Bildnachweis: Possehl Digital.
Possehl Digital investiert als Teil der Possehl Gruppe mit über 200 mittelständischen Unternehmen in digitale Technologiefirmen und verschafft damit sowohl der Gruppe als auch der Industrie Zugang zur digitalen Zukunftsfähigkeit.
VC Magazin: Als Teil der Possehl Gruppe investiert Possehl Digital in Digitalunternehmen
und Start-ups, die zur Digitalisierung des industriellen Mittelstands beitragen. Wie sieht Ihre Struktur aus?
Haß: Die Besonderheit ist, dass Possehl eine über 175-jährige Geschichte vorweist. Die Anfänge liegen in der Stahlindustrie. Seit 1919 lebt die Familie Possehl nicht mehr und es wurde die Stiftung gegründet, um unter anderem Wissenschaft, Kultur und Soziales sowie Weiteres zu fördern. Unterhalb der Stiftung hängt eine Holding, mit dem Ziel, Geld zu erwirtschaften, das die Stiftung für ihre Zwecke nutzen kann. Zur Holding gehört ein Portfolio von mehr als 200 Mittelständlern. Vor ein paar Jahren wurde dann die Frage gestellt, wie Possehl mit dem digitalen Wandel umgeht und wie die mittelständischen Unternehmen zukunftsfähig werden. Eine Antwort war die Gründung von Possehl Digital als eigenem Geschäftsbereich, der in Wachstumsunternehmen investiert. Durch diesen Geschäftsbereich, der anders als die anderen funktioniert, soll ein Beitrag zur langfristigen Ausrichtung der Unternehmensgruppe und damit Ertrag für den Fortbestand der Stiftung
gesichert werden.
VC Magazin: Welchen Investmentfokus verfolgen Sie?
Haß: Wir stellen uns immer zuerst die Fragen: Wie sieht ein zukunftsfähiges mittelständisches Unternehmen in fünf bis zehn Jahren aus und was braucht es dafür? Aus den Antworten darauf leiten wir unsere Investmentkriterien und Suchfelder ab. Dabei investieren wir in Start-ups ebenso wie in Unternehmen, die bereits 15 oder 20 Jahre alt sind. Entscheidend ist, ob die Unternehmen bei der Transformation der mittelständischen Industrie helfen. Die Firmen sollten jedoch mindestens 1 Mio. bis 1,5 Mio. EUR Umsatz erwirtschaften. Wir beteiligen uns mit Mehrheits- ebenso wie mit Minderheitsbeteiligungen, vorrangig in der DACH-Region. Wir bringen dann mit unserer Gruppe einen größeren potenziellen Kundenstamm für die Unternehmen mit und helfen ihnen gleichzeitig, ihre Produkte und Prozesse weiterzuentwickeln und zu wachsen. Diese Unterstützung ist unser größter Hebel.
VC Magazin: Wie ist Ihr aktuelles Portfolio aufgestellt?
Haß: Wir sind derzeit an acht Firmen beteiligt, die jeweils einen Themenschwerpunkt für die Frage der Zukunftsfähigkeit des Mittelstands besetzen; in unserem Verständnis sind das Unternehmen mit 50 Mio. bis 5 Mrd. EUR Umsatz. Zu den Themenfeldern gehören unter anderem Data Analytics, Künstliche Intelligenz, Cybersecurity, Softwareentwicklung, Qualitätsmanagement, aber auch B2B E-Commerce. Dafür haben wir einen eigenen Onlineshop für den industriellen Mittelstand aufgebaut, mit dem Ziel, das Ersatzteilgeschäft anzukurbeln und Prozesse zu optimieren. Ein weiteres Thema ist digitaler Remote Service: Ein großer Teil des Umsatzes wird im Service generiert, und wenn eine Maschine ausfällt, ist ein Mitarbeitender unterwegs nach Amerika oder China – wenig nachhaltig und teuer. Wir schaffen somit digitale Lösungen vor Ort. Und schließlich treiben uns auch Automatisierungen wie Low Code um. Viele Unternehmen digitalisieren aktuell unter anderem ihre Produktion, aber die großen Anbieter sind dabei zu teuer. Wir haben uns an einem Low Code-Unternehmen beteiligt, mit dem wir nun viel zielgerichteter die Produktion digitalisieren können.
VC Magazin: Welche Rolle spielen die Werte der Stiftung oder auch Nachhaltigkeit bei Ihren Investments?
Haß: Die Possehl Gruppe ist ein sehr werteorientiertes Unternehmen, allein schon durch die Stiftung. Das zeichnet uns wirklich aus. Wir wollen als Possehl Digital unternehmerisches Handeln fördern und auf Dekarbonisierung achten – das ist uns wichtig. Unser Ziel ist es, eine soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit voranzutreiben.
VC Magazin: Sie sind eng vernetzt mit dem industriellen Mittelstand. Was sind derzeit die größten Herausforderungen für diese Unternehmen?
Haß: Es gibt natürlich die bekannten Themen von Fachkräftemangel, demografischem Wandel oder überbordender Regulatorik. Eine sehr zentrale Fragestellung ist aber auch, wie Vertrieb und Marketing in fünf bis zehn Jahren in der Industrie aussehen werden. Klassische Vertriebler entwickeln sich zu Beratern; hier findet ein großer Umbruch statt. Ein weiteres Thema ist die Datenverwertung. Es entstehen Unmengen an Daten, aber es gibt häufig keine Grundlage, um sie richtig anzuwenden. Die IT ist zum Teil verkrustet – die Digitalisierung kann hier einen Weg bereiten. Mit Possehl Digital möchten wir an solchen Themen ansetzen und sie mit Innovationen voranbringen.
VC Magazin: Wie sehen die weiteren Pläne und Ziele von Possehl Digital aus?
Haß: Es geht uns im nächsten Schritt darum, unser Angebot zielgerichtet aufzusetzen, Add-on-Akquisitionen zu tätigen und weitere Beteiligungen für unsere Themenfelder zu identifizieren. Wir wollen mit Possehl Digital einen Impact leisten und ein Gesamtbild für die Possehl Gruppe der Zukunft bauen. Man braucht große Ambitionen, wenn man etwas vorantreiben möchte, und unser Ziel ist es, die Industrie zukunftsfähig zu machen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Christoph Hass ist Geschäftsführer der Possehl Digital GmbH. Er war in den letzten Jahren in verschiedenen Positionen in der Digitalbranche tätig und hat somit ein gutes Verständnis über die Bedürfnisse der verschiedenen Akteure.