Bildnachweis: REIA Capital.
Die Private Equity-Szene ist noch immer von Männern dominiert – zumindest auf Partnerebene. Warum dringender Handlungsbedarf besteht und vor allem die Gen Z nicht unterschätzt werden sollte, wissen Dachfondsmanager und Private Equity-Experte Thomas Weinmann und die Investmentanalystin Tizia Weger von REIA Capital.
VC Magazin: In der historisch von Männern dominierten Beteiligungsszene waren Frauen viele Jahre klar in der Unterzahl. Bemerken Sie Veränderungen?
Weinmann: Man sieht durchaus, dass Frauen in die Private Equity-Gesellschaften einziehen. Das gilt aber leider nach wie vor nicht für die Führungsebene – diese ist oft noch von Männern dominiert. Das liegt oftmals an fehlenden Regelungen, zum Beispiel für die Elternzeit bei den Themen Dealbetreuung und Carried Interest-Verteilung. Es gibt keine durchgängig schlaue Lösung, wie man mit dem Carried Interest umgeht, wenn die Teammitglieder elternzeitbedingt temporär nicht an Bord sind. Eine für alle gerechte Lösung ist sicher nicht einfach; allerdings fehlt es häufig auch an der Bereitschaft, überhaupt darüber nachzudenken. Zudem gibt es immer mehr Männer, die die Elternzeit nutzen wollen. Die Branche kann sich nicht länger vor einer Lösungsfindung verschließen.
VC Magazin: Welche Lösung würden Sie vorschlagen?
Weinmann: Meistens geht es um die Familienplanung und anschließende Kinderbetreuung, und hier müssen die Arbeitsmodelle angepasst werden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Homeoffice eine probate Lösung für diese Themen sein kann. Das erfordert aber auch Verständnis, dass Mütter oder Väter tagsüber zu anderen Zeiten arbeiten oder ein Teammitglied für eine bestimmte Zeit andere Aufgaben übernimmt. Rücksicht und Flexibilität auf allen Ebenen sind hier die Schlagworte – allerdings scheitert die Branche hieran oftmals noch.
VC Magazin: Warum sind Frauen in der Szene noch immer in der Unterzahl? Wie können sie mehr für die Szene begeistert werden?
Weinmann: Es gibt einige Netzwerke, die genutzt werden sollten, zum Beispiel Level20. Wir haben zwei junge Kolleginnen gewinnen können und uns gewünscht, dass sie sich
bei diesem Netzwerk künftig engagieren. Es braucht auch mehr Rollenbilder, an denen sich
junge Kolleginnen orientieren können.
Weger: Ich finde es positiv, dass sich mittlerweile ein Bewusstsein für mehr Diversität entwickelt. Bis es eine komplette Ausgeglichenheit im Markt gibt, müssen vermutlich noch einige Jahre ins Land ziehen. Um einen Berufseinstieg im Bereich Private Equity in Erwägung zu ziehen, muss zunächst ein Interesse für dieses Thema entstehen, und hier spielen die Schul- und die Studienzeit eine wichtige Rolle. In meiner Schulzeit herrschte der Glaubenssatz, dass Mädchen gut in Kunst und Sprachen sind, aber nicht so sehr in Mathematik. Dann ist es kein Wunder, dass die Frauenquote auch an der Universität im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich niedrig ist und sich wenige Frauen nach dem Studium auf die Stellen in der Finanzbranche bewerben. Positiv ist, dass die Finanzbranche einen Imagewandel durchlebt und dieser auch bei Studentinnen und Berufsanfängerinnen ankommt.
VC Magazin: Also liegt das Problem eher an Schule und Universität als an der Branche selbst?
Weinmann: Zu meinen Studienzeiten war es noch schlimmer in Sachen Frauenquote. Und ich sehe an meinen Töchtern, dass in der Schule mittlerweile Wirtschaftsthemen komplett
vom Lehrplan verschwunden sind. Das Planspiel Börse zum Beispiel kostet kein Geld, nur ein bisschen Zeit, und die Schüler können sogar Preise gewinnen – solche Programme werden leider nur teilweise von den Schulen gefördert und sind nicht mehr Teil des Lehrplans. Das ist schade. Wenn früh die Begeisterung für Zahlen und Wirtschaft geweckt wird, profitieren alle.
VC Magazin: Frau Weger, was waren Ihre Beweggründe für ein Engagement im Private Equity-Bereich?
Weger: Ich habe mich bereits sehr früh für Märkte und Unternehmensstrukturen interessiert und während des VWL-Studiums meine Passion für Zahlen entdeckt. Die Bereiche Finanzen und Consulting haben mich besonders interessiert, und Private Equity ist eine spannende Mischung aus beidem. Neben den Zahlen sind außerdem eine enge Zusammenarbeit im Team und Kreativität gefragt. Das macht es sehr spannend! Mich reizt, direkt an Investitionsentscheidungen beteiligt zu sein und diese Dynamik und Vielfalt zu erleben. Noch dazu habe ich bei REIA Capital die Gründungsphase miterleben dürfen und bin von Stunde null an dabei – das ist ein echter Glücksfall.
VC Magazin: Heterogene Teams entwickeln Studien zufolge besonders gute Ergebnisse.
Wie sind Ihre Erfahrungen?
Weinmann: Je mehr und je unterschiedlichere Meinungen man an Bord hat, desto bessere Investmententscheidungen trifft man. Diversität versteht sich dabei sowohl hinsichtlich des Geschlechts, aber auch des Alters und der Herkunft. Unser Problem ist, dass viele unserer Bewerber zum Großteil Deutsche sind, bedingt auch dadurch, dass unsere Unternehmenssprache Deutsch ist. Deshalb ist uns im Auswahlprozess Auslandserfahrung sehr wichtig. Auch Reisen bildet enorm: Man lernt andere Kulturen kennen und entwickelt eine Weltgewandtheit.
VC Magazin: Der jungen Generation sagt man fehlenden Einsatz für die Arbeit nach. Wie sehen Sie die Gen Z und welche Rolle spielt das Alter bei Ihren Einstellungen?
Weinmann: Wenn ich reflektiere, was uns mit Anfang 20 von der damals älteren Generation nachgesagt wurde: Es hieß, wir wären alle ein bisschen faul, machten nur Party und sollten endlich mit dem Arbeiten anfangen und nicht die Regelstudienzeiten überschreiten. Das war vor 30 Jahren, und an dieser Einstellung der Älteren gegenüber der Jugend hat sich nichts geändert. Das ist der klassische Generationenkonflikt. Wenn ich unsere Bewerber anschaue, sehe ich, dass sie bis in die Haarspitzen motiviert sind und etwas bewirken wollen. Der Unterschied ist, dass meine Generation häufig noch obrigkeitsgläubiger war. Die Gen Z fordert mehr Aufmerksamkeit, fragt mehr nach – und das ist aus meiner Sicht richtig und berechtigt. Deshalb sind die Mitglieder dieser Generation ein wichtiger Teil in unserem Team.
Weger: Man kann keine Generation über einen Kamm scheren und sollte den Einzelnen differenziert betrachten. Wir bringen entgegen allen Vorurteilen sehr viel Gutes mit. Wir sind gut ausgebildet, technologieaffin, kreativ, innovativ und verfügen über eine starke digitale Kompetenz. Was das Arbeitsengagement betrifft, glaube ich, dass die Gen Z einfach einen anderen Ansatz verfolgt als frühere Generationen. Das Vorurteil der Faulheit kommt vielleicht durch den immer stärker werdenden Wunsch nach flexibleren Arbeitsmodellen. Die Gen Z sucht sehr stark nach einer sinnhaften Tätigkeit, strebt nach Effizienz und Ergebnisorientierung. Das darf man aber keinesfalls mit mangelndem Engagement und fehlender Zielstrebigkeit verwechseln. Ich sehe die Flexibilität und Adaptivität meiner Generation als positiv.
VC Magazin: Welche Rolle spielt Diversität für Sie bei der Personalwahl?
Weinmann: Im allerersten Schritt suchen wir nach fachlich qualifizierten Personen. Diversität hilft uns anschließend beim Team Fit. Die Arbeit soll Spaß machen; dabei spielt ein gutes Team eine wichtige Rolle. Manchmal zwängen Quoten in ein unnötiges Korsett. Bestes Beispiel ist unser Team in Irland: Wir haben uns für zwei Direktorinnen entschieden, weil sie von ihrer Qualifikation und ihren Kenntnissen gegenüber ihren drei männlichen Alternativkandidaten überzeugten. Damit unser Team zusammenpasst, übertragen wir auch Personalverantwortung an die jüngeren Kollegen.
Weger: Ich bin die erste Anlaufstelle für unsere Praktikanten und entscheide, wer in die nächste Interviewrunde kommt. Hierdurch darf ich früh Verantwortung mitübernehmen.
VC Magazin: Welche Rolle spielt Diversität bei Ihren Investitionskriterien und der Fondsauswahl?
Weinmann: Die Erfahrung der Teams spielt für uns eine wichtige Rolle, aber auch eine gesunde Altersstruktur, damit auch ein Generationenwechsel gesichert ist. Wir sehen bei vielen jüngeren Teams eine deutlich höhere Frauenquote und merken, dass man sich hier mehr Gedanken dazu gemacht hat. Oftmals hängt die Teamzusammensetzung auch mit dem Geschäftsmodell oder der Branche zusammen.
Weger: Zudem gibt es bei uns in der Diskussion von Investmentvorschlägen einen genauen Ablauf: Die Jüngsten tun zuerst ihre Meinung kund. Das heißt, es beginnen die Praktikanten, danach der Reihe nach Analysten, Associates und so weiter; zuletzt die Partner. So wird jeder gehört, profitiert vom Erfahrungsschatz des anderen und wir übernehmen bereits früh Verantwortung.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über die Interviewpartner:
Tizia Weger startete bei REIA Capital im Juni 2023 nach ihrem Abschluss in Volkswirtschaftslehre. Sie ist dort als Investmentanalystin in der Prüfung von Private Equity-Fonds aktiv.
Thomas Weinmann ist Gründer von REIA Capital, seit mehr als 25 Jahren im Private Equity-Bereich aktiv und kennt die Branche als Private Equity- und Dachfondsmanager.