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Die Anwendung von KI im Bereich Healthcare und Life Science ist ein allgegenwärtiges Thema auf Innovations- und Technologiekonferenzen. Folgerichtig wecken auch Start-Ups, die in dem Bereich innovative Ideen entwickeln, aktuell vermehrt das Interesse von Investoren.
Da KI ein enormes Innovationspotential mit sich bringt, wird auch der nun in Kraft getretene AI-Act als ein ebenso innovatives Regelwerk („groundbraking law“) betrachtet. Trotz, oder gerade wegen der starken Innovationskraft, beinhaltet er aber auch Regulierungen und aufwendige Prüf- sowie Zulassungsverfahren. Diese können insbesondere Start-Ups den Markteinstieg erschweren – weshalb der AI-Act deren Sonderrolle und Bedürfnisse im Blick hat, indem er sie durch „Maßnahmen zur Innovationsförderung mit besonderem Augenmerk auf KMU, einschließlich Start-up-Unternehmen“ (Art. 1 g AI-Act) besonders fördern möchte.
So sollen die Mitgliedstaaten u.a. folgende Maßnahmen ergreifen:
- Für Start-Ups sollen vereinfachte Verfahren zur Einhaltung der für sie geltenden
Anbieterpflichten ermöglicht werden, die ihnen keine übermäßigen Kosten
verursachen und sie bei der Verwendung von KI-Modellen nicht behindern. - Start-Ups sollen kostenlosen und bevorzugten Zugang zu „KI-Reallaboren“ (sog.
„regulatory sandboxes“ – Art. 57 AI-Act) bekommen. Für die Unternehmen soll es
dadurch möglich sein, in kontrollierten Umgebungen neue KI-Systeme vor der
Markteinführung zu testen. Damit haben Start-Ups zumindest die Chance, ihre KI-
Systeme weiterzuentwickeln. - KI-Systeme, die von Start-Ups angeboten werden, sollen einen erleichterten und
beschleunigten Zugang zum Markt bekommen. - Durchführung besonderer, auf Start-Ups ausgerichtete Sensibilisierungs- und
Schulungsmaßnahmen für die Anwendung dieser Verordnung. - Einrichtung besonderer Kanäle für die Kommunikation mit Start-Ups, um Ratschläge
zu geben und Fragen zur Durchführung dieser Verordnung, auch bezüglich der
Beteiligung an KI-Reallaboren, zu beantworten. - Bei der Festsetzung der Gebühren für die Konformitätsbewertung sollen die
besonderen Interessen und Bedürfnisse von (u.a.) Start-Ups berücksichtigt werden,
indem diese Gebühren proportional zur Größe der Unternehmen, der Größe ihres
Marktes und anderen einschlägigen Kennzahlen gesenkt werden.
Auch bei den Sanktionen lässt man Start-Ups nicht unberücksichtigt. Danach sollen sie zwar wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein, aber die Interessen der Jungunternehmen, sowie deren wirtschaftliches Überleben, berücksichtigen. Konkret heißt das, dass bei Geldbußen jeweils der niedrigere Betrag gelten soll.
Zahlreiche innovative KI-Systeme werden wohl in die vom AI-Act definierte „High-Risk“-Kategorie fallen. Insbesondere Start-Ups im Bereich Medizintechnik werden mit hohen regulatorischen Hürden konfrontiert sein, da nahezu jedes KI-basierte Medizinprodukt als Hochrisiko-KI-System eingestuft werden wird. Dies hat zur Folge, dass Start-Ups sowohl die Konformität des Medizinprodukts als auch die des KI-Systems nachweisen müssen. Zudem ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel mit der Medical-Device-Regulation (MDR).
Der AI-Act fordert, basierend auf seinem risikobasierten Ansatz sowie dem Ansatz der
Risikominimierung („as low as possible“), die Beseitigung oder Verringerung der ermittelten Risiken, soweit technisch möglich. Auch Start-Ups müssen neben der Einrichtung von Risiko- und Qualitätsmanagementsystemen zahlreiche regulatorische Vorschriften einhalten – für die sie aber oft nicht über ausreichende (personelle) Ressourcen verfügen.
Entwicklung, Klassifizierung und Zulassung eines KI-Systems können sehr aufwendig und komplex sein, Investoren legen aber oft Wert auf eine kurze Time-to-Market. Im Bereich MedTech dürfte für Investoren wichtig sein, dass sich Start-Ups mit den Pflichten der Betreiber von Hochrisiko-KI-Systemen auseinandersetzen – auch mit Blick darauf, dass das Zusammenspiel von AI-Act und MDR noch nicht abschließend geklärt ist. Als Konsequenz kann bei der Zulassung von KI-basierten Medizinprodukten ein „Mehr“ an Hürden entstehen, was sich letztendlich auf die Time-to Market auswirken kann. Der Fokus sollte daher so früh wie möglich auch auf den regulatorischen Anforderungen liegen, selbst wenn noch im „Reallabor“ getestet wird.
Fazit
Insgesamt ist es daher ratsam, sich bereits frühzeitig mit den Regularien des AI-Act
auseinanderzusetzen – auch, um eine effiziente Produktentwicklung zu ermöglichen, gegenüber Investoren kompetent zu sein und zu vermeiden, dass später ein übermäßig hoher Aufwand erforderlich wird.
Über die Autoren:
Katja Hoos ist Anwältin und Partnerin bei der Kanzlei Schalast. Antonia Dicke ist bei der Kanzlei im Bereich Venture Capital angestellt. Dr. Marc-André Rousseau ist Head of Venture Capital & Start-ups bei Schalast.