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Der Sommer läutet die zweite Jahreshälfte des Jahres ein und gibt damit die Gelegenheit, einen Blick auf die bisherigen Entwicklungen zu werfen sowie Ausblicke für das zweite Halbjahr zu geben. Wie Experten aus der Venture Capital-, M&A- und Start-up-Szene auf das aktuelle Marktgeschehen blicken, lesen Sie in unseren Sommerinterviews.
VC Magazin: Was sind die größten Herausforderungen, denen Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit aktuell gegenüberstehen?
Lais: Da kommt aktuell einiges zusammen. Grundsätzlich fällt es vielen schwer, ihr Geschäftsmodell überhaupt zu monetarisieren. Wer langfristig am Markt bestehen will, kommt darum aber nicht herum. Was wir bei neosfer in unserer Funktion als Frühphaseninvestor der Commerzbank aktuell auch beobachten, ist, dass sich der allgemeine Fokus von Nachhaltigkeit auf andere Themen verlagert. Dazu zählen zum Beispiel globale Krisen, stabile Lieferketten, Inflation, Fachkräftemangel oder fehlendes Wachstum. Das macht es vielen Start-ups deutlich schwerer, weiter zu wachsen. Wir haben auch den Eindruck, dass viele Unternehmen die nachhaltige Transformation als Erfüllung von (regulatorischen) Auflagen sehen. Das Ganze ist für viele eher lästige Pflicht als Kür und die Chancen, die in diesem Wandel stecken, nehmen sie nicht wahr. Unterm Strich macht es diese Einstellung natürlich auch Start-ups schwer, die mit ihren Lösungen vielleicht eher die Kür abdecken. Last but not least gilt für nachhaltig orientierte Start-ups wie für alle anderen auch: Der VC-Markt hat sich Stand jetzt immer noch nicht wieder zu 100% erholt. Die Lage bleibt angespannt – egal, ob es um Funding oder Fachkräfte geht.
VC Magazin: Am 30. & 31. Oktober findet in Frankfurt am Main das (von neosfer organisierte) Impact Festival statt. Welche Erwartungen haben Sie an das diesjährige Event, und welche Ziele haben Sie?
Lais: Wir haben das Impact Festival 2021 mit neosfer ins Leben gerufen, um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Genau das wollen wir auch mit der vierten Ausgabe erreichen. Ich glaube, dass es dafür vor allem den persönlichen Austausch braucht. Genau den fördern wir über verschiedene Formate vor, während und nach dem Impact Festival. Wir wollen Start-ups und Corporates zusammenbringen, damit sie gemeinsam konkrete Projekte zur nachhaltigen Transformation realisieren können.
Mindestens genauso wichtig – gerade wenn wir uns ansehen, womit Start-ups im Nachhaltigkeitssektor aktuell zu kämpfen haben: Die Vernetzung von Start-ups und Investoren. Das ist uns in der in der Vergangenheit übrigens immer wieder gelungen. Ein Beispiel: Magnotherm und BetterVentures haben sich auf dem Impact Festival vernetzt. Daraufhin wurde in magnotherm investiert, sodass eine Skalierung des Geschäftsmodells möglich war. Ganz besonders freuen wir uns dieses Jahr natürlich auch auf unsere neue Location. Der Umzug in die Messe Frankfurt bietet uns an vielen Stellen deutlich mehr Optionen und Raum für neue Ideen. Das bedeutet für uns unterm Strich im Idealfall eine größere Reichweite und Strahlkraft nach außen und damit auch mehr Teilnehmer.
VC Magazin: Wie sehen Sie die Rolle von Technologietrends wie Künstliche Intelligenz im Bereich des Impact Investing?
Lais: Neue Technologien – und damit auch Künstliche Intelligenz – werden in Zukunft in allen Bereichen unseres Lebens und Wirtschaftens eine Rolle spielen. Das gilt definitiv auch für den Bereich des Impact Investings. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Wir beobachten, dass immer mehr VCs – und das gilt nicht nur für Impact VCs – daten- und algorithmusgestütztes Dealsourcing betreiben. Die finale Entscheidung für oder gegen ein Investment treffen am Ende zwar die Menschen. Am Anfang des Prozesses kann KI aber schon jetzt helfen. Das wird in Zukunft sicher weiter zunehmen. Auch auf der anderen Seite des Tischs gewinnt KI immer mehr an Bedeutung. Sie stößt schon heute neue Geschäftsmodelle an oder verbessert bestehende Lösungsangebote. Sie kann zum Beispiel bei der automatisierten Analyse von Satellitendaten für neue Lösungen in der Landwirtschaft oder der Generierung von Impact Reports unterstützen. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen. Wenn wir uns ansehen, für welche Aufgaben die Start-ups KI einsetzen, die in diesem Jahr als Aussteller zum Impact Festival kommen, dann liegt der Fokus ganz klar auf Effizienzsteigerung, Datenanalyse und -aufbereitung und dem Risikomanagement. Besonders relevant sind diese Tasks in Bereichen
wie Erneuerbare Energien, Landwirtschaft und Biodiversität, bei Umweltdaten wie Luftqualität und natürlich bei allen Themen, in die besonders viele Daten hineinspielen – also zum Beispiel CSRD oder Impact-Messungen. Auch bei unseren Portfolio-Start-ups gewinnt KI immer mehr an Bedeutung. Da wäre zum Beispiel Dabbel, ansässig im Energiesektor, die KI dazu nutzen, den Einkauf und Verbrauch von Energie auf der Unternehmens- und Konsumentenseite zu optimieren. Oder TerraOne, die mittels KI Effizienzen im Bereich der Produktion und Speicherung von erneuerbaren Energien heben.
VC Magazin: Und zum Schluss mit Blick auf den Sommer, wie ergänzen Sie: Das Beste am Sommer ist…?
Lais: …in diesem Jahr vor allem die Großereignisse im Sport! Gerade bei den Olympischen Spielen in Paris hat man gesehen, wie auch solche Großereignisse anders gedacht und nachhaltiger realisiert werden können.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Matthias Lais ist Geschäftsführer bei neosfer, Frühphaseninvestor und Innovationseinheit der Commerzbank-Gruppe. Gemeinsam mit dem Team untersucht er wirtschafts- und gesellschaftsrelevante Zukunftstechnologien, fördert und entwickelt nachhaltige, digitale Lösungen und bringt diese gewinnbringend in die Commerzbank und zu ihren Kunden.