweltpapier umzusteigen oder einen Veggie Day einzuführen. Vielmehr ist eine valide Nachhaltigkeitsstrategie entscheidend für die Beurteilung der Governance von Unternehmen – und damit auch für die Risikobewertung durch potenzielle Investoren und Kreditgeber. Für diese muss plausibel sichtbar sein, wie sich Unternehmen auf den Weg der nachhaltigen Transformation machen. Hat ein Unternehmen keinen Plan davon, wie es künftig entlang der Lieferkette zum 1,5-Grad-Ziel beitragen, Ressourcen sparen oder Arbeitsbedingungen optimieren kann, steigt das Ausfallrisiko mittel- und langfristiger Kredite; potenzielle Renditen schrumpfen. Kurz: Fremdkapital wird teurer und schwerer zu bekommen sein. Das ist kein dystopisches Zukunftsszenario, sondern Realität.

VC Magazin: Welche Rolle können Start-ups bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien für Mittelständler spielen?

Lerner: Start-ups haben die große Chance, Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten von Beginn an in die eigene Unternehmensphilosophie und Geschäftstätigkeit zu integrieren. Das färbt potenziell auch auf die Zusammenarbeit mit KMU ab – ob diese nun Kunde oder B2B-Partner sind. Man spricht zwar auch bei der Nachhaltigkeit von einem Trickle-down-Effekt von den großen Unternehmen hin zu den kleineren. In diesem Fall kann ich mir aber auch vorstellen, dass das Bottom-up-Prinzip wirkt – die kleinen also durch ihr Geschäftsgebaren Einfluss auf größere Unternehmen haben. Außerdem sind es aktuell gerade Start-ups, die gute und praktikable Lösungen für die Umsetzung von nachhaltigen Unternehmensstrategien liefern, sei es in Form von Softwarelösungen für das ESG-Datenmanagement oder im Beratungsbereich.

VC Magazin: Was raten Sie Unternehmern, die mehr Nachhaltigkeit in ihre Firma bringen wollen? An welchen Stellschrauben lässt es sich am leichtesten ansetzen?

Lerner: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Der Impact auf Mensch und Umwelt hängt stark davon ab, ob eine Firma zum Beispiel im produzierenden Gewerbe oder in der Dienstleistungsbranche unterwegs ist. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Hebel, die bedient werden können. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber dennoch: Gerade der Mittelstand agiert in bestimmten Bereichen oft schon nachhaltig, etwa aus einer sozialen Verantwortung und Standortverbundenheit heraus. Der erste und einfachste Schritt ist, strategisch zu analysieren, was schon alles da ist. Viele Firmen sind überrascht, was alles zur Nachhaltigkeit zählt und bisher als selbstverständlich unkommentiert blieb. Weiß ein Unternehmen, wo es steht, kann es Schwerpunkte setzen, Ziele formulieren und Maßnahmen initiieren. Fertig ist die Strategie! Dabei dürfen sich Unternehmer nicht in die Irre führen lassen. Manchmal liegen die tatsächlichen Nachhaltigkeitspotenziale in Bereichen, die auf den ersten Blick nicht so attraktiv wirken. Daraus kann aber ein sehr authentischer und produktiver USP erwachsen. Mit Blick auf das Nachhaltigkeitsreporting und die Sicht von Banken und Investoren auf ein Unternehmen stehen die CO2-Emissionen aktuell im Fokus. Das Thema Klimaneutralität und das Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen ist also für alle Unternehmen relevant. Leider ist es nicht immer das Thema, das am leichtesten umzusetzen ist.

VentureCapital Magazin Ausgabe 05/2024
VentureCapital Magazin Ausgabe 05/2024

VC Magazin: Nachhaltigkeitsreporting wird für Unternehmen immer wichtiger und mit Richtlinien wie der CSRD auch gefordert. Allerdings bringen Berichtspflichten zusätzlichen Arbeitsaufwand. Wie können Unternehmer hier am besten vorgehen?

Lerner: Das Nachhaltigkeitsreporting ist in der Tat mit Aufwand verbunden. Letztlich
dienen aber alle Berichtsformen – ob freiwillig, zum Beispiel nach DNK, oder verpflichtend nach CSRD/ESRS – der Bestandsaufnahme und Zielformulierung, die für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie notwendig sind. Sie sind also ein guter Ausgangspunkt für eine auf Dauer angelegte, nachhaltige Transformation, und diese ist wie oben beschrieben notwendig für den wirtschaftlichen Erfolg. Ich sehe die Berichterstattung darum als Chance und das Bereitstellen von Ressourcen und das Aufsetzen von Prozessen als absolut notwendige Investition in die nahe Zukunft.

VC Magazin: Welche Risiken beim Thema Nachhaltigkeit sehen Sie auf Unternehmer zukommen?

Lerner: Von der Nachhaltigkeit und den mit ihr verbundenen Regulatoriken geht für Unternehmen eine vergleichsweise geringe Gefahr aus. Die tatsächlichen Risiken für Unternehmen liegen in den schwindenden Ressourcen, den Standort- und Produktionsrisiken aufgrund von zum Beispiel klimawandelbedingten Extremwettern, dem Schutz der Belegschaft vor ebendiesen oder der Instabilität von politischen Systemen, welche die klimabedingte Notlage der Menschen und die damit einhergehende Migration mit sich bringen wird.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerin:

Meike Lerner ist Nachhaltigkeitsreferentin bei der Bank im Bistum Essen. Zuvor war sie selbstständige Nachhaltigkeitsberaterin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeitsreporting und CSRD.