„Biotechnologie ist der Motor für medizinische Fortschritte“

Interview mit Prof. Dr. Ralf Huss (BioM) und Christian Gnam (IZB)

Chrstian Gnam (IZB) und Prof. Dr. Ralf Huss (BioM) im Gespräch mit Mathias Renz (VC Magazin)
Chrstian Gnam (IZB) und Prof. Dr. Ralf Huss (BioM) im Gespräch mit Mathias Renz (VC Magazin)

Bildnachweis: VC Magazin.

Über die Vorteile des neuen Inkubators MAxL und die Zukunft der Life Sciences-Szene sprechen Prof. Dr. Ralf Huss, Geschäftsführer von BioM, und Christian Gnam, Geschäftsführer des IZB.

VC Magazin: Ende Juni wurde der Inkubator MAxL von BioM feierlich eröffnet. Wie profitieren Start-ups und das Ökosystem von der neuen Start-up-Schmiede auf dem Gelände des IZB?

Huss: BioM hat in fast 30 Jahren zahlreiche Firmen an den Start gebracht, von denen wir einige auch in das IZB überführen konnten. Mit MAxL haben wir nun die Gelegenheit, auch sehr frühe Projektteams schneller zu einer wirtschaftlichen Ausgründung zu führen – und das macht MAxL einzigartig. Wir bieten diesen Gründern nicht nur Laborräume als gemeinsame Fläche an, sondern sie erhalten zudem Unterstützung und Know-how in der Unternehmensgründung, um schneller und effektiver zu starten.

Gnam: Für das IZB schließt MAxL eine Lücke. Bisher konnten wir nur Start-ups aufnehmen, die schon die ersten Schritte gemacht hatten und eine solide Anfangsfinanzierung vorweisen konnten. Mit MAxL ist es uns nun möglich, auch noch frühphasigere Start-ups anzusprechen und an den Campus zu bringen. Es ist eine super Initiative und absolut komplementär zum bisherigen Angebot.

VC Magazin: Welche Art von Projektteams beziehungsweise Start-ups sollen im MAxL eine befristete Heimat finden?

Huss: Die Voraussetzung ist eine möglichst gute Geschäftsidee und das Ziel einer Unternehmensgründung. Wir wollen potenziellen Gründern ein niedrigschwelliges Angebot machen. Es gibt hier in und um Martinsried viele Ideengeber, aber unser Angebot ist natürlich nicht lokal beschränkt. Oft ist aber die Hemmschwelle für Forschende groß, ein Unternehmen zu gründen. MAxL bietet die Chance, Ideen weiterzuführen, die auf grundlegenden Experimenten und möglichst auch IP beruhen. Es muss aber noch keine Gründung erfolgt sein, um im MAxL gefördert zu werden. Unser Wettbewerb „m4 Award“, der alle zwei Jahre bis zu fünf Teams mit jeweils 500.000 EUR ausstattet, hat schon 14 solcher Unternehmungen hervorgebracht.

Gnam: Ich finde es gut, dass das MAxL neben der physischen Infrastruktur auch Business-Coaching anbietet. Somit wird bei den Gründern von Beginn an unternehmerisches Denken gefördert. Auch wenn in der ersten Phase sicherlich die Forschung noch im Fokus steht, muss das Entwicklungsvorhaben schließlich in ein Unternehmen transformiert werden. Es ist daher wichtig, gleich das richtige Mindset zu vermitteln.

VC Magazin: Herr Gnam, Sie haben im April die Geschäftsführung des IZB übernommen – Ihr Fazit nach den ersten 100 Tagen, ersten Events und ersten Finanzierungsrunden von IZB-Mietern?

Gnam: Es ist eine spannende Tätigkeit mit vielen unterschiedlichen Aufgaben. Der Standort hier in Martinsried und in Weihenstephan haben sich über die Jahrzehnte hervorragend entwickelt. Wir haben vor Ort ein Cluster aus Topuniversitäten (LMU und TUM), Spitzenforschungsinstituten (Max-Planck und Helmholtz) und erfolgreichen Pharma und Biotech-Unternehmen. Diese Mischung bildet den Nährboden für neue Gründungen. Die Finanzierungsrunden der letzten Monate zeigen zudem, dass die Standortvoraussetzungen für Wachstum gegeben sind. Gleichzeitig dürfen wir uns darauf nicht ausruhen, sondern müssen auf Technologietrends und die Veränderungen in der Weltwirtschaft reagieren.

VC Magazin: Was sind Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele mit dem IZB?

Gnam: Ein erstes Ziel ist es, den Austausch am Campus noch stärker zu fördern. Wir haben viele großartige Einrichtungen vor Ort und können das vorhandene Wissen und die Infrastruktur aber besser nutzen. Wir möchten mit themenspezifischen Formaten die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Unternehmen noch intensivieren. Zudem möchte ich auch die Expertise und Infrastruktur am Campus, insbesondere im Bereich KI, weiterentwickeln. Auch der internationale Wissenstransfer ist wichtig, um einerseits Investoren anzulocken und anderseits Kooperationen über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. Der Kontakt zu internationalen Hubs wie Boston spielen eine wichtige Rolle. Perspektivisch habe ich natürlich auch das Thema Flächenexpansion für unsere Biotech-Unternehmen auf der Agenda.

VC Magazin: Warum sind Gründer- und Innovationszentren wie das IZB auch in Zeiten von Digitalisierung, Homeoffice und Globalisierung besondere Plätze?

Huss: Während und nach der Pandemie haben wir gelernt, dass Digitalisierung und Remote-Arbeit wichtig sind, aber der Austausch und die Arbeit im Labor ebenso. Der persönliche Austausch, der spontane Kontakt beim Mittagessen oder im Labor ist durch digitales Arbeiten nicht vollständig zu ersetzen.

Gnam: Der Bedarf an Laborflächen war und ist gleichbleibend hoch. Unsere Labore waren auch während der Pandemie voll besetzt. Das zeigt, dass die physische Präsenz in der Biotechnologie weiterhin wichtig ist. Neben der Labornutzung ist aber auch der Austausch vor Ort entscheidend, um kreative Prozesse und Innovationen anzustoßen.

VC Magazin: Was sind aktuell die größten Herausforderungen der Life Sciences-Szene und insbesondere der Greater Munich Area?

Huss: Eine der größten Herausforderungen ist das Thema Finanzierung. Wir sehen immer wieder Finanzierungsrunden, die zeigen, dass grundsätzlich Vertrauen aufgebaut wird, und es besteht noch viel Potenzial für zusätzliche Laborflächen und Kooperationen. Wir wollen aber nicht weitere „Martinsrieds“ über München und Bayern verteilen, sondern gezielt auch neue Schwerpunkte setzen und besonders die Vernetzung stärken.

Gnam: Es gibt immer noch nicht genügend Wachstumskapital in Deutschland und Europa. In der ganz frühen Phase unterstützt oft der Staat mit Förderung. Die großen Finanzierungsrunden – B-Runde und aufwärts – werden dann meist von US-Fonds angeführt. Die Politik muss daher Rahmenbedingungen schaffen, damit noch mehr Kapital in Wagniskapitalfonds fließt. Oft wird die Biotechnologiebranche in der Öffentlichkeit zudem nicht so stark wahrgenommen wie andere Branchen, obwohl hier wichtige Innovationen entstehen, die sowohl Leben retten können als auch Technologielieferant für anderen Branchen wie Foodtech oder New Materials sind. Wir müssen daran arbeiten, diese wichtige Beiträge, die hier entstehen, noch stärker hervorzuheben.

VC Magazin: Ihre Büros im IZB liegen Luftlinie 50 Meter auseinander. Wie eng ist die Zusammenarbeit? Verfolgen Sie gemeinsame Pläne?

Gnam: Es ist wichtig, dass wir als Standort und Management gemeinsam stark auftreten. Wir arbeiten komplementär und nutzen Synergien, um den Standort weiterzuentwickeln. Wir haben regelmäßige Abstimmungen und gemeinsame Ziele. Die Zusammenarbeit mit BioM läuft sehr gut und wir wollen sie in den kommenden Monaten und Jahren weiter ausbauen.

Huss: Wir haben regelmäßige Jour fixes, um uns auszutauschen und gemeinsame Projekte voranzutreiben. Unser Ziel ist es, die bayerische Biotechnologie nach außen zu tragen und den Standort zu stärken. Ein starker Kern in München und Martinsried ermöglicht es uns, international sichtbar zu werden.

VC Magazin: Wie kann BioM die Unternehmen aus dem IZB zum Beispiel beim Thema Internationalisierung unterstützen?

Huss: Wir organisieren gemeinsame Events, bei denen wir auch internationale Investoren nach München holen. Wir präsentieren dort unsere Start-ups und unterstützen sie so bei der Internationalisierung. Auch diese Zusammenarbeit mit internationalen Partnern ist wichtig, um die Vernetzung und Sichtbarkeit unserer Start-ups zu erhöhen.

VC Magazin: Wie sehen Ihre Wünsche für die nächsten zwölf Monate aus?

Huss: Um es mit zwei Wörtern zu sagen: mehr Kapital. Aber das allein reicht nicht aus – insofern würde ich mich freuen, wenn wir das Momentum fortsetzen könnten. Es wäre schön, wenn die Öffentlichkeit mehr von unserer Arbeit sähe, wir mehr Akzeptanz für Innovationen erführen und die Probleme der Zukunft gemeinsam angehen könnten. Wenn das geschieht, werden die Investoren gerne kommen.

Gnam: Ich kann nur zustimmen: Wir schreiben jetzt großartige Erfolgsgeschichten und möchten diese gerne fortführen. Damit steigt auch das Interesse an der Biotechnologie. Das IZB ist in diesem Jahr sehr gut gestartet. Ich wünsche mir, dass wir den Campus gemeinsam weiterentwickeln und eine ganze Reihe von neuen, spannenden Unternehmen aufnehmen. Drei neue Unternehmen haben wir dieses Jahr bereits begrüßen können – und das ist erst der Anfang.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartner:

Prof. Dr. Ralf Huss ist Geschäftsführer von BioM. Der Arzt und Pathologe ist ein anerkannter Experte im Bereich der Biotechnologie und hat über 30 Jahre Erfahrung in Forschung, Entwicklung und Unternehmensführung.

Christian Gnam ist seit April Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Biotechnologie (IZB). Er leitete zuvor den Insurtech Hub in München.