Bildnachweis: Flyby.
Das Start-up Flyby verwandelt herkömmliche Lieferboxen (auf Rollern) in cloudfähige IoT-Geräte mit integriertem Mikrocomputer, Sensoren, digitalen Werbetafeln und maßgeschneiderter Software. Die Technologie ermöglicht Einnahmen und Effizienz in der letzten Liefermeile mit gezielter Werbung und verbesserter die Verkehrssicherheit für die Fahrer*innen. Mehr dazu im Interview mit Cheyenne Kamran, CEO, und Saher Khattab, Head of Advertising.
Inwiefern stellt die sog. letzte Liefermeile eine besondere und zugleich komplexe Herausforderung für Lebensmittellieferdienste, Kund*innen und nicht zuletzt auch für die beteiligten Fahrer*innen dar?
Kamran: Die letzte Meile ist ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, von denen viele kaum einen Gewinn machen. Lieferdienste investieren immense Summen, um ihre Marktanteile auszubauen, Restaurants geben einen beträchtlichen Anteil ihres Gewinns ab und Fahrer stehen unter Druck, mehr Lieferungen pro Stunde zu bewältigen. Dazu wird heute erwartet, dass Bestellungen immer schneller ankommen – die Erwartungen sind enorm hoch. Wenn dann mal eine Lieferung wenige Minuten verspätet ankommt, gibt es sofort eine schlechte Bewertung und kein Trinkgeld. Dieses System ist für keine der beteiligten Parteien nachhaltig – mehr Ruhe muss einkehren. Dies ist zugleich auch ein globales Problem, es betrifft sowohl Deutschland als auch die VAE gleichermaßen.
Wann und wie seid Ihr dann auf die Idee gekommen, das Thema letzte Liefermeile neu zu denken und infolge Flyby zu gründen?
Khattab: Wie Cheyenne bereits erwähnt hat, bedarf es einer neuen Herangehensweise und das geht nur mit einer neuen Philosophie der KPIs und einer neuen Einnahmequelle (– wie zum Beispiel der Werbung).
Die Idee zu Flyby entstand, als wir bemerkten, dass die Boxen auf Motorrollern außerhalb der Stoßzeiten meist vor Restaurants und Büros oft ungenutzt blieben. Wir fragten uns, wie man diese Boxen auch in ruhigeren Phasen sinnvoll einsetzen könnte, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen, ohne den laufenden Prozess zu stören und den Beteiligten in der Lieferkette Vorteile zu verschaffen.
Als langjähriger Freund der Gründer und Werbespezialist war ich von dieser Vision sofort begeistert. Ende 2022 eröffnete ich das Dubai-Office, stellte die ersten Mitarbeiter ein und etablierte die ersten Partnerschaften.
Kamran: Ich war von Anfang an im Prozess beteiligt, insbesondere bei der Entwicklung der Marke, der kreativen Gestaltung und der Technologieentwicklung von der Seite der Agentur “Created by Black”. Im November 2024 bin ich dann als CEO in Vollzeit bei Flyby eingestiegen.
Was waren dann die wichtigsten Meilensteine von der Gründung über die Entwicklung eurer patentierten Smart Delivery Box bis hin zum Marktstart?
Khattab: Ab etwa 2019 hatten wir die ersten Prototypen der Smart Delivery Box entwickelt und parallel den Markt in Dubai als idealen Testmarkt identifiziert. In Dubai erfolgen über 90 Prozent der Lieferungen auf Motorrollern, und der Markt für Fahrer wächst ständig, auch wenn die Profitabilität eine Herausforderung darstellt.
Die Gründer stellten Ingenieure in München ein, um die technische Entwicklung voranzutreiben.
Ein bedeutender Meilenstein war der Gewinn des Innovationspreises des Deutschen Wirtschaftsministeriums im Oktober 2020, der Flyby bestärkte, diese Innovation weiter auszubauen und die Firma ernsthaft voranzutreiben.
Es folgt dann die Anmeldung eines Patents für den Prozess – das Zusammenspiel der Hardware mit der Software.
Ein weiterer entscheidender Meilenstein war dann natürlich die erfolgreiche Seed-Runde von internationalen Investoren im Dezember 2022 über $1Million.
Wie habt ihr diese Phase und damit euch selbst finanziert?
Kamran: Bootstrapping und voller Fokus auf Product-Market-Fit. Seit der ersten Finanzierungsrunde haben wir uns konsequent lean aufgestellt, um unser Produkt auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln. Unser Ansatz war, mit begrenzten Mitteln maximalen Wert zu schaffen, während wir uns voll auf unsere Vision konzentrierten.
Im Oktober 2021 haben wir unsere Friends & Family Runde abgeschlossen. Diese Finanzierung verschaffte den nötigen Atem, um die Innovation zu patentieren und erste Markt-Hypothesen zu testen. Darüber hinaus konnten wir bedeutende Partnerschaften aufbauen, darunter mit Lieferdiensten wie Careem (Tochtergesellschaft von Uber) und Deliveroo in Dubai sowie Media- und Werbeagenturen wie Zenith, Serviceplan und Omnicom. Diese Partner lieferten uns wertvolles Feedback, das uns half, unser Produkt weiter zu verbessern.
Eure Smart Delivery Box wurde bzw. wird in Deutschland mit Unterstützung mehrerer Innovation Zuschüsse der deutschen Regierung entworfen und entwickelt. Welche Rolle spielt dabei das gate Garching, also das Gründerzentrum am Forschungscampus in Garching bei München?
Kamran: gate Garching war im letzten Jahr ein herausragender Partner. Die Unterstützung und das von ihnen bereitgestellte Ökosystem ermöglichten es uns, unsere F&E und Abläufe weiterzuentwickeln. Wir schätzen es sehr, dass das Team unsere Vision teilt, und freuen uns darauf, interessante Menschen kennenzulernen und gemeinsam die Zukunft der Last-Mile-Delivery zu gestalten.
In Dubai sind eure Boxen bereits im Einsatz. Wie kommt es zu eurem Engagement in den Vereinigten Arabischen Emiraten?
Khattab: Der Markt in den Emiraten zeigt eine hohe Nachfrage nach Innovationen wie der Flyby Smart Delivery Box. Die VAE sind ein junges Land mit knapp über 11 Mio. Einwohner und darauf kommen ca. 100.000 aktive Liefer Motorroller. Die Emirate sind bekannt für ihre Begeisterung für Innovationen und haben einen starken Fokus auf Sicherheit im Straßenverkehr. Zudem ist Dubai ein bedeutender Werbe-Hub im Mittleren Osten, und die Implementierung von Innovationen aus Deutschland findet hier großen Anklang. Die Kombination aus diesem Innovationsdrang und unserem Produkt hat zu unserem erfolgreichen Engagement in den VAE geführt.
Nochmals auf den Punkt gebracht: Welches Potenzial hat eure Lösung?
Kamran: Wir führen zwei Innovationen ein, die zentrale Probleme lösen: Erstens Mobile Digital OOH – digitale Außenwerbung, die sich in Bewegung befindet und somit eine hohe Sichtbarkeit erreicht. Zweitens konzentrieren wir uns auf die Verkehrssicherheit, indem wir das Fahrverhalten der Lieferfahrer analysieren und den Arbeitgebern sowie Lieferdiensten Schulungen empfehlen, um das Risiko im Straßenverkehr zu minimieren.
Flyby versteht sich als Ad-Tech-Unternehmen, das Hard- und Software aus einer Hand anbietet und damit nahezu grenzenlos Lösungen bieten kann. Unsere Software ist dabei besonders flexibel und skalierbar. Sie ist Geräte agnostisch, was bedeutet, dass wir problemlos verschiedene andere digitale Werbegeräte und IoT-Geräte integrieren können. So ermöglichen wir nicht nur holistische Werbelösungen, sondern auch Analyse-Tools, die für weitere Optimierungen im Lieferprozess genutzt werden können.
Und last, but not least: Was könnt ihr anderen Gründer*innen aus eigener Erfahrung mit auf den Weg geben?
Kamran: Konzentriert euch auf ein echtes Problem und liefert eine Lösung in höchster Qualität. Ein großartiges Produkt hebt sich durch seine Exzellenz ab. Wenn ihr das Problem eurer Kunden wirklich versteht und eure Lösung perfekt umsetzt, werdet ihr langfristig erfolgreich sein.
Khattab: Startet schnell mit einem MVP, testet und lernt daraus. Geschwindigkeit ist entscheidend. Gleichzeitig bleibt so unabhängig wie möglich – von Investoren und Partnern. Eigenständigkeit gibt euch die Flexibilität, schnell zu reagieren und euer Produkt kontinuierlich zu verbessern.
Danke für das Gespräch und die spannenden Insights!
Das Interview ist zunächst bei unserem Schwesterverlag StartingUp erschienen. Mehr GameChanger des Monats finden Sie hier.
Hier geht es zur Website von Flyby.
Hier geht es zur Website der gate Garching.