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Über das VTGF-Programm stellen BMWK, BMF und KfW 1,2 Mrd. EUR im Rahmen des Zukunftsfonds für die Förderung von jungen Technologieunternehmen zur Verfügung. Die Gelder werden unter anderem in Form einer Venture (Debt)-Finanzierung gemeinsam von der KfW in Kooperation mit einer Partnerbank vergeben. Jochen Eichmann erklärt, was dahintersteckt und wieso sich Wachstumsunternehmen mit dem Thema Venture Debt befassen sollten.
VC Magazin: Welche Vorteile bietet Venture Debt im Vergleich zu Venture Capital?
Eichmann: Einer der wichtigsten Vorteile von Venture Debt gegenüber Venture Capital ist die geringe Anteilsverwässerung. Während bei Venture Capital der Investor Anteile am Unternehmen erwirbt, erhält ein Venture Debt-Geber eine feste Verzinsung auf das geliehene Kapital sowie gegebenenfalls Bezugsrechte, sogenannte Warrants. Im Vergleich zur Finanzierung über Eigenkapitalinvestoren verringert sich dadurch der Anteil der Gründer und der bestehenden Investoren am Unternehmen nicht beziehungsweise je nach Ausgestaltung der Warrants gegebenenfalls geringfügig. Ein weiterer Vorteil von Venture Debt ist, dass sie es einem Unternehmen ermöglicht, seine Liquidität zu erhöhen und somit länger ohne eine weitere Eigenkapitalrunde auszukommen. Dies gibt dem Unternehmen mehr Zeit, um seine Prozesse und Produkte zu optimieren und seine Wachstumsstrategie umzusetzen. Der Runway bis zur nächsten Eigenkapitalrunde wird also verlängert, was dem Unternehmen mehr Flexibilität verleiht. Kann das Unternehmen seine Wachstumsstrategie erfolgreich umsetzen, wird dies in der Regel die Bewertung für die nächste Runde positiv beeinflussen.
VC Magazin: Wie wird das Risiko bei der Vergabe von Venture Debt bewertet und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Eichmann: Bei der Risikoprüfung einer Venture Debt-Finanzierung werden neben einem
Investor Pitch Deck in der Regel Informationen zur Mittelverwendung, historische Jahresabschlüsse und die Managementplanung auf Jahres- und Monatsbasis benötigt. Venture Debt-Geber überprüfen dabei unter anderem das Geschäftsmodell, die Geschäftsentwicklung, vorhandene Sicherheiten und das Gründer- und Investorenteam. Dabei ist es wichtig, dass ein Proof of Concept bereits sichtbar ist und das Unternehmen einen nachvollziehbaren Plan zur Profitabilität ausweisen kann.
VC Magazin: Wie sieht die typische Dealstruktur für Venture Debt aus und welche Bedingungen sind üblich?
Eichmann: Eine Venture Debt-Finanzierung ist sehr individuell auf das Unternehmen angepasst. Die üblichen Parameter eines Term Sheets umfassen neben den Zinsen, Gebühren und Tilgungsmodalitäten oftmals auch Warrants, mit denen sich der Venture Debt-Geber am Erfolg des Unternehmens beteiligen kann. Darüber hinaus werden Bedingungen festgelegt, sogenannte Covenants, an die sich der Kreditnehmer während der Laufzeit halten muss. Diese beziehen sich häufig auf das Liquiditätsniveau, die Eigenkapitalquote oder den Verschuldungsgrad. Wie in klassischen Krediten werden auch bei Venture Debt zum Teil Sicherheiten bestellt. Die Auszahlung der Darlehen kann an zuvor festgelegte Meilensteine gebunden sein.
VC Magazin: Wie hat sich der Markt für Venture Debt in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends sind zu beobachten?
Eichmann: In Deutschland und Europa insgesamt beobachten wir eine zunehmende Nachfrage nach Venture Debt. Aufgrund des derzeitigen wirtschaftlichen Umfelds ist die
Verfügbarkeit von Venture Capital zurückgegangen, sodass sich Unternehmen oft mit niedrigeren Bewertungen konfrontiert sehen. Dies macht Venture Debt zu einer noch attraktiveren Finanzierungsoption für Unternehmen. Mit zunehmender Reife des Start-ups ändern sich auch die Fremdkapitalfinanzierungsmöglichkeiten. Diese reichen von Venture Debt mit Warrants über Finanzierungen mit erhöhten Anforderungen bis hin zu konsortialen Pre- und Post-IPO-Finanzierungen. Die Anzahl der Finanzierungsanbieter der jeweiligen Phasen ist in Deutschland im internationalen Vergleich jedoch noch deutlich unterrepräsentiert, stabilisiert sich in den letzten Jahren aber auf einem niedrigen Niveau. Insgesamt ist es erfreulich, dass in den letzten beiden Jahren mehrere neue Finanzierungsanbieter den deutschen Venture-Markt für sich entdeckt haben, auch wenn vereinzelt Anbieter aus dem Markt geschieden sind.
VC Magazin: Welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die eine Venture Debt-Finanzierung anstreben?
Eichmann: Es ist für Unternehmen, die schon erste stabile Umsätze erzielt haben, wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema Fremdkapital auseinanderzusetzen. Mit einer klaren Finanz- und Wachstumsplanung wird schnell deutlich, ab wann frisches Kapital benötigt wird und ob
dies in Form von Eigenkapital oder Fremdkapital eingesammelt werden sollte. Erwartet das
Unternehmen, in absehbarer Zeit EBITDA-positiv zu werden, könnte oftmals eine Venture Debt-Finanzierung (oder auch in Kombination mit einer Eigenkapitalfinanzierung) sinnvoll
sein. Dabei ist es wichtig, die üblichen Unterlagen wie Pitch Deck und Financial Model in hoher Qualität rechtzeitig vorzubereiten, um den Transaktionsprozess, welcher einige Wochen oder manchmal auch Monate dauern kann, zu beschleunigen. Ein gut gemanagter Fremdkapital-Track-Record stärkt die Verhandlungsposition der Start-ups bei weiteren Eigenkapitalrunden bis hin zur IPO-Readiness.
VC Magazin: Wie funktioniert die Venture Debt-Finanzierung über das VTGF-Programm der KfW?
Eichmann: Die KfW arbeitet hier auf Einladung mit privaten Finanzinstituten zusammen, um die Kredite an junge Wachstumsunternehmen zu vergeben. Das bedeutet konkret, dass die KfW sich bei einer Transaktion das Risiko mit einer Partnerbank teilt, in der Regel 50:50, und die Konditionen der Partnerbank übernimmt (beihilfefreies Programm). Die Ticketgrößen des KfW-Anteils reichen dabei von 500.000 bis 125 Mio. EUR. Neben Scale-ups können auch börsennotierte Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen finanziert werden. Über das VTGF-Programm wurden auch bereits bekannte Unternehmen wie Flix, GetYourGuide, tonies, Everphone und andere bei ihrem Wachstum unterstützt.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Jochen Eichmann ist Abteilungsdirektor des Teams Venture Tech Growth Financing (VTGF) bei der KfW. Mit dem Programm unterstützt die Bank innovative Tech-Unternehmen in ihren Wachstumsphasen.